Ein Zeitzeuge aus dem Infanterie-Ersatz-Bataillon (Meseritz) berichtet

Erhardt Jochade

Angeregt durch den im HGr 203 (Dezember 2012) erschienenen Bericht über das o.a. Bataillon vom Dresdner Militärhistoriker Matthias Ziefer hat der heute 90jährige Heimatfreund Erhardt Jochade aus Luben bzw. Neubentschen eine Darstellung seiner militärischen Laufbahn gegeben, die uns lesenswert erschien. Sie zeigt in bedrückender Weise, wie einem hoffnungsvollen jungen Menschen sechseinhalb Jahre seines Lebens für eine sinnlose, ja verbrecherische Sache geraubt wurden.

Erhardt Jochade
Mit knapp 18 Jahren im Oktober 1942 einberufen, wurde er für eine ca. vierwöchige Ausbildung in das in Meseritz garnisonierende Grenadier-Ersatz- Bataillon 477 eingereiht.
Danach wurde das Bataillon über einen Standort in Nordfrankreich nach Marseille verlegt, wo selbiges im Dezember 1942 eintraf.
Erhardt Jochade wurde dann dem Grenadierregiment 548, später 549, zugeteilt; beide waren Teil der 328. Infanteriedivision, diese wiederum unterstand dem Armeekorps LXXXIII und der Armeegruppe Felber. Felbers Truppen waren u.a. im Januar 1943 an der Deportation der Marseiller Juden sowie der Räumung und Zerstörung des Marseiller Hafenviertels beteiligt.
Unser Heimatfreund war Angehöriger der 4. Kompanie unter Oberleutnant Stein, einem Neubentschener Zollbeamten.

Im späten Frühjahr 1943 wurde die Einheit Teil der Heeresgruppe Süd der russischen Front und lag im Raum Dnjepopetrowsk. Als der Roten Armee im Juni 1943 ein Durchbruch am Donez gelang, kam die Truppe im Raum Charkow in ihren ersten Kampfeinsatz.
Es folgten mehrwöchige Rückzugsgefechte in Richtung Kriwoj-Rog mit anschließendem Stellungskrieg bei hartem Winter in Schnee und Eis.
Im Dezember führte der weitere Rückzug über den Dnjepr im Raum Krementschug-Dnjepopetrowsk. Ein vierwöchiger Heimaturlaub in Neubentschen unterbrach im Januar 1944 den harten Kriegseinsatz. Anfang Februar 1944 zu seiner Einheit zurückgekehrt, wurde Erhardt Jochade weiter in Rückzugsgefechten eingesetzt, die ihn von Kriwoj- Rog über Mykolajiv bis in den Raum Odessa führten, wobei das Übersetzen über den Dnjestr von hohen Verlusten an Menschen und Material begleitet war.

Nach einem Aufenthalt in Akerman an der Mündung des Dnjestr ins Schwarze Meer mußte der Rückzug nach Rumänien über Galatz an der Donaumündung fortgesetzt werden. Durch Panzerbeschuß am 20. August 1944 verwundet, wurde Jochade mit einem Landungsboot von Braila donauaufwärts nach Bulgarien verlegt. Für ihn war der Russlandfeldzug damit vorbei. Reste seiner 328. Infanteriedivision gelangten nach fast völligem Zerschlagen im Raum Tiraspol-Tighina zwischen Dnjestr und Pruth nach Ungarn und wurden auf andere Einheiten verteilt. Mit der Verwundung in Bulgarien angekommen wurde unser Heimatfreund per Güterwaggon weitertransportiert nach Belgrad in Jugoslawien, wo er am 1.9.1944 eintraf.
Am 6.9.1944 erfolgte unter Beschuß russischer Jagdflugzeuge der Weitertransport in ein Luftwaffenlazarett in Brünn in der Tschechei. Nach kurzem Aufenthalt dort kam Erhardt Jochade zu einem Ersatztruppenteil nach Minden, anschließend wurde er zu einem Lehrgang für Waffenmeistergehilfen nach Dortmund-Aplerbeck versetzt.
Ein ihm Mitte Dezember 1944 gewährter Genesungsurlaub in seiner Neubentschener Heimat, der bis 10.2.1945 andauern sollte, mußte wegen des Vordringens der Russen vorzeitig abgebrochen werden.

Sein letzter Feindeinsatz, diesmal gegen die Amerikaner, erfolgte bei einer Kampfgruppe in Veltheim an der Weser. Dort geriet er am 7.4.1945 in amerikanische Gefangenschaft und landete im Sammelpunkt für Kriegsgefangene am Bahnhof Porta Westfalica.
Über Stops in Bielefeld und Rheinberg am Niederrhein gelangte sein Gefangenentransport nach Rennes in der Bretagne. Den Endpunkt bildete das Lager Angouleme, von dem aus ein Arbeitseinsatz auf dem Militärflugplatz Cognac erfolgte.
Im Spätsommer gelangte Heimatfreund Jochade zu weiteren Einsätzen an verschiedenen Stationen im Straßenbau in Zentralfrankreich, die bis 1948 andauern sollten.
Nach einem weiteren Jahr als verpflichteter Zivilarbeiter endete die Gefangeschaft mit der Entlassung nach Bielefeld im April 1949.