Familie Fischer - Die Geschichte der Fotografie im Meseritzer Land
Text und Fotos von Ryszard Patorski

Es sind fast 200 Jahre vergangen, seit Wissenschaftler und Tüftler damit begannen, intensiv nach Methoden zu suchen, die ein schnelles und dauerhaftes Speichern von Bildern ermöglichen. Eine davon sollte die Fotografie werden. Am Anfang des 19. Jahrhunderts wirkten auf diesem Gebiet vor allem zwei Forscher und Erfinder an vorderster Front. Joseph Nicéphore Niépce (1765-1833) und Louis Jacques Daguerre (1787- 1851) führten zahllose Experimente durch, bis Niépce 1826 mit der vermutlich ersten lichtbeständigen Fotografie der Welt ein entscheidender Fortschritt gelang. Der Durchbruch kam im Jahre 1839, als am 7. Januar Louis Jacques Daguerre in der Pariser Akademie der Wissenschaften ein Verfahren vorstellte, das nach seinem Namen als Daguerreotypie genannt wird. Er selbst wird als Vater der Fotografie anerkannt.

Sechs Jahre vor der erwähnten Präsentation und der offiziellen Anerkennung der fotografischen Methode durch die Französische Akademie der Wissenschaften wurde im Geburtsregister des Standesamtes in Neutomischel unter der Nummer 168 die Geburt eines Jungen registriert, der am 26. Dezember 1833 um neun Uhr abends das Licht der Welt erblickt hatte. Seine Eltern waren Johann Gottlieb Wilhelm Fischer und Anna Rosina, geborene Chudzinska. Das Kind wurde am 2. Januar 1834 getauft und erhielt die Namen Carl Adolph Wilhelm. Seine Paten waren Bürger von Neutomischel – Benjamin Paster, ein Buchbinder, und Gottfried Janott, ein Kaufmann.

Wir wissen nicht, wo er die Schule besucht hatte und wann er sie abschloss. Wir können auch nur wenig sagen, wer sein Interesse an der Fotografie weckte. Es mag sein, daß die Paten, insbesondere der Buchbinder Benjamin Paster, Kontakt zu dieser neuen Erfindung gehabt hatten.
Wir wissen auch nicht, ob der junge Adolph ein Autodidakt war oder ob er diese Kunst und das Handwerk in einem Fotoatelier erlernt hatte. Wahrscheinlich hatte er die Lehre in einer größeren Stadt gemacht, möglicherweise in Posen oder in Frankfurt an der Oder, in Frage käme auch das ein wenig entfernte Berlin.

Er heiratete am 14. Januar 1861 in Buk Paulina Emilia Kahl. Ein Jahr später kam am 3. April ihr erstes Kind zur Welt, die Tochter Maria Helena. Nach Meseritz zieht er wahrscheinlich im Jahr 1863. In Beständen des Brandenburgischen Landesarchivs in Potsdam werden Geburts-, Taufund Sterbeurkunden der Bewohner von Meseritz aus den Jahren 1824-1874 aufbewahrt.

Als ich dort mikroverfilmte Dokumente studierte, fand ich eine Notiz, wonach am 29. August 1863 ein Mädchen geboren wurde, das den Namen Auguste Hermine Emma erhielt und dessen Vater Fischer, Adolph war, Fotograf aus Meseritz.
Es kann bedeuten, dass in jenem Jahr das Fotoatelier bereits existierte. Diese Tatsache wird auch durch das Foto einer sitzenden Frau bestätigt, das auf der Rückseite ein sehr unauffälliges Logo und ein handschriftlich signiertes Datum 12.8.64 trägt.

Die Eröffnung eines Fotoateliers in Meseritz musste für diesen jungen Menschen eine große Herausforderung gewesen sein. Gemäß den damaligen Baugrundsätzen sollten bei einem Atelier eine oder zwei Wände und ein Teil der Decke verglast sein und auf der nördlichen bzw. nordöstlichen Seite eines Gebäudes liegen. So wurden optimale Lichtverhältnisse erreicht, die direkte, helle Sonneneinstrahlung vermieden und eine reflektierte, gestreute und sich im Tagesverlauf möglichst nicht verändernde Beleuchtung sicherstellten.
Ein solcher Ort war die damalige Schuhmacherstraße 41, später Wiednerstraße 7, heute Wesola 14. In Beständen des Staatsarchivs in Gorzow Wielkopolski (Landsberg/Warthe) befindet sich das Grundbuch des Grundstücks 41, dessen Inhaber unter anderen Karl Adolph Fischer war. Der erste Eintrag mit seinem Namen ist datiert auf den 22. Juni 1868. Auf dem 320 qm großen Grundstück stand ein Wohngebäude mit dem Hauseingang an der Schuhmacherstraße, und im Hof wurde das Atelier errichtet, dessen Nordwand und Dach aus Glas bestanden (s. Foto unten mit Markierung).

Das genaue Datum der Eröffnung des Ateliers ist heute nicht bekannt, die Anzeigen der Firma, die in der lokalen Presse gedruckt wurden, weisen auf das Jahr 1869 hin. Es mag das Eröffnungsdatum des Ateliers auf dem ein Jahr zuvor gekauften Grundstück sein.



Die Leitung des Ateliers und die Ausführung seiner angebotenen Dienstleistungen bedeuteten für Fischer zusätzliche Herausforderungen. Fotobetriebe in größeren Städten hatten Ateliers, Labore, Dunkelkammer, Kopierräume, Buchbindereien, Negativarchive, zusätzliche Räume für die Entwicklung der Abzüge sowie Plätze für Retuscheure und Fotomaler.

Ein Fotograf, insbesondere in kleineren Städten wie etwa Meseritz, musste also nicht nur Künstler sein, sondern auch Chemiker, Ingenieur, Buchbinder und Materialverwalter.
Ein großes Problem war der Mangel an fließendem Wasser und die fehlende Elektrizität. In den 50-er und 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Fotobetriebe, in denen Aufnahmen hauptsächlich in zwei üblichen Formaten gemacht wurden. Das kleinere „Visitenformat“ ist ein Kartonblatt 6 x 10 cm, auf das die Aufnahme 5,5 x 8,5 cm aufgeklebt wurde. Das zweite, etwas größere „Kabinettformat“ war 10 x 15 cm
groß.

Auf der Rückseite der etwa um 1870 entstandenen Bilder finden wir ein schlichtes Logo mit der Aufschrift „Ad. Fischer Fotografisches Atelier Meseritz“. Spätere, wahrscheinlich aus der ersten Hälfte der 1870-er Jahre stammende Aufnahmen tragen unter der Abbildung der fotografierten Person den einfachen Aufdruck „Ad. Fischer, Photogr. Meseritz“.

In der Zwischenzeit kommen in der Familie Fischer weitere Kinder zur Welt: Am 16. Juni 1865 Wilhelm Paul und am 16. April 1867 Pauline Louise Agnes. Ein weiteres wichtiges Ereignis in der Familie war die Geburt des zweiten Sohnes. In den schon erwähnten Geburtsurkunden im Brandenburgischen Staatsarchivs in Potsdam hat man notiert:
„Nr. 147. Am 29. November 1869 um elf Uhr vormittags wurde in Meseritz der Sohn der Ehe des Fotografen Adolph Fischer und seiner Gattin Emilie Kahl, beide evangelischer Konfession, geboren. Das Kind wurde am 1. Januar 1870 vom Pfarrer Suy mit den Namen Hermann Richard getauft.“

Diese Tatsache ist deshalb bedeutend und erwähnenswert, weil gerade Richard zu Beginn des 20. Jahrhunderts das väterliche Fotoatelier übernehmen wird. Außer zwei älteren Schwestern hatte Richard zwei jüngere, nämlich Marie Elisabeth Olga, geboren am 26. September 1871 und Anne Clementine, geboren am 16. November 1873.


Viele Fotografien Adolph Fischers befanden sich im Besitz des vor dem Zweiten Weltkrieg in Meseritz gegründeten Heimatmuseums. Leider wissen wir nicht genau, wie viele Aufnahmen es waren und was sie darstellten. Der Künstler Alf Kowalski, Kustos des regionalen Kreismuseums des Meseritzer Landes und sein Begründer, konnte einige Fotos sicherstellen.

Heute befinden sie sich in den Sammlungen des Museums. Unter ihnen auch einige Bilder aus dem 19. Jahrhundert – das älteste Foto ist unterzeichnet und datiert auf das Jahr 1872. Es zeigt die Ansicht der damaligen Wiednerstraße/ Schuhmacherstraße. Sehr interessant ist die Aufnahme von der Eröffnung des Bahnhofs und der Inbetriebnahme der Verbindung Meseritz – Posen. Auf der Dachspitze einer Scheune befindet sich das handgeschriebene Datum 1.6.85.

Ein weiteres, sehr wichtiges Ereignis im Leben der Familie Fischer war die Hochzeit des jüngeren Sohnes Hermann Richard mit Fräulein Gertrud Hedwig Engel aus Wollstein, die wahrscheinlich am 23. August 1902 stattfand. Der Eintrag im Trauungsbuch lautet:
»Fischer, Herrmann Richard, Fotograph in Meseritz,
des Fotographen Adolph Fischer, hier ehelich 2. Sohn
mit Gertrud Hedwig Engel inWollstein,
des Chaussee-Oberaufsehers Gustav
Engels daselbst ehelich älteste Tochter, geheiratet.«

In der rechten Spalte neben den persönlichen
Angaben ist zusätzlich vermerkt: »Junggesell
und Jungfer«


Das Datum ist auch aus einem anderen Grund wichtig, denn wahrscheinlich bedeutet es zugleich die Übernahme des väterlichen Fotoateliers. Diese Annahme wird bestätigt durch eine Grußkarte, „Gruss aus Obergörzig – Paech’s Schankwirtschaft“, abgesendet am 29. August 1902, die eine Information über den Absender enthält: „R. Fischer, Photogr. Meseritz“.

In der Zwischenzeit vergrößert sich die Familie. Im Jahr 1903 kommt zur Welt Eva Louise, zwei Jahre danach am 3. April, an Richards Namenstag, wird die Tochter Ruth Martha geboren. Die letzte der Töchter der Ehe Fischer wird am 9. Juni 1908 geboren. Im gleichen Jahr stirbt am 26. Oktober im Alter von 71 Richards Mutter Emilie, geborene Kahl.

Richard Fischer besitzt Filialen in Wollstein und Birnbaum, um 1905 eröffnet er ein Atelier in Posen. Da er das Geschäft so stark ausgebaut hat, muß er zusätzliches Personal einstellen, insbesondere als sein Vater Adolph im Jahr 1924 stirbt.
Wir erfahren aus den Akten des Sterbebuches:

„C: Nr. 11 Meseritz 24. Januar 1924 –
Vor dem unten unterzeichneten Beamten des Standesamtes erschien der bekannte Fotograf Richard Fischer, wohnhaft in Meseritz und erklärte, daß der Fotograf Adolph Fischer, 90 Jahre alt, wohnhaft in Meseritz, geboren in Neutomischel, verheiratet mit Emilie Fischer geborene Kahl, verstorben in Meseritz in seiner Wohnung am 24. Januar 1924 um neun Uhr morgens gestorben ist. Der Anmeldende hat erklärt, dass er vom Ableben des oben Genannten sicher ist. Vorgelesen, angenommen und unterzeichnet – Richard Fischer.

Im Adressbuch der Stadt Meseritz hatte Fischer eine Werbeanzeige für sein Atelier und den Umfang der angebotenen Dienstleistungen veröffentlicht.
Zu diesen gehören unter anderem künstlerische Kinder- und Erwachsenenporträts, Hochzeitsaufnahmen, Gruppenfotos aus verschiedenem Anlaß sowie Aufnahmen von Familienfeiern Darüber hinaus bietet er Fotos unter Verwendung einer Magnesiumblitzlampe an. Er sichert seinen Kunden hohe Qualität und Beständigkeit seiner Fotos zu, die auf den besten, weltberühmten Anlagen hergestellt werden.




Seine Fotos und Reproduktionen können wir heute in der Tagespresse sowie in Buchveröffentlichungen bewundern; zu den interessanten Arbeiten gehören Reproduktionen von Urkunden und das sogenannte Tableau der Bürgermeister von Meseritz sowie ein paar hundert Postkarten, die vom Atelier Richard und Adolph Fischer veröffentlicht wurden. Die Telefonnummer seines Ateliers können wir auch in dem 1933 erschienenen Adressbuch Deutschlands finden. Meseritz verlässt er wahrscheinlich im Januar 1945. Sein späteres Schicksal bleibt unbekannt.

Zu Menschen, welche sich an Richard Fischer erinnern können, gehören Wanda Strozczynska geborene Golz und ihre Schwester Irene. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei ehemaligen und heutigen Bewohnern von Meseritz für Informationen über die Familie Fischer bedanken sowie für die Überlassung ihrer Fotos und Postkarten. Zugleich wende ich mich an die geehrten Leser und bitte um Hilfe bei der Suche nach Portraits der bekannten Fotografen aus Meseritz – Richard und Adolph Fischer. Vielleicht befinden sich solche in Ihrem Besitz. Eine Nachricht an die Redaktion wäre schön.