Posener Oberpräsident William Barstow v. Guenther (1815-1892)Der Meseritzer Ehrenbürger
William Barstow v. Guenther
(1815-1892)

Ein Text von Dr. Martin Sprungala

Während der politisch gespannten Zeit des Kulturkampfes [1875-86] war William Barstow Guenther als Oberpräsident in Posen tätig. In dieser Zeit verschärfte sich der Nationalitätenkonflikt zwischen Deutschen und Polen und Guenther vertrat diesen nationaldeutschen Kurs. Mit Guenther leitete wieder ein Bürgerlicher die Provinz Posen, dessen Amtszeit den Höhepunkt seiner Verwaltungslaufbahn bedeutete.
William Barstow Guenther wurde am 8.3.1815 in London als Sohn des Architekten und späteren Ober-Baudirektors, Geheimen Ober-Baurat und Ober-Landbaumeister August Adolph Guenther (1779-1842) und seiner englischen Frau Marie Barstow geboren.

Nach englischer Tradition trug er den Familiennamen seiner Mutter als Zweitnamen. Sein Vater schickte ihn zum Schulbesuch nach Berlin, wo er zu Ostern 1833 am Joachimsthaler Gymnasium das Abitur ablegte.
Bis 1836 studierte er in Heidelberg, Bonn und Berlin Rechts- und Staatswissenschaften. Angesicht der guten wirtschaftlichen Situation seiner Familie war es ihm möglich, in dieser Zeit zahlreiche Studienreisen zu unternehmen.

Die Laufbahn als Finanzfachmann (1836-1873)

Im Jahr 1836 legte er seine Erste juristische Prüfung ab und schloß daran als Freiwillig Einjähriger von 1836-37 seinen Militärdienst beim 2. Garde-Ulanenregiment an, da er anschließend in den Staatsdienst eintreten wollte.
Nach seiner Referendarzeit und dem Zweiten Examen wurde Guenther 1841 als Regierungsassessor nach Frankfurt/O. und anschließend nach Magdeburg versetzt.
Im Jahr 1843 wechselte er in die Verwaltung; er arbeitete im preußischen Finanzministerium und genoß dort eine fundierte Aus- und Weiterbildung, die ihn zu einem Finanzfachmann machte. 1848 wurde er zur Regierung in Stettin (Szczeczin) versetzt, wo im darauffolgenden Jahr (1849) seine Ernennung zum Regierungsrat erfolgte. Sein Arbeitsschwerpunkt war weiterhin die Finanzverwaltung. Seit 1853 war er bei der Oberrechnungskammer tätig und wurde 1854 zum Geheimen Finanzrat ernannt.
Gleichzeitig war er Mitglied des Generaldirektoriums der Preußischen Seehandlung. Diese Einrichtung war von König Friedrich II. von Preußen im Jahre 1772 unter dem Namen „Seehandlungssocietät“ gegründet worden.
An Bedeutung gewann dieses See- und Handelsinstitut seit den 1830er Jahren. Durch die zunehmende Industrialisierung wanderten viele Landbewohner in die Städte ab, in der Hoffnung hier ihr Glück zu machen. Dadurch verfielen die Arbeitslöhne und viele Familien konnten nicht mehr von ihrem Lohn leben.
In den 1830er Jahren griff Christian (seit 1837 von) Rother (1778-1849) ein und bemühte sich, die Armut zu bekämpfen. Er war von 1820-48 Königlicher Commissarius und Chef der Preußischen Seehandlung. Dank der neuen Politik der Seehandlung wurde das Leben zehntausender Arbeiter verbessert und modernste Maschinen zum Einsatz gebracht.
In der Folgezeit entwickelte sich die „Königlich- Preußischen Seehandlung“ zur „Preußische Staatsbank“, die zum Ende des Jahrhunderts dem preußischen Staat 3 bis 4 Millionen Mark zuführte. Guenther war selbst von 1870 bis 1873 Präsident der Preußischen Seehandlung.
Im Jahr 1856 wurde Guenther Mitglied der Hauptverwaltung der Staatsschulden, drei Jahre später (1859) erfolgte seine Beförderung zum Geheimen Oberfinanzrat. 1861 wurde er als Regierungsvizepräsident nach Koblenz an die königlich-preußische Regierung der Provinz Rheinland versetzt, wo er auch wieder vor allem für die Finanzen zuständig war. 1863 ernannte man ihn zum Wirklichen Geheimen Oberfinanzrat und Ministerialdirektor im preußischen Finanzministerium.
In der Zeit der Einigung Deutschlands war sein Rat auf Bundesebene gefragt, daher berief man ihn 1867 als Bevollmächtigter zum Bundesrat des Deutschen Bundes.

Oberpräsident der Provinz Posen
Im Jahr 1873 wurde Guenther Nachfolger des Oberpräsidenten Otto Graf v. Königsmarck (1815- 1889). Er vertrat einen deutschnationalen Kurs, trat im Sprachenstreit zugunsten der Deutschen ein.
Unter seiner Verwaltung wurde eine eindeutig prodeutsche Politik gemacht. Der Ausbau der evangelischen Schulen wurde gefördert und sein Ziel war es, die polnischen Untertanen zu loyalen Staatsbürgern zu formen.
Daß dies den Widerstand der seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen polnischen Mittelschicht auslöste, war absehbar, zumal der sogenannte „Kulturkampf“ gegen die katholische Kirche sich auch gegen das nationale Polentum richtete und in weiten Teilen der Bevölkerung die Emotionen weckte.
In seiner Amtszeit erkannte man, daß das Deutschtum im Posener Land auf dem Rückzug war und man ergriff Gegenmaßnahmen. Guenther zählte zu den geistigen Vätern der Ansiedlungskommission. Als ausgewiesener Finanzfachmann erkannte er, daß die landwirtschaftlich geprägte Provinz Posen an ihrer Rückständigkeit krankte, die eine mittelständische und industrielle Entwicklung behinderte. Daher trieb er auch den Ausbau des Eisenbahnnetzes voran.
Die Regierung dankte es ihrem verdienten Verwaltungsfachmann. Seit 1872 war Guenther als Bürgerlicher Mitglied im preußischen Herrenhaus. Im Jahr 1881 wurde er in den erblichen Adelsstand erhoben. Auch in der beruflichen Laufbahn erfolgte 1875 die Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rat und v. Guenther wurde mit zahlreichen Orden, u. a. dem Großkreuz und der Kette des Hausordens von Hohenzollern ausgezeichnet. Im Jahr 1886 bat der 70-jährige um seine Entlassung aus dem Staatsdienst, die ihm auch gewährt wurde. Kurz nach seinem 71. Geburtstag, als seine Pensionierung absehbar war, ernannte ihn die Provinzhauptstadt Posen am 10.3.1886 zum Ehrenbürger.
Die Kreisstadt Meseritz (Miêdzyrzecz) ließ ihm diese Würde ebenfalls zukommen. Auch als Ruheständler blieb er dem Posener Land erhalten. Bis zu seinem Tod war er Mitarbeiter der Kommission zur Verwaltungsreform in der Provinz Posen, die zum 1.10.1887 in Kraft trat.

Der Posener Privatier und seine Familie

Nach der Pensionierung zog sich v. Guenther auf sein Gut in Kurowo (Kurowo), im Kreis Kosten (Koscian) zurück und widmete sich ganz der Landwirtschaft und seiner Familie.
Seit 1847 war v. Guenther mit Clara Jebens (*1828) aus Danzig verheiratet, mit der er fünf Söhne und eine Tochter hatte. Der Sohn Franz Archibald v. Guenther (*1850) war Gutsbesitzer in Grzybowo (Grzybowo, Kr. Wongrowitz) und kandidierte mehrfach vergebens, um für die Reichspartei in den Reichstag zu kommen. Sein Sohn William v. Guenther (*1878) war Jurist und von 1913-19 Landrat von Rawitsch. Der zweite Sohn, Dr. Georg v. Guenther (1858- 1942), wurde Regierungspräsident in Bromberg, Sohn William (*1869) diente als Rittmeister im preußischen Militär und Sohn Hans v. Guenther (*1864) wurde Unterstaatsseketär. William Barstow v. Guenther verstarb am 13.9.1892 in Thun (Kanton Bern, Schweiz).


Literatur:
Haunfelder, Bernd: Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867. Düsseldorf 1994.
Reihe: Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 5
Schwabe, Klaus (Hg.): Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, Boppard am Rhein 1985.