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Aus polnischen Zeitungen: „Weichsel-Warthe 5/2017“
„Gesetz zum guten Ruf Polens - Polen stellt Geschichtsverfälschung unter Strafe“
Die Diskussionen über ein neues Gesetz der
nationalkonservativen Regierung in Polen reichen
inzwischen bis in die deutschen Fachzeitschriften.
In der breiten Öffentlichkeit hört man davon
nichts. Auch beim Posener DGV-Seminar im Februar
2017 wurde dieses neue Gesetz vom Hamburger
Historiker Prof. Dr. Frank Golczewski erwähnt.
Der vorliegende Gesetzentwurf stellt unter
Strafe, von Deutschen begangene Kriegsverbrechen
den Polen anzulasten.
Wir kennen das Problem
der Geschichtsverfälschung in Deutschland auch, gerade bei den NS-Verbrechen im 2. Weltkrieg.
Die Leugnungen von inzwischen allgemein
anerkannten Fakten kollidieren dabei stets mit dem
Recht auf freie Meinungsäußerung.
So weit wie in Polen würde man in Deutschland
nicht gehen. Ein Vorgehen z.B. gegen Holocaust-
Leugner ist aber dennoch möglich.
Auch in Polen ist es bereits auf der Basis
existierender Gesetze möglich, solche Äußerungen
zu ahnden. So wurde etwa das ZDF schon
2015 unter der vorherigen PO-Regierung (Bürgerplattform)
vor einem Gericht in Krakau verklagt,
weil in einer Dokumentation über die Befreiung der
Konzentrationslager in Polen der Begriff „polnische
Konzentrationslager“ verwendet worden war. Dieser
rhetorische Mißgriff unterlief später auch dem
US-Präsidenten Barack Obama.
Schon vor dem Gesetzentwurf war es möglich,
Auschwitz-Leugner auf Basis anderer Gesetze
vor Gericht zu stellen, stellte der Warschauer
Juraprofessor Wojciech Sadurski (*1950) fest.
Er ist ein scharfer Kritiker des neuen Gesetzentwurfs,
denn der Entwurf ist sehr weit gefaßt
und enthält einen „Gummiparagraphen“.
Das Gesetz enthält auch eine Passage, die
Strafen für Falschaussagen über andere, zeitlich
nicht definierte Kriegsverbrechen vorsieht. D.h. wer
Polen fälschlich anderer Kriegsverbrechen oder
Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt
oder die echte Verantwortung für sie verzerrt, soll
vor Gericht gestellt werden können.
Auch die Strafen sind keine Bagatellen, denn
es sind Gefängnisstrafen vorgesehen für Aussagen,
die dem Land fälschlicherweise von Deutschen
begangene Verbrechen des 2. Weltkriegs
zuschreiben. Artikel 5 des Gesetzentwurfs besagt:
„Wer öffentlich und wider die Fakten dem polnischen
Volk oder dem polnischen Staat die Verantwortung
oder Mitverantwortung für Verbrechen
zuschreibt, die während des Dritten Reichs durch
die Nazi-Besatzer begangen wurden, kann mit bis
zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft werden.“
Dieser Artikel gilt ausdrücklich „für polnische
Staatsbürger und für Ausländer“.
Die Kritiker dieses Gesetzentwurfs sehen in
ihm die Gefahr, kritische Stimmen zum Schweigen
zu bringen und eine wissenschaftliche Aufklärung
von Verbrechen zu verhindern.
Schon im April 2016 wurde der bekannte polnisch-
amerikanische Historiker Jan Tomasz
Gross, US-Universität Princeton, von polnischen
Staatsanwälten in Krakau verhört. Gross hat intensiv
über die antisemitischen Verbrechen der
polnischen Untergrundarmee geforscht und seine
Bücher sind in Polen höchst umstritten.
Schon in dem vieldiskutierten Buch „Nachbarn“
(2001) hatte er auf die Schuld polnischer
Nachbarn an der Verfolgung mehrerer Hundert jüdischer
Nachbarn in Jedwabne (1941) hingewiesen.
Das staatliche Institut für nationales Gedenken
(IPN, Instytut Pamici Narodowej) untersuchte
diese Behauptungen offiziell im Jahre 2002 und
ein Staatsanwalt des IPN stellte die Richtigkeit der
Darstellung von Gross in den wesentlichen Punkten
fest.
Das IPN ist in Polen nicht nur für die offizielle
Geschichtsschreibung und den Schulunterricht
zuständig, sondern auch für die Untersuchung u.a.
von Kriegsverbrechen.
Die Kritiker verweisen auch darauf, daß das
Institut seit kurzem einen neuen Direktor hat, den
der Regierungspartei PiS nahestehenden Historiker
Jaroslaw Szarek (*1963), der in seiner Anhörung
im Justizausschuß des Parlaments die polnische
Verantwortung für das Jedwabne-Massaker
bestritt. In seinen Büchern beschreibt er vor allem
polnische Heldentaten, äußern die Kritiker.
Es bleibt abzuwarten, wie dieses Gesetz angewandt
wird und in welche Richtung sich Polen
weiterhin entwickelt.
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