|
|
NACHRUF
Zum Gedenken an Joachim Schmidt
Am 21. April 2017 starb in Troisdorf im Alter von 84 Jahren JOACHIM SCHMIDT, ältester Sohn des Obermüllers Ernst Schmidtaus Tirschtiegel. Er war jahrelang engagierter Mitarbeiter des Heimatgrusses. Die hier veröffentlichten Nachrufe sind Originalwortbeiträge, gehalten bei den Trauerfeierlichkeiten.
Sohn Michael auf dem Spicher Friedhof:
Liebe Familie, liebe Freunde,
liebe Spicher,
wir danken Euch allen sehr, sehr dafür, daß ihr heute
für Achim hier seid und Eure Trauer mit uns teilt.
Diese große Anteilnahme von allen Seiten hat uns
sehr, sehr bewegt. Danke.
Als ich am Donnerstag, dem 20. April zu
meinem Vater in das Troisdorfer Krankenhaus fuhr
hatte ich mir eigentlich gedacht, daß ich ihn zur
Begrüssung damit aufmuntere, daß dies kein guter
Termin für einen Todestag sei so eng mit diesem
Teil der deutschen Geschichte wolle er doch wohl
nicht in Erinnerung verbunden bleiben.
Doch als ich dann dort war, mußte ich erleben,
daß der Zustand meines Vaters kein Gespräch
dieser Art mehr zuließ. Er saß im Bett mit
einer Sauerstoffmaske auf dem Gesicht und hatte
sichtlich zu kämpfen. Wie wir dann im Gespräch
mit den Ärzten lernen mussten, kämpfte er bereits
um sein Leben.
Achim liebte das Leben. Sehr. Verweile! Es
ist doch gerade so schön hier, mochte er wohl zu
vielen Momenten in seinem Leben gedacht haben.
Und Achim brauchte nicht viel zum Glücklich Sein.
Verschwendung lag ihm nicht.
Er bewahrte alle möglichen Dinge auf. Und
es fuchste Ihn immer wenn Dinge, die kaputt gingen
nicht repariert, sondern einfach neu gekauft
wurden.
Als ich meine erste eigene Wohnung bezog,
schenkte er mir einen neuen Werkzeugkasten.
Darin befand sich unter anderem auch eine
mindestens 40 Jahre alte Handbohrmaschine mit
einem Kurbelantrieb. „Falls Du mal ein Loch bohren
mußt, ich habe sie neu gefettet, die geht jetzt
ganz wunderbar, und hat sogar 2 verschiedene
Geschwindigkeiten“ Natürlich habe ich die Maschine
immer noch.
Kleidung wurde gerne mit dem Satz „die ist
doch noch gut“ betitelt, was weitere Anschaffungen
unnötig machte.
Am allerliebsten aber saß Achim mit Familie
und guten Freunden zum Essen am runden Tisch.
Dann machte er den Ofen an und führte gerne lange
Gespräche.
Überhaupt war er mit seiner Zeit sehr verschwenderisch.
Was für uns auch manchmal eine
Herausforderung war. Für alles was er tat, nahm
er sich Zeit, viel Zeit und er machte alles so sorgfältig
wie nur irgend möglich.
Oftmals so sorgfältig, daß die Ergebnisse
seiner handwerklichen Arbeit gerne mal für maschinell
gefertigte Werkstücke gehalten wurden.
Überhaupt hielt er handwerkliche Dinge die mal so
eben auf die Schnelle und ohne den notwendigen
Sachverstand gemacht wurden, für Pfusch!
Er nahm sich auch immer Zeit für andere.
Wer auch immer spontan zu Besuch kam, wurde
eingeladen, bewirtet und in lange Gespräche verwickelt.
Dieser grosszügige Umgang mit der Zeit war wohl auch der Grund für seine legendäre Pünktlichkeit.
Wenn das Telefon klingelte, entfuhr ihm meist
ein lautes, genervtes Stöhnen hatte er aber den
Hörer abgenommen, dann führte er das Gespräch
ausführlich und lang, sodaß der Anrufer denken
mußte, Achim habe nur auf seinen Anruf gewartet.
Als lebensfroher Zweckpessimist zitierte er
gerne seine Großmutter mit den Worten „freut
Euch, aber freut Euch nicht zu sehr“. Denn stets
ging Achim vom Eintreten des schlechteren Ereignisses
aus, um insgeheim auf das bessere zu hoffen.
Seinen Blick hatte er immer auch auf die Vergangenheit
gerichtet. Selten kam es vor, daß er moderne
Architektur lobte oder neuartige Konsumartikel
für sinnvoll befand.
Sein Hadern mit der Baukunst des Nachkriegsdeutschland
war wohl auch mit den von Zerstörung
geprägten Erinnerungen aus dem Krieg begründet.
So waren die ganzen wunderbaren Gebäude
verschwunden und an deren Stelle auf die
Schnelle diese „erbärmlichen Buden einfach hingeknallt“
worden.
Als gelernter Maurer, litt er wirklich mit jeder
abgerissenen Stuck-Fassade. Und daher rührte
wohl auch sein Antrieb, sich für den Wiederaufbau
des Berliner Stadtschlosses einzusetzen. Endlich
wieder das Stadtschloß dort aufbauen, wo dieser
unsägliche „Lampenladen“ das einzigartige Ensemble
mitten in seinem Berlin verschandelt hatte.
Was für ein Symbol für den Sieg über den „real existierenden
Sozialismus“.
Dabei ging es Achim aber nie um das Gewinnen,
er wollte einfach die Dinge wieder in Ordnung
bringen seine Stadt wieder ganz machen.
Und genauso wenig konnte er an losen Türklinken,
schiefen Bildern oder quietschenden Scharnieren
untätig vorüber gehen.
Nun hatte seinerzeit das Schicksal dafür gesorgt,
daß Achim dem sozialistischen Bruderstaat
entkommen war und seine Ausbildung im westlichen
Teil Berlins weiterführte.
Und obwohl sein beruflicher Werdegang ihn
sogar weiter bis nach Norddeutschland führte, nutze
er die Chance sein Herz während eines Besuches
ausgerechnet wieder in Ostberlin zu verlieren.
Und als wäre diese räumliche und zeitliche
Distanz nicht schon Herausforderung genug, so
bauten „diese Idioten“ auch noch eine Mauer zwischen
den Liebenden.
Unzählige Motorrad-Trips nach Berlin folgten
und noch viel mehr Briefe wurden geschrieben. Und
diese Liebe erfüllte sich doch.
Das Erstaunliche und ganz Ungewöhnliche an
dieser Liebesgeschichte aber ist, daß sie nicht nur
trotz unüberwindbar erscheinender Hindernisse so
lange standhaft geblieben ist. Nein, das ganz Besondere
ist, daß sie sicherlich oftmals in Wut aber
niemals in Hass und Verbitterung gegen das System
oder die Einflüsse von Außen umschlug.
Und das konnte nur gelingen, weil Achim immer dieses
tiefe Vertrauen hatte, den festen Glauben, daß
am Ende alles gut wird.
Für die ewigen Kontrollen und Zumutungen
des Unrechtstaates revanchierte er sich, indem er
Geschirr aus Meißen und Optik aus Jena unangemeldet
exportierte.
Achim behielt nicht nur seinen Glauben, nein
auch seinen Humor. Anstatt in Ablehnung zu
verharren, amüsierten wir uns immer wieder über
die schrulligen Unzulänglichkeiten des Ostens.
Achim liebte es ab und an mal einen ironischen Kommentar fallen zu lassen. Als er als Mitglied des Kirchbau-Ausschusses an einem 20. April ein neues Instrument für die Lukaskirche aussuchen sollte, feixte er „man solle doch zum Führergeburtstag eher eine Stalinorgel bestellen“
Achim liebte die Musik. Vor allem die
handgemachte. Er begann mit der Tuba im
Posaunenchor seines künftigen Schwiegervaters.
Und erfüllte sich erst spät seinen Traum vom
Trompetenunterricht.
Nachdem er mich in den Spicher
Posaunenchor und damit auf meinen Weg zur Musik
gebracht hatte, übernahm er auch dessen Leitung.
Viel lieber aber als zu dirigieren spielte er selber
mit. Und das tat er, so oft und so lange es irgendwie
ging.
Hatte er als junger Mann viel Jazz gehört, so
verließ ihn das Interesse an zeitgenössischer Musik
mit der Verbreitung von Rock und Pop.
Als während eines Konzertes der Rolling
Stones in Berlin mehrere Klappstühle zu Bruch
gingen, war für Ihn das Ende dieser Musik erreicht.
Trotzdem übte er Toleranz als später neben der
Posaune eine elektrische Bass-Gitarre Einzug in
den Schmidt´schen Haushalt hielt.
Genauso autodidaktisch wie die Musik, hatte er sich auch das Malen beigebracht. Er hielt seine Heimat in Öl und den Wolfgangsee in Wasser fest. Hätte er sich die Welt machen können wie er wollte, so wäre er wohl ein Trompeten-Maler geworden.
Achim war Lehrer. Und er verstand diese Aufgabe tatsächlich als Berufung. Er war Lehrer durch und durch - und er liebte es. Sogar so sehr, daß er - endlich im Ruhestand - ein Schulmuseum in seiner alten Schule gründete und dort auch noch selbst unterrichtete.
Er hatte sein Examen mit Summa cum laude
absolviert und legte großen Wert auf fachliche
Kompetenz. Seine große Leidenschaft für Bücher
rührte nicht nur aus seinem Sammlertrieb sondern
aus seinem immer starken Interesse für die Themen
die Ihn bewegten: Luther, romanische Kirchen,
Krippen, der Kölner Dom, alte Kunst, Geschichte,
Theologie, das Altertum. Es verging kein Urlaub ohne daß wir Kirchen, Schlösser und Museen
besuchen mußten.
Die Literatur genoß er am liebsten, wenn Thea
ihm vor dem Zubettgehen vorlas. Und im Hause
Schmidt waren alle Radioempfänger immer fest auf
den Deutschlandfunk eingestellt.
Durch seine vielen Interessen und sein gutes
Gedächtnis, verfügte Achim über ein enorm breites
Wissen. Von dem er auch gerne Gebrauch machte.
Und wie die meisten Lehrer verfügte auch er über
die Gabe, Dinge die man eigentlich nicht so ganz
genau weiß, trotzdem sich und allen anderen
erklären zu können.
Ganz pflichtbewusster Lehrer, legte er seinen
letzten Termin in die Schulferien.
Am Morgen des 21. April war Heinz Kieseier
als erster in der Klinik bei Achim gewesen. Dann
kam meine Mutter und später meine Schwester
dazu. Achim atmete langsam und ruhig. Und wurde
immer ruhiger bis zum Ende.
Als ich eintraf, war mein Vater bereits in einem
dafür vorgesehenen Raum aufgebahrt. Der Tag, vor
dem ich mich mein halbes Leben lang gefürchtet
hatte, war gekommen. Und obwohl wir alle seit 10
Jahren mit dem Wissen um seine tödliche Krankheit
gelebt hatten, war diese Zeit, war unsere Zeit
genau so, wie er es in seinem Leben wohl immer
empfunden hatte - viel zu kurz.
Und wenn Ihr Euch mal fragt, wo Achim jetzt
wohl sein möge, dann hilft Euch vielleicht dieser Satz
von seiner Enkelin Antonia:
„Der Opa ist über Nacht ein neuer Stern geworden“.
Leonhard v. Kalckreuth nach der Beerdigung:
Liebe Trauergemeinde,
nun da wir von unserem lieben Joachim Abschied genommen haben, darf ich noch einmal in Erinnerung rufen, mit welcher Hingabe er sich in den Dienst dreier Vorhaben gestellt hat:
Da ist zum Ersten der Wiederaufbau des Berliner
Schlosses, für den er über viele Jahre mit großem
Erfolg die Werbetrommel gerührt hat.
Weiter hat er das Projekt Schulmuseum des
Rhein-Sieg-Kreises vorangetrieben und es ist zu
hoffen, daß seine wertvollen Vorarbeiten dazu von
einem ebenso Engagierten fortgeführt werden.
Ich spreche zu Ihnen als der Vertreter der Heimatvertriebenen
aus den Kreisen Meseritz und Birnbaum.
Spätestens seit der Jahrtausendwende haben
Joachim und Thea unter Einsatz des größeren
Teils ihrer Zeit unser Heimatblatt maßgeblich gestaltet
und mit dem HEIMATGRUSS eine Publikation
auf die Beine gestellt, die ihresgleichen im Bereich
der Vertriebenenpresse sucht.
In Verbindung mit dem 2002 geschaffenen
Internetauftritt der beiden Kreise ist der
HEIMATGRUSS ein festes Band zwischen den Heimatfreunden, aber auch ein weit nach Polen hineinstrahlendes
Signal der Völkerfreundschaft und
als solches in Polen auch weithin anerkannt.
Überaus wertvolle Beiträge aus der polnischen
Presse für beide genannten Publikationen sind von
unserer hier anwesenden Freundin Prof. Dr.
Malgorzata Czabanska-Rosada geliefert worden.
Professor Czabanska-Rosada hat ein Säckchen
Erde vom Tirschtiegeler Friedhof mitgebracht und
über den Sarg unseres lieben Joachim ausgeschüttet.
So liegt der Verstorbene nicht nur in Troisdorfer,
sondern auch in heimatlicher Erde.
Wir Hinterbliebenen werden große Anstrengungen
unternehmen müssen, das von Joachim
und Thea geschaffene Werk in seinem Sinne weiterzuführen.
Als Vorsitzender des Heimatkreis Meseritz und
der Heimatkreisgemeinschaft Birnbaum stelle ich
fest:
Joachim Schmidt hat sich um die Heimatfreunde
verdient gemacht und wird in ihrem
und unser aller Gedächtnis weiterleben
Ich danke Ihnen.
Marta Wiktoria Rosada in Perleberg anläßlich des Treffens der Heimatfreunde 2017:
Joachim Schmidt in memoriam,
Ich war im Jahr 2012 Thea und Joachim Schmidts
Haustochter. Ich konnte in ihrem Haus wohnen, und
fühlte mich wie eine echte Tochter geliebt, erwartet
und wohl gepflegt und verpflegt.
Dank ihnen konnte ich mein Architekturstudium
in Köln erfolgreich fortsetzen und meine
Deutschkenntnisse bedeutsam verbessern. Und ich
durfte später jedes Mal, als ich nach Köln wollte,
bei ihnen wohnen.
Diese Monate des Beisammenseins bei der
Familie Schmidt sind immer in meiner lieben Erinnerung.
Nun mußten wir vor zwei Wochen Abschied von
Joachim nehmen. Ich bin sehr traurig, daß so gute
Menschen gehen müssen. Ich hoffe es sehr, daß
Joachim schon im Haus unseres Vaters im Himmel
ist. Mein ganzes Leben lang werde ich Thea und
Joachim Schmidt sehr dankbar sein für das Gute,
das sie mir gegeben haben.
Mein lieber deutscher Vater, Du hast mir in
unseren langen Gesprächen in Troisdorf eine schöne
Welt Deiner Kindheitserinnerungen an die Heimat
gezeichnet. Du hast mit Thea ein schönes Leben
gemalt. Bitte, zeichne für mich etwas aus der Welt,
in der Du jetzt bist.
„Herr, schenke ihm die ewige Ruhe!
Und das ewige Licht leuchte ihm.
Lass ihn ruhen in Frieden. Amen.“
Deine Marta-Wiktoria
|
|