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Zur Weihnacht
Foto und Text: Pastor
Stephan Klimm, Bremen-Horn Dez. 2023
Liebe Heimatfreunde!
Es muss etwas
Kostbares sein.
So denke ich,
als ich die
Schachtel in
den Händen
halte. Es muss
etwas Kostbares
sein.
Es ist ein großer,
schmaler
Kasten, in dem
vielleicht wichtige Papiere aufbewahrt werden.
Oder sind es Fotos aus längst vergangenen Zeiten,
gelebtes Leben, das zur Erinnerung wurde?
Auf dem goldfarbenen Deckel steht kunstvoll
und liebevoll geschrieben „Weihnachten!“ Mich
spricht vor allem das Ausrufezeichen an „Weihnachten!“
- so als ob dieses Wort allein mir die
Botschaft gibt: Gib acht, hier kommt etwas Kostbares!
Wenn es soweit ist, öffne das Kästchen
und die Zeit beginnt, es wird dann Weihnachten
in dir.
Vorsichtig hebe ich den Deckel und sehe, was
darinnen ist. Sorgsam mit Seidenpapier liegen dort
Sterne. Strohsterne. Behutsam nehme ich sie aus
der Schachtel und betrachtete die Sterne aus
Stroh. Es sind kleine Kunstwerke, ineinander gefaltete
geometrische Formen, die so leicht und zerbrechlich
sind. Das Kostbare ist das Einfache. Das
Kostbare ist zerbrechlich. Beides gehört zusammen.
„Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und auf
Stroh…“ so singen wir auch diese Weihnachten.
Und Sterne schmücken die Bäume in festlicher
Stimmung. Dabei ist der Frieden so sehr bedroht,
ja verletzt, zerbrochen ...
Klammern wir uns also zu Weihnachten sinnlos
an einen Strohhalm der Hoffnung, die in
Krisenzeiten so klein zu sein scheint?
Es muss etwas Kostbares sein. Sonst wären
die Weisen aus dem Morgenland nicht dem Stern
gefolgt. Sonst wäre die Botschaft von diesem Kind
in der Krippe, auf Stroh gebettet, nicht in die Welt
hinaus gegangen.
Das Kostbare liegt im Kleinen, im Zerbrechlichen.
Dass es klein beginnt und wächst, spricht
für seine Macht. Dass es zart und zerbrechlich
zur Welt kommt, weist uns darauf hin, wie der Frieden
in die Welt kommt. Die Geburt des Kindes,
auf Stroh in der Krippe, zeigt uns eine Sternstunde
der Hoffnung. Es beginnt neu. Gott zeigt sich
in einem Neugeborenen, im Menschen.
„Welt ging verloren. Christ ist geboren“- so
unverbunden und unglaublich steht beides in dem
wohl bekanntesten deutschen Weihnachtlied zusammen.
Das Alte ist vergangen und es beginnt
neu. So klein und unscheinbar, so zerbrechlich
es ist, der Anfang ist da. Der Anfang ist im Neugeborenen.
Dieser Anfang ist – so wissen wir –
beides: er ist da und er ist im Werden, der Anfang
wächst von Tag zu Tag.
Als der Weimarer Theologe und Schriftsteller
Johannes Falk dieses Lied „O du fröhliche, o du
selige, gnadenbringende Weihnachtszeit“ dichtete,
war die Welt nach den napoleonischen Kriegen
wirklich verloren. Die Welt war eine andere,
die alte Ordnung zerbrochen. Und doch gab es
Hoffnung.
Johannes Falk und seine Frau, denen vier ihrer
Kinder an Typhus gestorben waren, nahmen
mit wenig finanziellen Mitteln zunächst über dreißig
Waisenkinder in ihrem Haus auf und vermittelten
weitere an andere Familien. Schließlich
gründete Falk ein Waisenhaus und Schulen, um
den Kindern eine Zukunft zu schaffen. Dieses
Wirken wurde zum Vorbild für viele folgende
diakonischen Einrichtungen. Es war eine Sternstunde
des Sozialen.
Für die Waisenkinder dichtete Johannes Falk
1816 das Lied „O du fröhliche“, mit dem Wissen
„Eine Predigt ist keine Tat, aber eine Tat eine Predigt“.
Mit seinemnsozialen Wirken richtete er den
Blick auf das Menschliche.
Weihnachten wird damit auch uns zu einer
Sternstunde der Humanität, die wir, die die Welt
gerade jetzt so nötig haben. Entdeckt Gott im Menschen,
in jedem Anfang. So klein und zerbrechlich
es dir auch scheint, so übermächtig das Getöse
der Welt dröhnt, dein Blick auf das Menschliche
ist ein Anfang. Dass wir das Menschliche
wahren, achten und als unendlich kostbar schätzen,
darauf weist uns der Blick auf das Kind in
der Krippe.
„Wär Christus tausendmal in Bethlehem geboren
und nicht in dir, du wärest ewiglich verloren“
- so findet der christliche Mystiker Angelus
Silesius Worte für das Kostbare dieser Geburt des
Kindes auf Stroh gebettet. Gott fängt neu an. Die
Krippe zeigt: In jeder Situation kann Gott einen
neuen Anfang hineinlegen. Und Gott tut es im
Menschlichen, ja in dir.
Ihr Stephan Klimm,
Pastor der Ev. Kirchengemeinde Horn in Bremen
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