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Gibt es noch irgendwo in Polen Dokumente aus deutscher Zeit?
Immer wieder wird uns Mitarbeitern im Heimatgruß diese Frage gestellt. Gesucht werden Urkunden zu Personen, Kirchen, Schulen, besonderen historischen Ereignissen usw.
Im folgenden Bericht stellt sich uns das Staatsarchiv in Gorzów/ Landsberg a.d. Warthe vor, das suchenden oder forschenden Heimatfreunden, so hoffen wir, helfen kann.
Geschichtswissenschaften in Polen:
Forschungen und Institutionen - Staatsarchiv Gorzów / Landsberg a. d. Warthe
von Dr. Dariusz A. Rymar
Das Staatsarchiv Gorzów/ Landsberg a.d.Warthe wurde
am 1. August 1950 errichtet. Es war das erste in der
Woiwodschaft Zielona Gora/ Grünberg und hieß zu
Anfang Kreisstaatsarchiv Gorzów.
Es wurde durch das Staatsarchiv Poznan/ Posen
aufgebaut und unterstand ihm in den ersten drei
Jahren seiner Tätigkeit. Später wurde das Archiv Landsberg
zu einer Abteilung des Staatsarchivs Grünberg,
mit dem es bis 1979 verbunden war.
In den Jahren 1979 bis 2005 fungierte es als eine
Abteilung des Staatsarchivs Szczecin/ Stettin. Seit dem
1. Januar 2006 ist es ein eigenständiges Staatsarchiv,
das der Generaldirektion der Staatsarchive in Warschau
untersteht.
In den vielen Jahren seit seiner Gründung änderte
das Archiv mehrer Male seine Adresse. Zuerst
hatte es seinen Sitz in der ul. Mieszka 1, dann in der ul.
Obotrycka in Landsberg. Im Jahre 1975 wurde der Sitz
in das Dorf Lubczyno/ Ludwigshorst südwestlich von
Landsberg verlegt, wo das Archiv bis 1986 blieb.
1986 kehrte es nach Landsberg, in die ul.
Husarska, zurück und seit 1991 befindet es sich in der:
Towarzystwo Przyjaciol Archiwum
i Pamiatek Przeszlosci
ul. Grottgera 24 / 25 Tel.: (095) 72 27 96 8
PL 66-413 G o r z ó w (Wlkp)
1998 fand eine Renovierung eines der beiden Gebäude
des Archivs statt. In dieses Gebäude wurde der Bestand
der Zweigstelle in Sulecin/ Zielenzig, die in den
Jahren 1975-1998 existierte, gebracht. Zurzeit wird ein
neues Gebäude des Archivs in der ul. Móscickiego gebaut,
wohin der Sitz des Archivs schließlich verlegt werden
wird.
Seit 1990 wirkt beim Archiv das Towarzystwo
Archivum i Pamiatek Przeszlosci TPAiPP (Verein der
Freunde des Staatsarchivs und des Gedenkens an die
Vergangenheit) mit, dessen Ziel es vor allem ist, die
Probleme um den Sitz des Archivs publik zu machen.
Derzeit beschäftigt es sich vor allem mit Editionstätigkeit.
Direktoren des Archivs waren in chronologischer Reihenfolge:
Dr. Kazimierz Bielecki, der das Archiv organisierte und
es drei Jahre lang von 1950 bis 1953 leitete.
Seine Nachfolgerin war Mag. Jadwiga
Blawatowa, die das Archiv bis 1975 leitete. In den nächsten
folgenden Jahren folgten Dr. Florian Relis und
Stanislawa Janicka, die seit 1959 ununterbrochen mit
dem Archiv verbunden und in den Jahren 1990 bis 1991
auch stellvertretende Abteilungsleiterin war. Seit 1991
ist Dr. Dariusz A. Rymar Direktor des Staatsarchivs
Landsberg.
In den 50er Jahren war eine der wichtigsten
Aufgaben des Archivs die Sicherung der
wiedergefundenen Akten.
Allein im ersten Jahr seiner Tätigkeit sind über 3
km Akten aufgefunden und gesichert worden. In den
60er und 70er Jahren wurden neue Bestände des Archivs
formiert. Den Hauptbestandteil des Archivs bildeten
Akten, die vor dem Jahre 1945 entstanden
waren und noch in den 50er Jahren von der
polnischen Verwaltung übernommen wurden.
Damals kamen z. B. die Akten der Stadt Landsberg
mit der unschätzbaren Kollektion von Pergamentdokumenten
aus dem 13. und 14. Jahrhundert ins
Archiv. Dieser Bestand zählt 15.289 bibliographische
Einheiten (251 laufende Aktenmeter) aus den Jahren
1316 bis 1945.
Großen Einfluß auf die Gestaltung des Archivs
hatte die Entstehung der Woiwodschaft Landsberg, als
eine große Zahl von Akten, die noch vor dem Jahre 1945
entstanden waren und aus dem Staatsarchiv Grünberg
übernommen wurden, ins Archiv kamen.
Bedeutende Veränderungen in der Struktur und
Größe des Archivs fielen in die 90er Jahre, als in Folge
der Privatisierung und der Gebietsreform Archivmaterial
aus mehreren umgestalteten oder liquidierten Betrieben
und Institutionen übernommen wurde.
Ende 2007 zählte der Archivbestand 859 Aktensammlungen
mit insgesamt 193.675 Einheiten (2.642
laufende Aktenmeter) darunter 445 vollkommen bearbeitete
Aktensammlungen (1.401 laufende Aktenmeter,
92.932 archivarische Einheiten). Diese Dokumentation
stammt aus den Jahren 1316 bis 2007.
Seit 1994, als der erste Computer ins Archiv kam,
wird an der elektronischen Aufarbeitung des Bestandes
gearbeitet. Zurzeit zählen die Datenbanken, die den
Benutzern zugänglich sind und vor allem Dokumenteninventare
enthalten, über 100.000 Einträge.
Dieser Bestand dient zu wissenschaftlichen Untersuchungen,
zu genealogischen und sozialen Nachforschungen
sowie zu Nachforschungen in Eigentumsangelegenheiten.
Jährlich wird das Archiv von über 200 Nutzern
aus Polen und dem Ausland besucht, die an Publikationen,
Bachelor-, Magisterarbeiten, Dissertationen u.ä.
arbeiten. Am häufigsten werden die Aktensammlungen der Kreisstarostei Gorzów (1945-1950), der Stadtverwaltung in Gorzów (1945-1950) und des Woiwodschaftskomitees der PVAP (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei = KP Polens) in Gorzów (1975-1990) sowie des Woiwodschaftsamts Gorzów (1975-1998) genutzt. Aus den Akten, die vor dem Jahr 1945 entstanden sind, sind die Akten des Magistrats zu Landsberg und vor allem die Baudokumentation der Gebäude in Landsberg (Baupolizei) sowie die Akten des Amtsgerichts zu Landsberg am populärsten.
Insgesamt werden Wissenschaftlern jährlich viereinhalbtausend Einheiten im Lesesaal zur Verfügung gestellt.
Zusätzlich führen die Mitarbeiter des Archivs jährlich
500 600 Untersuchungen für polnische Staatsbürger
und Ausländer durch.
Am häufigsten kommen genealogische
Nachforschungen vor (vor allem für deutsche
Staatsbürger) sowie Forschungen, deren Ziel
es ist, die Dauer eines Arbeitsverhältnisses und
die Höhe des Gehaltes festzustellen.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Archivs ist es, den
nationalen Archivbestand zu gestalten und auszubauen.
Im Rahmen dieser Arbeit werden Betriebsarchive
von Organisationseinheiten kontrolliert, aus denen nach
einiger Zeit Archivmaterial übernommen wird. Die Anzahl
dieser Archive hat sich im Laufe der Jahre verändert.
Zurzeit existieren 103 solcher Einheiten im Gebiet
des Staatsarchivs Gorzów. Darunter gibt es Archive von
Institutionen regionaler Reichweite, z.B. das Woiwodschaftsamt
Lebus, die Sanitär- und Epidemiologische
Station der Woiwodschaft, das Amtsgericht der Woiwodschaft,
das Amt für Landwirtschaftliche Eigentumsfragen
u.ä..
Jährlich werden ca. 35 Betriebsarchive in diesen
Einheiten kontrolliert sowie sachliche Hinweise zu ihrem
Führen gegeben. Mit dieser Tätigkeit ist auch die
Schulung von Mitarbeitern der Betriebsarchive verbunden.
Im Staatsarchiv Gorzów sind in den Jahren 1962 -
2007 mit 2.035 Personen Schulungen des 1. und 2.
Grades durchgeführt worden.
Ein wichtiges Element der Arbeit im Archiv ist die
Verbreitung des Wissens über den Bestand und die Geschichte
der Region. Dies spiegelt sich in seiner
Editionstätigkeit wider, in wissenschaftlichen Publikationen,
dem Organisieren von Konferenzen, der Teilnahme
von Mitarbeitern des Archivs an Konferenzen, die von anderen organisiert werden, sowie in Ausstellungen
und populärwissenschaftlichen Publikationen.
Die Editionstätigkeit wird vor allem durch das
oben erwähnte TPAiPP geführt. Seit 1994 haben das
TPAiPP und das Archiv selbständig oder in Zusammenarbeit
mit anderen Partnern 48 Buch-Publikationen herausgegeben.
Die wichtigste unter ihnen ist das
„Nadwarcianski Rocznik Historyczno-Archiwalny“
(NRHA), Historisch-archivales Jahrbuch aus dem
Wartheraum, dessen 14. Band im Jahr 2007 erschienen
ist. Daneben sind 17 Bände der NRHA-Bibliothek
sowie andere Geschichts- und Quellenpublikationen
herausgebracht worden. Einen großen Verdienst haben
hier die Regionalexperten aus dem TPAiPP, insbesondere
Ryszard Dyrak und Zbigniew Czarnuch, Jerzy
Zysnarski, Ryszard Wójtowicz, Stanislawa Janicka,
Juliusz Sikorski, Zdzislaw Linkowski, Wojciech
Sadowski, Grzegorz Brzustowicz, Robert Piotrowski,
Jerzy Sygnecki u.a.m.
Darüber hinaus ist das Archiv auch auf anderen
Gebieten tätig: Ein mehrere hundert Seiten starker
Wegweiser durch das Archiv Gorzów ist im Jahre
2002 und dann 2007 in deutscher Fassung erschienen.
Im Jahr 2001 ist das „Ksiega pamiatkowa miasta
Gorzów“ (Gedenkbuch der Stadt Landsberg/ Gorzów)
herausgegeben worden, in dem vier Artikel von Mitarbeitern
des Archivs verfaßt wurden.
Im Jahr 2005 haben wir die inhaltliche Seite der Konferenz „Gorzów w 60-lecui 1945-2005“ (Gorzów 1945-2005) vorbereitet, die von einer Publikation unter dem gleichen Titel begleitet wurde, die die vorgetragenen Referate enthält. Im Jahre 2005 ist von Dariusz A. Rymar das Buch „Gorzów Wielkopolski w latach 1945- 1998“ (Gorzów in Großpolen historische Lüge, LvK 1945-1998) erschienen. In den Jahren 1994-2005 sind insgesamt über 200 größere wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen verfaßt worden, die durch die Mitarbeiter des Staatsarchivs Gorzów bearbeitet wurden, vor allem durch D. A. Rymar, Juliusz Sikorski, Stanislawa Janicka, Aleksandra Cylki und Anna Jodko.
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