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Feierliche Einweihung am 16. Juni 2007 -
Gedenkstein für Hoffmannstal / Rybojady
von Irmgard Gotzmann-Fietz / Dr. Klaus Scheel
Zum Gedenken an die deutschen Toten von Rybojadel/ Hoffmannstal, an die Opfer des Zweiten Weltkrieges, wurde am 16. Juni 2007 auf dem katholischen Friedhof in Rybojady ein Gedenkstein feierlich geweiht. Dieses bedeutende Ereignis wird in deutschen und polnischen Zeitungen als „Akt der Versöhnung“ gewertet.
Die Kontakte zwischen den Deutschen und den heutigen polnischen Bewohnern entwickelten sich gut. Bei Heimatfahrten mit dem Bus, mit unserem Berliner Meseritzer Heimatkreis, aber auch bei privaten Reisen mit dem Auto wurde der kleine Waldfriedhof besucht.
An den Grabstellen legten Angehörige Blumen nieder und gedachten der Toten auch an anderen Stellen des Ortes, wo EndeJanuar 1945 Kriegsopfer begraben wurden. Inzwischen ist die kleine Friedhofskapelle durch Eigenleistungen der Dorfbewohner von Rybojady und mit Hilfe von Spenden vergrößert worden. Die neuen Farbfenster sind z. B. vom Spendengeld der Hoffmannstaler gekauft worden.
In Gesprächen mit Angehörigen der Opfer und Heimatfreunden haben wir beim Kreistreffen in Perleberg 2005 Kontakt zum Vorsitzenden der polnischen Organisation POMOST, Tomasz Czabanski, aufgenommen und um Unterstützung unseres Vorhabens gebeten. 2006 organisierte Herr Czabanski dann ein Informationsgespräch im katholischen Pfarramt in Tirschtiegel, an dem mehrere Heimatfreunde des Heimatkreises Meseritz teilnahmen. Die Zusage für unser Vorhaben wurde gegeben. Am 16.4.2007 fand beim Bürgermeister in Tirschtiegel die entscheidende Beratung statt. Teilnehmer waren: Der Bürgermeister von Tirschtiegel Jaroslaw Kaczmarek, der Vorsitzende der Stadtverwaltung, Probst Marian Kot, der Ortsvorsteher von Rybojady Jacek Marciniak, Tomasz Czabanski, Dr. Klaus Scheel, Irmgard Gotzmann-Fietz und Bruno Fietz.
Der Text für die Inschrift des Gedenksteines in Deutsch und Polnisch „Zum Gedenken an die deutschen Toten von Hoffmannstal. DONA NOBIS PACEM“ wurde angenommen und der Termin für die feierliche Weihe am 16.6.2007 festgelegt. Gleichzeitig erfolgte von polnischer Seite eine Einladung nach der Gedenkstein-Weihe ins Pfarramt nach Tirschtiegel zur deutsch-polnischen Begegnung. Anschließend fuhren alle Teilnehmer dieser Beratung nach Rybojady, um auf dem katholischen Friedhof den Standort für den Gedenkstein festzulegen. Am gleichen Tag wurde noch der Auftrag an die Steinmetz-Firma „Zaklad Kamieniarski“ in Jastrzebsko Stare/ Friedenhorst bei Nowy Tomysl/ Neutomischel erteilt.
Vor unserer Rückfahrt nach Deutschland trafen wir uns noch mit Leonarda Blawuciak in Rybojady. Sie kam aus diesem Grunde etwas früher von ihrem Kuraufenthalt zurück. Wir wollten auch mit ihr vorbereitende Absprachen treffen, da sie für uns eine wichtige Verbindung ist. Dann begannen die terminlichen Absprachen mit unserem Heimatkreisbetreuer Kurt Schiller zwecks Organisation der Heimatfahrt und der Mitteilung an die Hoffmanstaler.
So organisierte Kurt Schiller seine 29. Heimatfahrt vom 15. bis 18.6.2007 mit Unterkunft im Hotel Pod Debami in Zbaszyn/ Bentschen. Die Absprachen für die Zeremonie erfolgten über die Geschwister Czabanski in Poznan mit den örtlichen Behörden in Trzciel und Rybojady, ebenso die Kontakte zur Steinmetz-Firma. Frau Dr. Malgorzata Czabanska- Rosada übernahm die Moderation für den Ablauf in Deutsch und in Polnisch.
Am Tag vor der Einweihung wurde eine ganz besondere Kiefer gepflanzt, die Rita und Horst Pruschke aus Wusterhausen eigentlich selbst pflanzen wollten. Sie waren wegen Erkrankung verhindert und schickten diese von ihnen gezüchtete „Tränenkiefer“ (Tinus Wallachiana) bereits unseren polnischen Freunden Leonarda Blawuciak und Wojciech Derwich mit.
Am Donnerstag, dem 14.6.2007, war noch einmal ein Gespräch im Pfarramt zum Ablauf der Gedenkstein- Weihe, an dem auch Frau Brunfriede Fischer von Mollard teilnahm. Sie hatte freundlicherweise den Text vorzulesen übernommen, den Irmgard Gotzmann-Fietz zu den Ereignissen Ende Januar 1945 in Hoffmannstal aufgeschrieben hatte, „Trauer braucht einen Ort.“
Tags darauf kam der stellvertretende Vorsitzende unseres Heimatkreises Ulrich Radomski nach Polen zur Gedenkstein-Weihe. Wir trafen uns in Rybojady und nutzten die Gelegenheit, um ihm den Ort und einige Stätten der Trauer zu zeigen. Sven Scheel war mit ihm angekommen und verantwortlich für Videoaufnahmen von der Feier.
16.6.2007-Tag der Gedenksteineinweihung:
Zunächst war es ein regnerischer Tagesbeginn. Fleißige deutsche und polnische Helfer sorgten dafür, daß alles rechtzeitig für die Feier im Freien vorbereitet war. Wir hatten in Tirschtiegel Rosen bestellt für die Teilnehmer, die Andreas Balz, der Enkel von Kurt Schiller, am Eingang anbot. Dort stand auch ein Tisch mit Anwesenheitslisten. Annegret Bange aus Eickendorf/ Anhalt sprach die deutschen Teilnehmer an, Leslaw Blawuciak, Sohn von Leonarda Blawuciak, die polnischen Teilnehmer. Der Bus mit den Berliner Meseritzern und unserem Heimatkreisbetreuer Kurt Schiller traf ein, auch der Bus mit dem Schulchor aus Betsche/ Pszczew. Angehörige, Verwandte und Freunde kamen, um nach 60 Jahren der Kriegsopfer von Hoffmannstal zu gedenken.
Aus Deutschland kamen Heimatfreunde aus den Orten Barleben, Berlin, Brandenburg, Bremen, Cottbus, Eickendorf/ Anhalt, Glauchau/ Sachsen, Neuhardenberg, Niederndodeleben, Holle bei Hildesheim, Lichtenberg/ Oberfranken, Lübben, Neundorf/ Anhalt, Perleberg, Potsdam, Schönhausen/Elbe, Solingen, Windhausen/Harz, Wolfsburg.
Polnische Freunde kamen aus Rybojady/Hoffmannstal, Tirschtiegel/Trzciel, Meseritz/Miedzyrzecz, Betsche/Pszczew, Birkenhorst/Swidwowiec, Naßlettel/ Lutol Mokry, Nipter/Nietoperek, Grünberg/Zielona Gora und Posen/Poznan.
Der Bürgermeister von Tirschtiegel Jaroslaw Kaczmarek, der Vorsitzende der Stadtverwaltung, der Ortsvorsteher von Rybojady Jacek Marciniak mit Familie, der Ortsvorsteher aus Naßlettel Hubert Golek, der ehemalige Ortsvorsteher von Nipter Waclaw Nycz waren gekommen und viele Dorfbewohner von Rybojady.
Der Probst Marian Kot begann mit dem Kreuzzeichen die Weiheliturgie. Moderatorin in Deutsch und in Polnisch war Frau Dr. Malgorzata Czabanska-Rosada aus Posen. Warmherzig und mitfühlend sagte sie in beiden Sprachen an, las die von ihr übersetzten Texte vor und übersetzte simultan.
Probst Marian Kot sagte: „Alle ehemaligen Einwohner von Rybojadel und alle heutigen Bewohner von Rybojady wollen ein Zeichen setzen, daß in diesem Land einmal Deutsche gewohnt haben, an die wir uns heute erinnern wollen.“
Der Bürgermeister von Tirschtiegel Jaroslaw Kaczmarek sagte: „Ich begrüße alle heutigen Bewohner in diesem Dorf, die ein Zeichen setzen, daß in diesem Land Deutsche gewohnt haben, an die wir uns heute erinnern wollen. Die deutschen Einwohner von Rybojadel sind unsere Nachbarn. Es ist zum 2. Mal das Symbol unserer gemeinsamen Zukunft unserer beiden Völker zuerst in Tirschtiegel und heute hier, daß ich den Stein enthüllen darf.“
Als Vertreter unseres Heimatkreises begrüßte der stellvertretende Vorsitzende Ulrich Radomski alle Anwesenden. Er sagte: „Vorstand und Beirat meines Heimatkreises begrüßen es sehr, daß hier in Rybojady ein Gedenkstein für unsere toten Landsleute im Einvernehmen und mit Unterstützung der polnischen Verwaltung und der katholischen Kirche eingeweiht wird.“
Frau Brunfriede Fischer von Mollard las den von Irmgard Gotzmann-Fietz aufgeschriebenen Text “Trauer braucht einen Ort“ zum Schicksal ehemaliger Dorfbewohner von Hoffmannstal. Dafür an dieser Stelle einen besonders herzlichen Dank …
Angehörige der Opfer waren anwesend: Irmgard Gotzmann-Fietz, die Geschwister Brödler und Erna Herzog-Klemt, Helmut Klemt, Alfred Klemt und seine Ehefrau Else. Alfred verlor mit fünf Jahren seine Eltern Erich und Else Klemt durch die Vertreibung. Er suchte sich später eine Ehefrau mit dem Vornamen Else. Banges, Hüttner-Dynio, Reetz-Zeh, Zeh-Schnelle waren dort. An vielen Grabstellen standen frische Blumen. Der Probst las aus dem Evangelium des Lukas das Gleichnis „Der Maulbeerbaum“.
Dann gingen zur Ehrenwache neben den noch verhüllten Stein auf die Seite der deutschen Inschrift Irmgard Gotzmann-Fietz und Stanislaw Piechowiak, (ehemaliger polnischer Landarbeiter auf dem Bauernhof von Hieronimus Fietz/ Paul Fietz) und auf die rechte Seite mit dem polnischen Text Leonarda Blawuciak und Bruno Fietz.
Gerhard Hüttner und Hans-Georg Bange enthüllten den Gedenkstein. Der Probst segnete den Stein mit den Worten: „Dieser Stein soll ein Symbol der Versöhnung zwischen Polen und Deutschen sein.“
Danach überreichte Irmgard Gotzmann-Fietz an die Vertreter der örtlichen Behörden, den Bürgermeister von Tirschtiegel, den Vorsitzenden der Stadtverwaltung und an den Ortsvorsteher von Rybojady eine 80 cm große Altarkerze, die von einer Nonne in Berlin-Tegel gefertigt wurde, mit den Worten: „Als Erinnerung an den heutigen Tag der Gedenkstein-Weihe mit dem Wunsch auf Frieden.“ Auf der Vorderseite der Kerze befindet sich ein Heiligen-Symbol und DONA NOBIS PACEM und auf der Rückseite Hoffmannstal/ Rybojady und das Datum 16.6.2007.
Der Vorsitzende der Stadtverwaltung von Tirschtiegel legte ein Blumengesteck an den Gedenkstein. Vom Heimatkreis Meseritz und von den Hoffmannstalern wurden Blumen niedergelegt. Irmgart Gotzmann-Fietz gedachte ihres Vaters, Stefan Fietz, ihrer Brüder Alfons, Bruno und Gerhard, ihres Großvaters Hieronimus Fietz und ihrer Großmutter Stefanie Hoffmann. Dann legten alle Teilnehmer ihre rote Rose um den Gedenkstein. Zum Abschluß der Feierstunde sang der Schulchor aus Betsche unter der Leitung von Frau Wanda Strozczynska. Frau Dr. Malgorzata Czabanska-Rosada beendete die Feierstunde mit dem Leitmotiv dieser Gedenkstein- Weihe DONA NOBIS PACEM (Gib uns Frieden!).
Anschließend fuhren Deutsche und Polen zum Pfarramt nach Tirschtiegel. Dort wurden wir gut bewirtet mit Spargelsuppe, Rhabarber-Streusel-Kuchen und Kaffee. Freundschaftliche Gespräche wurden geführt. Sehr nette junge Mädchen bewirteten uns. Man merkte, daß es für sie Herzenssache war, uns zu bedienen.
Mit dem beiderseitigen Wunsch, uns im nächsten Jahr aus Anlaß des Jahrestages bei einem ökumenischen Gottesdienst wiederzusehen, verabschiedeten wir uns von Probst Marian Kot.
Am Sonntag, dem 17. Juni 2007, trafen sich noch einige Hoffmannstaler mit Tomasz Czabanski, um ihm Grabstellen zu zeigen, wo Ende 1945 Tote begraben wurden; auch ein Massengrab in der Nähe des Seide-Hofes, heute Hof von Jan Kluss, der an diesem Tag seine Zustimmung gab.
Dank allen, die mitgeholfen haben, daß dieser Gedenkstein aufgestellt werden konnte: den örtlichen polnischen Behörden, dem Probst der katholischen Kirchengemeinde von Trzciel und Rybojady, den heutigen Bewohnern von Rybojady, vor allem Leonarda Blawuciak und ihrer Familie, Stanislaw Piechowiak und Enkeltochter Ani aus Stefanowo, Tomasz Czabanski und Dr. Malgorzata Czabanska-Rosada aus Poznan, den Hoffmannstalern, die uns bei diesem wichtigen Vorhaben unterstützten und meinem Großcousin Bruno Fietz. Wir danken Ulrich Radomski und Brunfriede Fischer von Mollard vom Heimatkreis Meseritz e.V. und Kurt Schiller sowie allen Heimatfreunden vom Berliner-Meseritzer Heimatkreis! Anläßlich der Gedenkstein-Weihe beendete Ulrich Radomski seine Ausführungen mit den Worten: „Die polnische Lehrerin Maria Zaleska in Zbaszynek/Neu Bentschen hat kürzlich auf einem deutsch-polnischen Treffen in Zbaszynek den fast 90jährigen Heimatfreund Franz Mania zitiert, der einmal geschrieben hat:
Du kommst nicht los von der Heimat,
immer zieht es dich dorthin zurück.
Die Sehnsucht holt dich immer wieder ein.
Immer bleibt ein Stück von dir daheim“.
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