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Entschließung des Bundesrates
Redaktion Heimatgruß – Foto: © Bundesrat, Christian v. Steffelin
Aufgrund ihrer Bedeutung weicht die HGr-Redaktion
von ihrem Grundsatz, tagespolitischen Themen
keinen Raum in seinen Publikationen zu geben, ausnahmsweise
ab und gibt seinen Lesern nachfolgende
Entschließung des Bundesrates vom 14. Juni 2024
zur Kenntnis.
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Gebäude Deutscher Bundesrat, Berlin,
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Entschließung des Bundesrates für einen Ausbau der
deutsch-polnischen Begegnungen
Dieses Jahr jährt sich der Tag des deutschen
Überfalls auf Polen und damit der Beginn des
Zweiten Weltkriegs zum 85. Mal. Polen verlor in
diesem Krieg ein Fünftel seiner Vorkriegsbevölkerung,
also weit mehr als fünf Millionen
Menschen. Die Hauptstadt Warschau wurde 1944
nach einem gescheiterten Aufstand gegen die
deutsche Besatzung fast vollständig zerstört.
Der Versöhnungsprozess nach dem Zweiten
Weltkrieg ist auch heute noch nicht abgeschlossen.
Es war ein weiter Weg der Annäherung, der
nicht immer linear verlief und der trotzdem als erfolgreich
gelten darf. Das heutige friedliche Zusammenleben
der beiden Völker und die vielfältigen
institutionellen, zivilgesellschaftlichen, privaten,
politischen und wirtschaftlichen Beziehungen
zeugen davon.
Mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union
verbindet die beiden Länder nunmehr nicht nur
eine lange gemeinsame Geschichte, sondern
auch eine gemeinsame europäische Zukunft.
Das 20-jäihrige Bestehen der EU-Mitgliedschaft
Polens am 1. Mai 2024 bietet einen guten
Anlass, die deutsch-polnischen Beziehungen neu
zu beleben, erzielte Erfolge zu würdigen, gemeinsame
Herausforderungen zu benennen und
Entwicklungspotenziale aufzuzeigen.
1. Der Bundesrat würdigt, dass die deutschpolnische
Zusammenarbeit mit dem Freundschaftsvertrag
von 1991 auf einem starken völkerrechtlichen
Fundament steht. Die zivilgesellschaftlichen
Begegnungen sind durch die
zahlreichen deutsch-polnischen Institutionen und
Akteure sowie die über 500 Städtepartnerschaften
in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen
und tragen damit wesentlich zur deutsch-polnischen
Freundschaft bei.
2. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen
beiden Ländern haben sich durch den Beitritt
Polens zur EU, dem Schengen-Raum und zur
NATO vergrößert. Zur Nutzung dieser Potentiale
bittet der Bundesrat die Bundesregierung
angesichts des 35. Jubiläums der Unterzeichnung
des Nachbarschaftsvertrags im Jahr 2026, die
Ausarbeitung eines neuen Vertragswerks mit Polen
nach dem Vorbild des Aachener Vertrages
zwischen Deutschland und Frankreich zu prüfen.
3. Die Ergebnisse des Deutsch-Polnischen Barometers
2023 zeigen, dass es weiterhin einer intensiven
gemeinsamen Anstrengung auf allen politischen
und gesellschaftlichen Ebenen bedarf,
um die deutsch-polnischen Beziehungen weiter
zu verbessern. Es ist zu erwarten, dass die bilaterale
und europapolitische Zusammenarbeit zwischen
Berlin und Warschau vor dem Hintergrund
der Ergebnisse der Parlaments- und Kommunalwahlen
in Polen wieder neuen Auftrieb erhält.
4. Es ist wichtig, die gemeinsamen Anstrengungen
zur Aufarbeitung der Geschichte,
insbesondere der Zeit des Zweiten Weltkriegs und
der deutschen Besatzung Polens zwischen 1939
und 1945, weiter konstruktiv fortzusetzen. Der
Bundesrat bittet die Bundesregierung deshalb, ein
deutsch-polnisches Haus in Berlin auf Grundlage
des Bundestagsbeschlusses von 2020 und des
am 23. August 2023 vorgestellten Konzepts zügig
umzusetzen und damit diesem wichtigen
erinnerungs- und bildungspolitischen Projekt eine
Heimat zu geben.
5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung
auf, den Beitrag an das Deutsch- Polnische
Jugendwerk aufzuwerten, um den schulischen
und den außerschulischen Austausch zwischen
deutschen und polnischen Jugendlichen auskömmlich
zu finanzieren und nachhaltig zu verstetigen.
Zudem bittet der Bundesrat die Bundesregierung,
die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
als Instrument zur Umsetzung neuer bilateraler Initiativen zu nutzen und die Stiftung
in Abstimmung mit der polnischen Regierung
durch finanzielle Unterstützung zu stärken und
weiter auszubauen.
6. Sprache ist ein wesentlicher Faktor zum gegenseitigen
Verständnis. Der Bundesrat begrüßt
daher die Initiative des Bundes, bis 2025
insgesamt 5 Millionen Euro für die Förderung der
Herkunftssprache Polnisch bereitzustellen und
das Kompetenz- und Koordinationszentrum Polnisch
(KoKoPol) zu stärken sowie die Erweiterung
der Polnisch-Angebote entlang der gesamten
Deutsch-Polnischen Grenze anzustreben.
7. Die neue polnische Regierung hat durch die
Wiedereinführung der dritten Wochenstunde
Deutsch für Schülerinnen und Schüler der deutschen
Minderheit und durch Neubesetzung von
Führungspositionen in den Kunst- und Kultureinrichtungen
ihre Offenheit für einen konstruktiven
Austausch mit deutschen Partnern deutlich gemacht.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, wo
immer möglich auf die polnische Seite zuzugehen
und Angebote für eine Vertiefung des kulturellen
Austausches zu machen. Dies sollte
besonders auch Angebote der kulturellen Bildung
in der frühen Bildung und in Schulen sowie Kooperationen
von Bildungseinrichtungen des einen
Landes mit Kultureinrichtungen und Künstlerinnen
und Künstlern des jeweils anderen Landes einschließen,
um gesellschaftliche Transformationsprozesse
zu begleiten und den Erwerb transkultureller
Kompetenzen zu fördern.
8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung
zu prüfen, inwieweit nach dem deutsch-französischen
Vorbild ein deutsch-polnisches Interrail-Ticket
zur Förderung des Austausches und der
Begegnung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen
bis zum Alter von 27 Jahren eingeführt
werden kann.
9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung,
bei Initiativen zu Polen oder zu Frankreich das
jeweils andere Land mit zu berücksichtigen, um
so das Gesprächs- und Konsultationsforum Weimarer
Dreieck weiter mit Leben zu erfüllen. Der
Bundesrat spricht sich dafür aus, trilaterale Projekte
mit Jugendlichen aus Deutschland, Polen
und Frankreich stärker zu fördern und an den
Schulen zu bewerben.
10. Analog zum bereits bestehenden Deutsch-
Französischen Bürgerfonds bittet der Bundesrat
die Bundesregierung zu prüfen, ob zum Beispiel
im Rahmen der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
ein Deutsch-Polnischer Bürgerfonds
eingerichtet werden kann.
11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung
darüber hinaus, bei Initiativen und
Förderprogrammen zum Austausch mit und zum
Wiederaufbau der Ukraine jeweils eine trilaterale
Komponente für deutsch-polnisch-ukrainische
Projekte vorzusehen.
12. Der Bundesrat würdigt den wertvollen Beitrag
von Stiftungen und Begegnungszentren bei
der Mitgestaltung der deutsch-polnischen
Begegnungsarbeit. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung,
Förderprogramme so auszugestalten,
dass eine institutionelle Unterstützung dieser
und vergleichbarer Akteure möglich ist.
13. Die Grenzregionen in Europa sind die Nahtstellen
der europäischen Integration. Auch in Bezug
auf die deutsch-polnischen Beziehungen findet
hier ein Großteil der Begegnungen auf bürgerschaftlicher
Ebene und im Alltag statt. Der Bundesrat
würdigt die unermüdliche Arbeit grenzüberschreitend
tätiger Akteure. Er bittet die Bundesregierung,
nachhaltig ein verstärktes Augenmerk
auf die Grenzregionen zu legen und diese
bei ihren Entscheidungen verstärkt zu berücksichtigen.
Er bittet weiterhin darum, die Unterstützung
grenzüberschreitend tätiger Akteure auszubauen.
14. Der Bundesrat hebt die zahlreichen Kooperationen
im Sektor von Wissenschaft und Forschung
zwischen den beiden Staaten hervor.
Durch kontinuierliches Zusammenwirken von Akteuren
beidseits der Grenze ist ein hochinnovativer
und stabiler Forschungsraum entstanden, dessen
Wichtigkeit für die wirtschaftliche Entwicklung der
Region sowie für den sozialen und kulturellen
Austausch insbesondere von jungen Menschen
nicht hoch genug geschätzt werden kann. Der
Bundesrat bittet den Bund, bei der weiteren Entwicklung
dieses Forschungsraumes auch
seinerseits die erforderliche finanzielle Verantwortung
zu tragen.
Begründung:
Deutsche und Polen haben nach dem Zweiten
Weltkrieg einen steinigen, gleichsam aber sehr
erfolgreichen Versöhnungsprozess durchlaufen.
Heute stehen die deutsch-polnischen Beziehungen
auf einem festen Fundament. Unzählige persönliche
Begegnungen in Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft erfüllen sie mit Leben. So sind beide
Länder wirtschaftlich eng miteinander verflochten:
Deutschland ist seit über zwei Jahrzehnten wichtigster
Handels- und Investitionspartner Polens.
Polen ist gleichzeitig fünftgrößter Handelspartner
Deutschlands.
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