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Betsche / Pszczew wurde 750 Jahre alt Text und Fotos von Irene Golz Jedes Jahr findet in der katholischen Maria-Magdalena-Kirche ein Ablaß statt. Seit 17 Jahren ist diese kirchliche Feier mit einem sehr attraktiven 2-tägigen Jahrmarkt verbunden. Alle Betscher, wie auch die Einwohner der nahen und weiteren Umgebung warten und freuen sich auf diese Tage. Es gibt viel zu sehen, zu hören und zu essen. Auf dem Markt und in den Seitenstraßen bauen Händler aus verschiedenen Woiwodschaften ihre Stände auf. Was gibt es da alles zu kaufen? Kettchen, Ringe, Spielzeug, Kleidung, Deckchen, Holzfiguren, Glasmalereien, Honig, Kerzen, Süßigkeiten, Schuhe, Kunstgewerbe, Gegenstände aus Eisen vom Kunstschmied, Wollsachen, Vasen, Weidenkörbe. Jedes Jahr kommt ein Roma aus Gorzów / Landsberg, der handgefertigte Bratpfannen verkauft. Gemälde und Trödelsachen kann man auch erwerben. Für das leibliche Wohl wird ebenfalls gesorgt: Schweinefleisch und Hähnchen vom Grill, Bauernbrot, saure Gurken, Schmalzstullen, geräucherter Käse aus der Hohen Tatra und Getränke dazu, die für gute Stimmung sorgen. Waffeln mit Schlagsahne, Konfitüre, die sogenannten „Gofry“ und Kaffee sind ein Genuß. Kinder haben an Schießbuden und mehreren Karussellen ihre Freude. Jedes Jahr sind an dem lustigen Treiben auch ehemalige Betscher aus Deutschland mit dabei. In diesem Jahr stand der Jahrmarkt unter dem Motto: „750 Jahre Betsche / Pszczew“. Die Feierlichkeiten begannen im Dezember 2009 mit einem Konzert in der Kirche. Es spielten Musiker der Posener Philharmonie. Der 21. Mai 2010 war ein besonderer Tag. Im Ferienhaus „Karina“ am Scharziger See fand ein Symposium zum Thema: „Die Slawen in uralten Zeiten“ statt. Drei Historiker aus Posen/ Poznan berichteten über damalige Verhältnisse, Handelswege und Sitten. Musikalische Darbietungen präsentierten: Herr Sylvester Ryczek, Musiklehrer der Betscher Schule mit seinem Ensemble, dem Chor „Bell Canto“ und die Kinderfolkloregruppe „Mali Pszczewiacy“ unter der Choreographie von Wanda Strózczynska und Ania Badach. Die Fortsetzung der Feier fand auf dem Gut des ehemaligen Besitzes von Graf zu Dohna in dem Kellerraum der alten Brennerei statt, der im alten Stil hergerichtet wurde. Eine Ausstellung wurde eröffnet. Der gegenwärtige Besitzer, Herr Lukasz Robak stellte dafür gesammelte „Ansichten von Alt-Betsche“ zur Verfügung. Man konnte gemalte Portraits von Betschern, besonders von Kindern, gemalt von Frau Dowgiallo, der Ehefrau des ersten Verwalters des Gutes nach dem Krieg, bewundern. Am zweiten Tag des Jahrmarktes spiegelte sich die Jubiläumsfeier in einem historischen Umzug wider. Betscher Bürger und Schüler, verkleidet in Kostümen, geliehen aus Theatern und auch selbst genäht, stellten wichtige Persönlichkeiten dar. Als Erster schritt der Heilige Adalbert dem Umzug voran. Er hatte die Betscher Heiden während seines zweijährigen Aufenthaltes zum christlichen Glauben bekehrt. Es folgte, hoch zu Ross, der deutsche Kaiser Otto der III.. Sein Weg nach Gnesen / Gniezno führte durch Betsche. In Gnesen krönte er den Fürsten Boleslaw Chrobry zum ersten polnischen König, der später die Meseritzer Burg erbaute. Ihm folgten Gestalten der Betscher Sagen Katarzyno mit Vater und Rittern, die Weiße Dame vom Chlop-See mit ihren Feen in blauen Gewändern und mit Wasserrosen, die Gespenster vom Kulkauer Weg: eine alte Uhr, den Uhrzeiger auf 12 Uhr, zwei furchterregende Hundeköpfe und der Teufel! Die Pest riß viele Menschen in den Tod. Eine weiße Gestalt mit Sense und ihre blassen Opfer sind das Symbol dafür. Auch die Schwedenflut wurde dargestellt. Es marschierten Soldaten mit Trommeln und der verirrte Trompeter vom Trompeterberg aus Zielomischel/ Zielomysl, der dort seinen Tod fand. Dann folgten die Posener Bischöfe, die nach der Zweiten Teilung Polens Betsche verließen. Auch der Graf mit der Gräfin und den Kindern in einer Kutsche, anschließend das Gesinde zogen durch die Straßen. Auf einem Pferd sah man den besiegten Napoleon reiten. Seine verwundeten Soldaten zogen die letzte Kanone. Einige fanden hier ihr Ende und ruhen wahrscheinlich im Massengrab an der Meseritzer Chaussee, Abzweig Kulkauer Weg. Die Bevölkerung vor 1939 repräsentierten Handwerker und in einheitlicher Gemeinschaft die drei Konfessionen: Juden, Katholiken und Protestanten. Auch zwei polnische Soldaten ritten mit. Den Umzug beendete eine bunte fröhliche Gruppe von Kindern mit Eltern und Friedenstauben. Wie immer ist die Kirche ein beliebter Ort für klassische Musik. Am 30. Juli fand ein Orgelkonzert statt. Dr. Florian Wilkes, ein bekannter Organist aus Berlin, führte das zahlreiche Publikum durch die Werke von Bach, Gounod, Händel, Wagner und Mendelssohn-Bartholdy. Am 11. November 2010 wird das Jubiläumsjahr mit einem zweiten Symposium (siehe Termine) und feierlicher Musik beendet. |