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Klastawe und die Hauländereien
zwischen Neutomischel und Wollstein
von Karl Hielscher - Fotos: Archiv HGR
Gut 6 km westlich von Bentschen, der Stadt inmitten der Obra-Seen und an der Bahnstrecke Frankfurt/Oder Posen liegt das Dörfchen Klastawe. Es besaß eine schöne evangelische Kirche, die freilich klein war und nur wenige 100 Kirchgänger fassen konnte. Es war ein mit Schindeln gedeckter Holzbau. Doch es war kein Blockbau, sondern ein Ständerbau, der sich auf eine Holzsäule inmitten der Kirche stützte.
So war dieses Kirchlein eine Besonderheit unter den alten, aus Holz gebauten Kirchen und zeigte Anklänge an die Stabkirchen Schwedens. In den Jahren nach 1900 war der Bau gründlich instandgesetzt und erweitert worden, wobei er einen Kirchturm erhielt, der dem Kernbau geschickt angepaßt war.
Zu altpolnischer Zeit galt dieses Kirchlein nur als lutherisches Bethaus und durfte deshalb keinen Turm haben.
Die Kirche besaß noch eine weitere Eigentümlichkeit: sie war mit einer Reihe von Gemälden geschmückt, die biblische Begebenheiten darstellten. Sie strahlten eine religiöse Begeisterung aus, die uns Heutigen fremd ist und uns merkwürdig berührt.
Gut dazu paßten die Köpfe des Erbauers des
Gotteshauses und seiner Söhne, deren Portraits
am Aufgang zur Empore des Kirchenpatrons hingen.
Ihre Züge drückten eine wilde Kraft und Entschlossenheit
aus.
Radislaus Miesitschek von Wischkaw war
der Name jenes böhmischen Edelmannes, der, im
30jährigen Krieg aus seiner Heimat vertrieben, in diese Gegend gekommen war. 1623 hatte er die
Erbtochter Margarete von Brause geheiratet.
Er kämpfte weiter für die lutherische Sache,
wurde einige Male verwundet und stieg im Heer
des Schwedenkönigs Gustav Adolf zum Obersten
empor. 1637 ließ er die Kirche an Stelle einer
früheren, die einem Brandstifter zum Opfer gefallen
war, errichten.
Was in Küche und Keller benötigt wurde entstammte
zumeist eigener Erzeugung, im Birnbaumer
„Kolonialwarengeschäft“ von Herrn Weigelt wurde nur
das Notwendigste zugekauft.
Der letzte Betriebsleiter war Arthur Reinhold
Wittich (1895-1945) der wie der Altgörziger und
Gorzyner Gutsherr Sigmund von Willich - als Angehöriger
des Birnbaumer Volkssturms im Januar 1945 an
der Prosna fiel; die fast nur mit Karabinern vom Typ K
98 ausgerüstete Einheit sollte sowjetische Panzer aufhalten
und wurde fast vollständig aufgerieben.
Der Baumeister war wahrscheinlich ein schwedischer Zimmermann, der unter dem Obersten gedient hatte. Gelegentlich vermutet man, daß Klastawe überhaupt die älteste lutherische Gemeinde in Polen gewesen wäre. Liegt doch Bentschen nahe, das bereits im ausgehenden Mittelalter ein Hort hussistischer „Ketzer“ war. Zur Zeit Wladislaus Jagiellos, des ersten Königs aus litauischem Geschlecht, war Abraham Zbanskis der Erb- und Grundherr von Bentschen.
Er hatte sich jener fanatischen böhmisch-tschechischen Glaubensrichtung angeschlossen, die auch unter den Bürgern und in der Umgebung Anhänger fand. Schließlich schritt der Bischof von Posen mit Waffengewalt gegen die der alten (röm. katholischen) Kirche abtrünnig Gewordenen ein und zwang sie, ihrem „Unglauben“ abzuschwören. Fünf hussitische Priester soll er auf dem Scheiterhaufen haben verbrennen lassen, weil sie sich nicht beugten.
Radislaus Mietzitschek von Wischkaw war ein Nachkomme böhmischer Hussiten. Mit ihm, wie auch schon zu Zeiten Abrahams Zbanskis und vielleicht auch noch in der Zwischenzeit, sind tschechische Hussiten bzw. böhmische Brüder in das Land gekommen. Allmählich sind sie unter den evangelischen Deutschen aufgegangen.
Unter den Evangelischen der Gegend konnte man immer wieder Menschen treffen, die den Bildern in der Klastawer Kirche ähnelten. Es waren etwas dunklere, mittelgroße, meist hagere Personen, die sich durch eine stärkere Regsamkeit auszeichneten. In den damaligen polnischen Westgebieten, in einem Streifen von Fraustadt bis Schwerin/Warthe, hatte sich deutsches Bürger- und Bauerntum gehalten. Während der Reformation faßte das Lutherische Fuß. Eine Anzahl evangelischer Gemeinden vermochte alle Stürme zu überstehen, wobei sie wiederholt durch Zuzügler aus Deutschland verstärkt wurde.
Zu ihnen gehörten die sogenannten Holländer
oder Hauländer. Es handelt sich um deutsche
Bauern, die die adligen Grundherren auf ihre Ländereien
holten. Besonders taten das die Starosten
(Landräte). Um von den großen Dienstländereien
Einnahmen zu erhalten, siedelten sie in den wenig
genutzten Wäldern die Bauern an, damit sie ihnen
Zins zahlten.
Da es aber lange und schwere Arbeit erforderte,
um den Wald zu roden und das Land urbar
zu machen, mußten die Adligen den Bauern entgegenkommen
und ihnen gewisse Vorrechte bewilligen.
Dazu gehörten mehrere Freijahre, der
Wegfall der Frondienste, das Recht, ihr Glaubensbekenntnis
ausüben zu dürfen und ihre einfachen
Gemeindeangelegenheiten selbst zu regeln.
Da dieses Rode- und Niederlassungsrecht
im 16. Jahrhundert von holländischen Mennoniten
über Danzig nach Polen gebracht worden war, hieß
es Holländerrecht, die Niederlassungen Holländereien
und die Siedler selbst Holländer.
Und diese Namen blieben, als das Verfahren
erst von Pommern und dann von Schlesiern
übernommen wurde, die über die Grenzen kamen
und in den polnischen Flußniederungen und
Kiefernwäldern rodeten und siedelten und immer
tiefer in das Land drangen.
Als sich später die preußischen Beamten den
Ausdruck Holländer nicht erklären konnten, änderten
sie ihn in Hauländer ab, da die Bauern den Wald
umgehauen hätten.
Kopfschüttelnd wird manch ein Leser fragen:
„Und die polnischen Bauern? Warum zog der Adel
sie nicht heran?“ Darauf ist zu antworten, daß
damals das polnische Land im höchsten Grade
verödet und menschenleer war.
Während des 17. Jahrhunderts war es in
kurzen Abständen durch die schweren und blutigen
Kriege mit den Schweden verwüstet worden,
in deren Gefolge noch Seuchen, die Pest und Hungersnöte
unzählige Menschen dahingerafft hatten.
Obendrein war ein Teil der Bauern in die Ostgebiete
geflohen, weil es ihnen dort besser erging.
Die Kirchenbücher und Visitationsberichte geben
ein Bild davon, wie die Dörfer wüst und verlassen
dalagen. Zu alledem hatte sich der polnische Bauer
im Laufe der Leibeigenschaft abgewöhnt, sich anzustrengen.
Der Nutzen all seiner Mühe kam ihm
doch nicht zugute. So erwies er sich als wenig
geeignet für die schwere Rodearbeit.
Aus der Gegend Züllichau/Schwiebus kamen
unsere Bauern über die Linie Unruhstadt/
Bentschen/Tirschtiegel, von wo eine Reihe
Niederlassungsverträge aus den Jahren kurz vor
und nach 1700 bekannt sind. Schrittweise drangen
sie vor und legten das Land frei für eine Ansiedlung
nach der anderen.
Eine Wanderung durch das Gebiet oder
schon ein Blick auf die Karte zeigt, daß unsere
„schlesischen Holländer“ in ein tiefliegendes, von
Bächen und Gräben durchzogenes Gelände kamen.
An den Rändern erstreckten sich arme Sandböden,
die nur Kiefernwälder zu tragen vermochten,
und eine Reihe von Seen in hügeliger Umgebung.
Sumpfige Niederungen zu erschließen war
besonders schwierig, weshalb sie auch von den
Siedlern des Mittelalters liegengelassen worden
waren. So dehnte sich um die Quellgebiete der
Doiza, des Scharker-Grabens und des Schwarzwassers
eine öde Sumpf- und Waldwildnis aus, die
in ihrem Kern 15 x 20 km maß. Erlen, Birken und
vor allem wilde Weiden, die „Werftsträucher“, wucherten
auf den nassen Gründen.
Einst boten sie den Elchen guten Unterschlupf,
doch waren diese längst ausgerottet, wie auch der
Biber. Außer Wölfen gab es noch Bären. Fischottern
haben sich bis in unsere Zeit gehalten, und
der scheue Schwarzstorch konnte ungestört nisten.
(Das sumpfige Gelände fand bei Rackwitz vor
knapp 150 Jahren eine eigentümliche Verwendung,
nämlich zur Zucht von Blutegeln, die bis Breslau,
Leipzig, Berlin und Hamburg gehandelt wurden.)
Sobald eine Generation herangewachsen
war, suchten sich die jungen Leute ein eigenes Unterkommen,
zogen weiter und gründeten eine neue
Holländerei. Dazu gehörten große Ausdauer und
wilde Arbeitskraft.
Zunächst hausten sie in notdürftigen Erdhütten, den „Buden“, und begannen ihr Land urbar zu machen. Sie hatten den Wald zu roden, wobei sie allerdings zu große Bäume stehen ließen. Vielfach wurden Bäume durch „Ringeln“ zum Absterben gebracht, d.h. durch tiefe Kerben rund um den Stamm. Die guten Stämme wurden als Bau-, das Derbholz als Feuerung verwendet.
Um die feuchten Stellen zu entwässern,
mußten Gräben gezogen werden, z.T. auf bedeutenden
Strecken. Zu tiefe Stellen wurden mit Erde
aufgefahren, was viele Jahre in Anspruch nahm.
Auf dem urbar gemachten Land wurden die
üblichen Nahrungsmittel der Siedler angebaut:
Hafer, Hirse und Roggen. Alles Gedeihen war vom
Wetter abhängig.
Bald nach der „Bude“ wurde der Backofen
gebaut. Es ist an anderer Stelle schon darauf hingewiesen
worden, daß das Umbrechen der Prärie
in Nordamerika durch die Europäer ein Kinderspiel
war gegen das, was unsere Vorfahren in Polen leisteten. Der Erste arbeitete sich tot, der Zweite litt
noch Not, der Dritte erst hatte Brot. Nur allzu sehr
traf dieses Wort zu.
Sobald genügend Land gerodet war, wurde
eine Scheune aufgestellt, darin wurde ein Notstall
für Pferd und Kuh und eine Wohnung für die Menschen
eingerichtet. Bis die Freijahre herum waren,
meistens 7 an der Zahl, mußte das ganze Gehöft
stehen.
Die so entstandenen Bauernwirtschaften waren
nicht groß. Ein bis zwei Pferde genügten, da der
Umfang nur 30 preußische Morgen bis das Doppelte
betrug, nur ausnahmsweise wurden gegen
100 Morgen erreicht. Die Niederlassungen bildeten
keine geschlossenen Ortschaften, jeder Siedler
saß mitten in seinem Land. Die Höfe standen
zerstreut auf den Feldern und in den Wiesen, auch
entlang einer Straße oder an einem Bach.
Da die Landwirtschaften nur klein waren,
wurden sie unter den Kindern nicht aufgeteilt, sondern
nur eines übernahm den elterlichen Hof,
möglichst das jüngste. Dann konnte man den älteren
besser helfen, wenn sie sich selbständig machen
wollten.
So entstanden in unserem Gebiet über 100
Holländereien mit dem Mittelpunkt Kirchplatz Borui,
der ursprünglich Hammer Borui geheißen hatte.
Erst 1786/88 wurde das Städtchen Neutomischel
angelegt, das Borui den Rang ablief. Ein Teil der
Enkel zog weiter, in die Gegend der oberen Warthe
hinter Schrimm und in das Warthebruch bei Kolo,
nach Mittelpolen in die Gegend von Lodz, wo die
Siedlung Bruzycko-Ksiestwo 1791 eine Abschrift
der Willkür von Hammer Borui besaß, und noch
weiter. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zogen
die Nachkommen sogar bis Wolhynien. In ganz
Polen gründeten vom 16. bis 19. Jahrhundert die
Mennoniten, die Pommern und die Schlesier an
3.000 deutsche Siedlungen.
Für die Haltung der Bauern war ihr lutherisches
Glaubensbekenntnis entscheidend. Noch
stärker als ihre Sprache verband es sie untereinander
und schied sie von ihrer polnischen und
katholischen Umgebung. Erinnern wir uns an die
Bilder in der Kirche in Klastawe, voll religiöser Inbrunst,
die die holländischen Mennoniten über das
Meer bis nach Polen getrieben hatten. Welch starker
Nachhall blieb unter unseren schlesischen
Siedlern lebendig.
Jede größere Niederlassung hatte ihr Schul- und
Kantor-Haus mit etwas Acker, sowie einen
Friedhof. Die Schulmeister und Kantoren waren
sehr einfache Leute. Die Bauern nahmen dazu, wen
sie halt gebrauchen konnten, irgendeinen Handwerker,
einen Flickschuster, Flickschneider oder
dergleichen, denn von der Schule konnte der Mann
ja nicht leben, sondern mußte noch einen Beruf
ausüben. Schreiben mußte er unbedingt können,
damit er den nötigen Schriftverkehr übernehmen
konnte, wie Kauf- und Überlassungsverträge, auch
gelegentlich Briefe für die Bauern. Der Schulunterricht
war verständlicherweise unregelmäßig und
wurde vor allem im Winter gehalten. Die Eltern
mußten für jedes Kind bezahlen.
Die Hauptsache war der Katechismus, Kirchenlieder,
Bibelverse, etwas Lesen und Rechnen,
mitunter noch Schreiben. Außerdem hatte der Kantor
die Toten zu beerdigen und die Kinder zu taufen,
sonntags hielt er Lesegottesdienste.
Diese Holländerschulen mögen uns recht
dürftig vorkommen, und später haben die preußischen
Beamten weidlich über sie gespottet, wie
Stenger in Unruhstadt. Doch fanden sie wenig
genug in Polen vor, nämlich auf dem Lande
überhaupt keine anderen Schulen und nur in größeren
Städten einige, die von katholischen Ordensbrüdern
unterhalten wurden.
Tatsächlich war also das zähe Festhalten der
„Holländer“ an ihren Kantor-Schulen etwas Außerordentliches
und mußte hoch eingeschätzt werden.
Der Pfarrer kam einmal im Jahr, selten
zweimal hinaus, hielt einen Gottesdienst, reichte
das Abendmahl, wozu er die Alten und Kranken
aufsuchte, und traute die jungen Paare. Und woher
kam er? Aus Klastawe!
Seine Gemeinde reichte bis über Borui,
Glinau und Tirschtiegel hinaus.
An den großen christlichen Festtagen aber
machten sich die Holländer zu ihrer Kirche auf. Bedenken
wir dabei die Wege und Verkehrsmittel! Es
gab nur lose Feldwege, und die Entfernungen gingen in die Meilen und mußten mit zwar leichten,
doch ungefederten Wagen, bzw. im Winter auf offenen
Schlitten bewältigt werden. Oft genug sind
die Kirchenleute einen ganzen Tag unterwegs gewesen,
und manches Mal bei Sturm und Regen,
bei Frost und Schnee.
Selbstverständlich war es, daß an den hohen
Feiertagen das Abendmahl genommen wurde.
Da der Andrang groß war, fand die Beichte am
Abend vorher statt. Deshalb mußten die Gläubigen
in Klastawe in nächster Umgebung übernachten.
Beim Gottesdienst faßte das Kirchlein nicht
im entferntesten die Besucher. So wurden Türen
und Fenster geöffnet, damit die draußen Stehenden
der Predigt folgen konnten. Wurde schließlich
das Abendmahl gereicht, so verließen die mit dem
Sakrament Versehenen das Gotteshaus, um die
draußen Harrenden an den Tisch des Herrn zu
lassen.
Im ganzen weiten Gebiet konnten sich erst
eigene Gemeinden bilden und Kirchen erbaut werden,
als der polnische Reichstag, der Sejm, in den
Jahren 1768/74 unter dem Druck Rußlands und
Preußens den Nichtkatholiken, den „Dissidenten“,
ein freies Ausüben ihres Bekenntnisses zusicherte
und entsprechende Gesetze erließ. Die Anzahl von
sechs neuen Gemeinden im Bereich von Klastawe
gibt uns ein eindrucksvolles Bild davon, wie sich
die evangelischen Holländer ausgebreitet haben.
Es entstanden an Kirchspielen: 1775
Tirschtiegel, 1777 Hammer-Borui, das nun
Kirchplatz-Borui genannt wurde, 1777 Lewitz-Hauland,
1778 Neustadt bei Pinne, 1779 Neutomischel,
1783 Bentschen. Außerdem war eine Reihe alter
Gemeinden verstärkt worden, wie Unruhstadt,
Wollstein, Rackwitz, Grätz.
Von vornherein war es für die Bauern wichtig,
daß sie gut zusammenhielten. Im Notfall mußte
sich jeder auf seinen Nachbarn verlassen können.
Manches darüber schrieben die Dorfwillküren, d.h.
die Satzungen, vor. Der Grundherr hatte sie bestätigt,
und so regelten die Bauern ihre Angelegenheiten
selber.
Der Schulze hatte zum Adalbertstag und Martinstag
den Zins einzusammeln und dem Herrn zu
überliefern. Er wurde gewählt, ebenso wie die
beiden Schöffen oder Gerichtsmänner, mit denen
er Vormundschaftssachen ordnete, Händel
schlichtete und Vergehen ahndete. Wurde eine
Landwirtschaft veräußert, hatten die Nachbarn das
Vorkaufsrecht. War die Rodezeit überstanden und
hatten die Bauern sich einigermaßen eingerichtet,
so vermochten sie auch für Familienfeste etwas
aufzuwenden.
Ebenso wie die Nöte gemeinsam getragen,
wurden die Freudentage gemeinsam genossen.
Heiratete ein Paar, so wurden von ringsherum
Milch, Butter und Eier in das Hochzeitshaus geschickt.
Das war ganz selbstverständlich, auch
wenn niemand zur Hochzeit geladen war. Dafür
wurden ansehnliche Mengen von Kuchen gebacken
und zwar überwiegend Streuselkuchen, von
dem dann wieder die ganze Nachbarschaft, je nach
Größe des Hauses bedacht wurde.
Indessen blieben die Feste im Vergleich zu
alten Bauerngebieten bescheiden, es gab keine
gewaltigen Hochzeiten mit Unmengen von Gästen
und von der Dauer einiger Tage. Auf der Fahrt
zur Kirche war es üblich, das Brautpaar mit einem
blumengeschmückten Seil aufzuhalten, wovon es
sich mit einer Gabe freizukaufen hatte.
Unschicklich war es, in einem Hochzeitshaus
die Fenster zu verhängen. Abends fanden
sich von weit und breit Zaungäste ein, die der Feier
zusehen und mitgenießen wollten. Sie wurden
mit Kuchen, Getränken und Tabak bedacht, ja öfter
zu einigen Tanzstücken in die Feierstube gebeten.
Später bürgerte sich der Brauch ein, daß die
nächsten Angehörigen und Freunde des jungen
Paares am folgenden Sonntag zu einer Nachfeier
ins Haus kamen, das war die „Wiederbraut“.
Ähnlich sprangen die Nachbarn bei Taufen
und Begräbnissen ein. Bei den letzten war es Ehrensache,
die Träger zu stellen, die auch die Gruft
herrichteten.
Bei der ausschlaggebenden Rolle des kirchlichen
Lebens fanden in der Advents- und Passionszeit
weder Hochzeit noch Tanzlustbarkeiten
statt. Dafür tobte sich das junge Volk in der Fastnacht
aus.
In der Kirche saßen die Geschlechter getrennt,
rechts und links des Mittelganges und die
Junggesellen noch besonders auf dem Chor (Empore).
So war es in Klastawe gewesen, und so
übernahmen es die anderen Kirchen.
Ein Handwerksbetrieb, der eine oder andere
der Kleinbauern wurden Eigentümer genannt,
mitunter auch Kalipner, während die größeren Besitzer
hießen und „Wirte“ nannten sich alle, während
die Bezeichnung Bauer weniger üblich war.
Es gab viel gelernte Zimmerleute, deren Können
beachtlich war und für die noch eine Anzahl
alter Häuser mit schönen und gut aufeinander abgestimmten
Giebeln, Türen und Fenster zeugten.
Vor dem reinen Ziegelbau trat das Fachwerk
auf, das sich freilich in den Holländereien nicht allzu
häufig fand, obwohl so einige Kirchen erbaut wurden.
Die Dächer wurden meist mit Rohr eingedeckt,
bessere Gebäude wohl mit Schindeln. In
Neutomischel gab es noch einen Schindelmacher.
Eine Eigenart des Gebietes war der Hopfenanbau.
Wahrscheinlich hatten ihn die Hussiten aus
Böhmen gebracht. Der Hopfen ist eine Dauerkultur
und verlangt fruchtbares und tiefgründiges Land.
Der moorige Boden der tiefgelegenen Ländereien
sagte ihm zu.
Das Feld wurde bis zu einer Tiefe von 40cm
gewissermaßen rigolt (tief gepflügt). Doch erst im
19. Jahrhundert erlangte der Hopfenanbau seine
volle Bedeutung. Da er viel Arbeit erforderte,
strömten zur Hopfenpflücke tausende fremder Arbeitskräfte
in die Gegend. Die Männer hatten die
Ranken von den hohen Stangen und Gerüsten herunterzuholen
und auf den Hof zu schaffen, wo die
Frauen und Kinder die Dolden abpflückten.
Sie wurden auf Horden geschüttet und auf
Böden und Schuppen getrocknet und dann über
4m lange Hopfensäcke gefüllt, die entsprechend
hoch aufgehängt werden mußten. Ein erfahrener
Mann kletterte in den hängenden Sack und trat den
Hopfen fest, der vorsichtig übersprüht werden
mußte, damit die Dolden nicht zerkrümelten. Gut
gefüllt und zugenäht wog solch ein Riesensack
etwa einen Zentner.
Zum Abschluß der Hopfenpflücke gab es ein
kleines Fest oder Hopfenball. Als freilich in den
Jahren 1885/90 die Preise für den Hopfen stark
fielen, ging sein Anbau zurück. Indessen hinterließ
er ein gründlich durchgearbeitetes Land, das
gute Erträge brachte und häufig für Obst und Gemüse
benutzt wurde. Daneben hatte der Hopfen
Geld ins Land gebracht, ähnlich wie die Korbweiden
in Tirschtiegel, und den Bauern zu einem bescheidenen
Wohlstand verholfen.
Hatten früher die Schrotbauern überwogen,
so entstanden nun immer mehr Ziegelhäuser, die
mitunter recht stattlich und geräumig waren. Die
ganze Gegend mit ihren Gärten, Hopfenanlagen
saftigen Wiesen und üppigen Feldern, mit ihren
Gräben, Feldwegen und Stegen zwischen den oft
versteckt liegenden Höfen bildeten eine Gartenlandschaft
und war das schönste und
geschlossenste Gebiet von Holländereien in Polen.
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