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Posen auf der Pilgerkarte von 1500
Dr. Martin Sprungala
Im Jahr 1500 feierte die noch ungeteilte christliche Kirche ein Heiliges Jahr. Aus diesem Anlaß erstellte der Nürnberger Kartograph Erhard Etzlaub (ca. 1460-1531/32) eine Pilgerkarte, die Italien mit dem Heiligen Römischen Reich und angrenzende Regionen darstellte.
Der Ablaß zum Heiligen oder Jubeljahr genannten
Jahr fand 1300 erstmals statt und sollte
alle einhundert Jahre wiederholt werden, schon bald
auf alle fünfundzwanzig Jahre (seit 1475) geändert.
Im Volksmund wurden diese alle Jubeljahre stattfindenden
Heiligen Jahre sprichwörtlich.
Der Ablaß an Sünden wurde
durch die Bibel begründet, da es
ein „Erlaßjahr“ (hebräisch: schenat
hajobel) gab, an dem alle 50 Jahre
die Möglichkeit eines Schuldenerlasses
und Besitzausgleichs für alle
Israeliten (3. Buch Mose, Leviticus
25,8-55) bestand. Das Wort Jobel,
das „Widder“ bedeutet, da zur Eröffnung
eines Erlaßjahrs auf einem
Blasinstrument aus Widderhörnern
geblasen wurde. Die Bibelübersetzung
Vulgata des 4. Jahrhunderts
übersetzte das hebräische „schenat
hajobel“ mit „annus iubilaeus“, woraus
der Begriff Jubeljahr entstand.
In der jüdischen und christlichen
Theologie entwickelte sich dieses
Erlaßjahr mit seinem ursprünglichen materiellen
Schuldenerlaß zu einer Zeit der Buße und Sündenvergebung
für geistige und moralische Schuld.
Zum Jahresbeginn 1300 überraschte der Andrang
vieler Pilger die katholische Kirche, weshalb
Papst Bonifatius VIII. das zuvor sporadisch bereits
vorkommende Jubeljahr durch die Bulle „Antiquorum
habet fida relatio“ vom 22.2.1300 zu einer
festen Institution machte, die er vor allem mit der
Volksfrömmigkeit begründete. Hintergrund war eine
gewaltige Menge an Pilgern zum 1.1.1300 in dem
damals noch kleinen Petersdom. Der Kurie war der
Volksglaube an einen Ablaß zum 1. Januar vollkommen
fremd und wurde im Jahr 1300 von diesem
Ansturm vollkommen überrascht. Der Erfolg dieses
ersten Jubeljahrs führte zu der bereits genannten
Wiederholung alle 25 Jahre, damit jede Generation
ein solches Heiliges Jahr erleben konnte. Aus diesem
Grunde war auch die Zahl der Kathedralen, zu
denen man pilgern konnte, erweitert worden.
Bei dem schon oben erwähnten achten Heiligen
Jahr 1500 wurde dieses erstmals mit der feierlichen
Hammer-Zeremonie eröffnet, die seither üblich
ist. Zu diesem Zwecke wurde eine neue, die
Heilige Pforte in den Petersdom gebrochen. Am
Heiligabend des Vorjahres öffnet dann der Papst
diese Pforte, indem er mehrmals mit einem goldenen
Hammer auf die massive Marmorplatte schlägt
und dabei den Segen spricht. Daraufhin öffnet sich
die Pforte und der Papst schreitet als Erster hindurch.
Die Gläubigen folgen ihm. Zum Abschluß des
Jubeljahres wird die Pforte wieder verschlossen.
Das Jubeljahr war stets auch ein großer kommerzieller
Erfolg, an dem Erhard Etzlaub im Jahr
1500 teilhaben wollte. Er stammte aus Erfurt und
arbeitete nach seinem Studium in Nürnberg als Astronom,
Kartograph und Kompaßbauer, zudem war
er Doktor der Medizin.
Seine Karte sollte den Pilgern den Weg nach
Rom erleichtern und er fand eine sehr praktikable
Darstellung. Mittels Punkten, die jeweils eine Deutsche
Meile (7,4 km) in Realität darstellten, zeichnete
er die Straßen zwischen zwei Orten. Das Heilige
Römische Reich erhielt die Farbe Weiß, Italien
grün und Polen ein helles Beige.
Viele Orte konnte er auf seiner Pilgerkarte
nicht verzeichnen, damit sie nicht gänzlich unübersichtlich
würde. Im Posener Land findet man auf
dieser Karte vier Städte: Posen, Gnesen, Schroda
und Meseritz. Über die Gründe für diese Auswahl
kann man nur spekulieren. Posen (Posnau geschrieben)
war Wojewodschaftshauptstadt und Standort
eines Domes, ebenso Gnesen (Gnysna geschrieben)
das Sitz des Primas von Polen und ursprüngliche
Grablege des ersten polnischen Nationalheiligen
St. Adalbert (Wojciech) war, Schroda war
der Sitz des regionalen Sejm und in Meseritz
(Mesericz geschrieben) starben im Jahr 1000 die
ersten polnischen Märtyrer.
Die Karte hat er wie all seine Karten nach
Süden ausgerichtet, so daß das Reiseziel Rom
ganz oben abgebildet ist (Maßstab 1 : 5,6 Millionen).
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