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Die Meseritzer Familie Gumpert
Dr. Martin Sprungala
Die evangelische Familie Gumpert stammt laut Eintrag
im Gothaschen Genealogischen Taschenbuch
(GGT B 1908 ÄG) aus der sächsischen Stadt
Glauchau, wo sie als Bürger und Seilermeister
1685 erstmals urkundlich erwähnt werden. Hier
wurde Johann Gottfried Gumpert am 7.9.1685 als
Sohn des Seilermeisters Gottfried Gumpert und
der Dorothea Meister geboren.
Von hier aus zog er nach Osten, ins Posener
Land im damaligen Königreich Polen und heiratete
in Meseritz (Miêdzyrzecz) die einheimische Anna
Maria Friedrich. Zwei Söhne des Paares sind überliefert,
darunter der Seilermeister Samuel Johann
Gottfried Hermann Gumpert. Mit seiner Frau Anna
Katharina Sterling wurde er Vater von drei Söhnen,
von denen Johann Gottfried (1742-1829) und
Christian Gotthilf Gumpert (1752-1830) ebenfalls
Seilermeister wurden.
Der mittlere Sohn, Christian Gottlob
Gumpert (1743-1825), studierte Medizin und promovierte.
Er war mit Anna Maria Viebig (1750-1822)
verheiratet und sie hatten drei Söhne und drei
Töchter. In den Lebenserinnerungen seiner Enkelin
Thekla ist nicht viel über sie geschrieben, da
sie sich kaum an sie erinnern konnte. Die Großeltern
besaßen bei Meseritz ein kleines Landgut, das
sie „die Sorge“ nannten. In späterer Zeit hieß dieser
Wohnplatz Gumpertshof. Hierhin führten oft die
Spaziergänge der Enkelkinder mit ihren Eltern.
Am 2.5.1797 wurde er von König Friedrich Wilhelm II. zum Kreisphysikus im Kreis Meseritz ernannt: „Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, thun kund und fügen zu wissen, daß Wir den Doctorem Medicinae Gumpert, senior, zu Meseritz, wegen seiner Uns angerühmten Geschicklichkeit und Thätigkeit zum Kreis Physico im dortigen Kreise allergnädigst angenommen und ernannt haben ...“
Einer von Christians Söhnen hieß so wie er und auch Christian Gottlieb (v.) Gumpert (1772-1832) studierte die „Natur- und Arzneiwissenschaft“, wie das Medizinstudium damals genannt wurde, und promovierte zum Dr. med..
Christian Junior wurde
am 6.9.1772 in Meseritz
geboren und mußte
bereits früh seine Heimatstadt
verlassen, das dortige Meseritz Gymnasium
erst 1868 gegründet wurde. Ob er als Untertan
des polnischen Königs in Polen studierte, oder
eher in Preußen ist nicht überliefert, aber letzteres
ist wahrscheinlich, da er in den preußischen
Staatsdienst trat.
Seit 1793 war das Posener Land infolge der
zweit en Teilung Polen-Litauens zu Preußen gekommen
und hier die Provinz Südpreussen eingerichtet
worden. Dies bot vielen jungen Beamten
eine gute Karrieremöglichkeit. Christian Gumpert
wurde am 19.3.1798 zum Assessor in Petrikau
(Petrików Trybunalski) ernannt und bereits am
5.9.1799 als Erster Assessor an das hierhin verlegte
und neu eingerichtete Kalischer Medizinalkollegium
berufen. Er wurde, wie sein Vater in
Meseritz, in Kalisch Kreisphysikus.
Im Jahr 1803 gründete er mit der Adeligen
Henriette v. Eckartsberg u. Weißtrupp (1780-1863)
eine Familie. Auf dem schwiegerelterlichen Gut
Kunzendorf (Sieroszowice) im Kreis Glogau fand
die Hochzeit statt (Trauregister der ev. Kirche, Jg.
1803, Nr. 14). Das Paar bekam drei Söhne und zwei
Töchter.
Als Preußen im Herbst 1806 eine verheerende
Niederlage gegen Napoleon erlitt und die
meisten seiner polnischen Teilungsgebiete verlor,
blieb die Familie Gumpert in Kalisch und Christian
behielt sogar das Amt des Kreisphysikus in der
gesamten Zeit des Herzogtums Warschau unter
der Personalunion des sächsischen König Friedrich
August I. (1750-1827).
Die Zeit der Napoleonischen Kriege überstand
die Familie in ihrer privilegierten Welt und sie
nahmen auch nicht am Freiheitskampf teil. Christian
Gumpert war ein so treuer und verdienter Arzt
und Untertan seines Herrschers, daß ihn Friedrich
August I. am 6.2.1810 in Dresden in den herzoglich-
warschauer Adelsstand erhob. Seine
Nobilitierung wurde nach der politischen Wende am
6.10.1820 vom preußischen Heroldsamt formal
anerkannt.
Mit der Errichtung der neuen preußischen
Verwaltung im Großherzogtum Posen wurde auch
Christian v. Gumpert hierher übernommen und kam
als preußischer Regierungs- und Medizinalrat in
die Posener Regierung. Er erwarb als Erholungsort
und als finanzielle Reserve das heruntergewirtschaftete
Gut der Familie v. d. Goltz in Klausdorf
(Klebowiec) im westpreußischen Kreis
Deutsch Krone (Walcz).
Im Alter von 59 Jahren starb Christian v. Gumpert
am 30.7.1832 in Posen. Durch den Ausfall seiner
Einkünfte konnte seine Witwe das Gut Klausdorf
nicht mehr halten und mußte es zwei Jahre später
verkaufen.
Zwei seiner Kinder erlangten eine Bekanntheit. Christians Sohn Heinrich v. Gumpert
(1804-1869) studierte Staatswissensschaften und
trat in den Staatsdienst und wurde im Juni 1836
zum interimistischen Verwalter des landrätlichen
Amtes in Obornik (Oborniki) berufen, wie die
„Cameralistische Zeitung für die Königlich Preußischen
Staaten“ am 2.7.1836 (Nr. 27, S. 417) berichtet.
Aus dem ursprünglichen Provisorium wurden
zwölf Jahre. Bis zum Revolutionsjahr 1848 war
er in Obornik im Amt.
Es mag an seiner privaten Entwicklung liegen,
daß über ihn keine weitere staatliche Aufgabe
berichtet wird, denn Heinrich war zweimal mit
polnischen Adeligen verheiratet und wurde katholisch.
Im Jahr 1833 heiratete er in der
Dreifaltigkeitskirche in Gnesen die junge Witwe
Józefa v. Koszutska (*1811), geb. v. Nowicka, und
nach ihrem Tod im Jahr 1840 Barbara v.
Koczorowska (1816-1879). Er war Vater von drei
Töchtern.
Nachdem er 1848 sein Amt in Obornik
beendet hatte, lebte er mit seiner Familie in Bomblin
(Boblin, Kr. Obornik) und zuletzt in Breslau, wo er
am 30.4.1869 starb.
Weitaus bekannter als Heinrich v. Gumpert war seine Schwester Thekla v. Schober (1810-1897), die eine der meistgelesenen und bekanntesten
Jugend- und Kinderschriftstellerinnen ihrer
Zeit war.
Thekla Charlotte v.
Gumpert wurde
als drittes der fünf
Kinder am
28.6.1810 in
Kalisch geboren.
Bereits mit fünf
Jahren mußte sie
mit ihrer Familie
nach Posen umziehen,
wohin ihr
Vater beruflich
versetzt worden
war.
Ihre Familie
stand im engen
Kontakt mit den
preußischen Regierungsbeamten. Den Oberpräsidenten Joseph Zerboni di
Sposetti nannte sie einen Verwandten und
besonders eng war ihr Kontakt zur Familie des
königlichen Statthalters des Großherzogtums Posen,
Antoni Fürst Radziwill (1775-1833). Dadurch
kannte sie auch Mitglieder des Königshauses.
Thekla wurde zur engen Freundin der Tochter
des Statthalters, Prinzessin Wanda (1813-
1846). Sie wuchs in einer „heilen, behüteten Welt“
auf, daher war ihre Lebenswelt geprägt durch preußisches
Denken und der gelebten Selbstverständlichkeit
einer Standesgesellschaft.
Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1832 zog
sie zu ihrer Mutter auf das elterliche Landgut Klausdorf
(Klebowiec) im westpreußischen Kreis
Deutsch Krone. Das Gut ließ sich aber nicht erhalten
und mußte verkauft werden. Thekla fand nun
Unterkunft bei dem Verwandten Freiherr v. Seydlitz
u. Kurtzbach. Sie betätigte sich hier als Kindererzieherin
und erkannte darin ihre innere Berufung.
Sie zog dann zu ihrer Jugendfreundin Fürstin
Wanda Czartoryski geb. Radziwill nach Dresden
und fungierte bis 1848 als Erzieherin ihrer Kinder.
Als Adam Konstanty Fürst Czartoryski h.
Pogon Litewska (1804-1880) nach Wandas Tod
wieder heiratete, die Gräfin Elzbieta Dzialynska h.
Ogonczyk (1826-1896) aus Posen, zog sie zu ihrer
Mutter nach Berlin.
Ihr späterer Ehemann, der Legationsrat in
Weimar Franz v. Schober (1796-1882), ermutigte
sie, Jugendschriftstellerin zu werden. Bereits ihr
erstes Werk war ein Erfolg, denn sie traf den Zeitgeist.
Mit dem erworbenen Geld konnte sie nun
frei handeln. Thekla erkundete Erziehungsanstalten
in Deutschland und England und lernte dabei
auch den „Vater“ des Kindergartengedankens, den
Pestalozzi-Schüler Friedrich Fröbel (1782-1852),
kennen und schätzen.
Sie bezeichnete sich später als seine
Verehrerin, aber nicht als seine Anhängerin, seit
er bei der preußischen Regierung wegen angeblicher
Verbreitung sozialistischer, liberaler und atheistischer
Gesinnungen in Ungnade gefallen war.
Ganz in ihrem Standesdenken und der Staatstreue
verhaftet, distanzierte sie sich von ihm, ohne ihn
aber gänzlich zu verleugnen. Doch eine Mitarbeit
an seiner Zeitschrift lehnte sie ab.
Thekla engagierte sich sozial und gab ihre
Honorare oft für Wohltätigkeitsorganisationen aus.
Viele ihrer Werke erschienen im Verlag Flemming
in Glogau (Glogów), dem sie über die Familie ihrer
Mutter verbunden war.
Die große Kinderschriftstellerin und Erzieherin
wurde selbst nie Mutter. Zwar heiratete sie 1856
den in Schweden geborenen österreichischen
Dichter, Librettisten, Lithographen und Schauspieler,
Franz v. Schober (1796-1882, 1801 nobilitiert),
doch nach vier Jahren wurde das Paar wieder
geschieden.
Thekla v. Schober lebte in Dresden, wo sie
am 1.4.1897 starb. Eines ihrer letzten Werke waren
ihre Lebenserinnerungen „Unter fünf Königen
und drei Kaisern. Unpolitische Erinnerungen einer
alten Frau“, die ebenfalls bei Flemming in Glogau
(1891) erschienen..
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