Posener Widerstand gegen eine antipolnische Politik (1908)
Dr. Martin Sprungala


Es ist bekannt, daß in der Provinz Posen der Nationalitätenkampf zwischen Polen und Deutschen tobte und von beiden Seiten diesbezüglich Propaganda gemacht wurde. Auf deutscher Seite war das vor allem der Ostmarkenverein, der von der polnischen Propaganda erfolgreich als HTK oder Hakatisten-Verein diffamiert wurde.
In der Provinz selber sah man diesen Streit, und die vom Ostmarkenverein stark forcierte antipolnische Politik (Stichworte: Gründung der Ansiedlungskommission, Hebungspolitik der deutschen Kultur, Feuerstättengesetz bis hin zum Enteignungsgesetz von 1908) jedoch viel differenzierter. In der Provinz erkannten viele, diese Politik war nur ein gegenseitiges Hochschaukeln der Gegensätze und viele lehnten diese Politik daher ab. In der Zeit vor 1908 tobte erneut ein Meinungsstreit.

Die Scharfmacher, von der polnischen Propaganda oft als „Polenfresser“ bezeichnet, haben erkannt, auch die Novellierung des Ansiedlungsgesetzes von 1886 im Jahr 1904 führe zu keinem Erfolg und forderten daher ein Enteignungsgesetz, mit dem man marode polnische Güter enteignen konnte, natürlich mit dem Hintergedanken, diese dann an deutsche Eigentümer zu vergeben.
Im Vorfeld berieten sich auch die deutschen Gutsbesitzer im Posener Land und verfaßten quasi eine Protestschrift gegen diesen Gesetzentwurf, den 63 Gutsbesitzer unterzeichneten. Es ist dabei schon auffallend, daß in den Grenzregionen der Provinz sich viele Landwirte gegen dieses Gesetz aussprachen. Es sind gerade die Gebiete, in denen eine gemischte Nachbarschaft existierte. Hier an der Brandlinie der Nationalitäten sprachen sich viele für eine gute Koexistenz aus.

In fast rein deutschen Kreisen wie in Fraustadt (1, bezeichnenderweise aus dem polnisch geprägten Teil des Fraustädter Landes), Meseritz (2, hier war aber der östliche Kreis eher polnisch geprägt) und Schwerin/ Warthe (2, deren Eigentümer besaßen aber noch Güter im Landesinneren der Provinz) fanden sich kaum Unterzeichner, da man hier wohl das Problem nicht als solches erkannte, da man in einem deutschen Umfeld lebte. Im Kreis Bomst waren es drei Gutsbesitzer, in Birnbaum vier, in Kolmar vier und in den um Posen gelegenen Kreisen Posen Ost zwei und in Posen West vier, in Samter sage und schreibe neun. Auch in dem hart umkämpften Kreis Wreschen fanden sich vier Unterzeichner gegen den Gesetzesentwurf.


Zur Enteignungsvorlage

Wir unterzeichneten Posener deutschen Landwirte sprechen uns gegen die jetzt dem Herrenhaus vorliegende Enteignungsvorlage aus und begründen unsere ablehnende Haltung wie folgt:

1. Wir sind gegen jeden Enteignungsvorschlag, von welcher Seite er auch gemacht wird, weil eine solche Maßnahme die solide Grundlage unserer heutigen Gesellschaftsform und damit die des Staates untergräbt.
2. Wir erklären uns ferner gegen die Vorlage, weil wir der festen Überzeugung sind, daß der Zweck derselben, das Deutschtum in der Ostmark zu fördern, hiermit nicht erreicht, vielmehr gerade der seßhafte Deutsche unseres Landesteils schwer geschädigt wird.
Wir wollen in letzter Stunde nicht näher auf die so vielseitig erörterte Vorlage eingehen und bitten die Mitglieder des Herrenhauses, die Enteignungsvorlage abzulehnen zum Wohle der Ostmark und des ganzen Staates.
(Abgedruckt in: Alexander von Harnier, Beitrag zur Geschichte des deutschen Großgrundbesitzes im Lande der Netze und Warthe, Mainz: Historischlandeskundliche Kommission für Posen und das Deutschtum in Polen, 1971, S.100)
Es folgt die Liste der 63 Landwirte mit Ortsangaben.

Das höchst umstrittene Gesetz wurde am 3.3.1908 verabschiedet, kam aber erst im Jahr 1912 zum Einsatz. Insgesamt wurde es nur viermal angewandt (= 1.700 ha, Enteignung gegen Entschädigung).
Zum Vergleich: In Rußland waren seit 1864 ca. 3.500 polnische Güter entschädigungslos enteignet worden. Dieses Gesetz schadete den Deutschen im Posener Land, wie vorausgesehen, wirklich, nur in anderer Weise als gedacht. Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg nutzte die polnische Politik dieses Gesetz propagandistisch und die Entente-Mächte glaubten, daß durch dieses Gesetz das Deutschtum gewaltsam verstärkt worden war. Daher galt im Versailler Friedensvertag von 1920 nur derjenige als legitimer Bewohner der Provinz, der vor dem 1.1.1908 hier ansässig war.