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Ein Dreivierteljahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Dr. Wolfgang Kessler In diesem Text bezieht sich der Autor vielfach auf Ausgaben des Vereinspublikation HEIMATGRUSS. Seit Juni 2020 liegen diese vollständig digitalisiert und archiviert vor. Zum Archiv der Heimatgruss-Ausgaben. Die Erinnerung an den 8. Mai 1945, den Tag der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht, schwankt, ja polarisiert zwischen Niederlage und Befreiung. Am 7. Mai 1945 unterzeichnete Generaloberst Jodl im Hauptquartier der US-Armee in Reims, am späten Abend des 8. Mai 1945 Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel im Hauptquartier der Roten Armee in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Am 23. Mai 1945 übernahmen die siegreichen Alliierten auch formell Regierungsgewalt im Deutschen Reich. Der Krieg war damit allerdings für Millionen Menschen noch nicht zu Ende: Evakuierung, Flucht, Vertreibung und Umsiedlung nicht nur von Deutschen dauerten bis 1947/48, die in Polen verbliebenen Deutschen blieben erst einmal so entrechtet, wie es die polnische Bevölkerung in den „eingegliederten Ostgebieten“ gewesen war. Die letzten Kriegsgefangenen kehrten erst 1956 aus der Sowjetunion zurück, die Beseitigung der empfindlichsten Bombenschäden zog sich bis in die 1960er Jahre, und Spätaussiedler kommen bis in die jüngste Zeit. Die Aufteilung Deutschlands hatten die Alliierten im Februar 1945 in Jalta beschlossen, in Potsdam wurde sie im Juli 1945 konkretisiert. Der Übergang der Gebietsteile des Deutschen Reiches östlich von Oder und Neiße an Polen und die Sowjetunion war, wenn auch in der Potsdamer Erklärung vom 2. August 1945 offen formuliert, endgültig gedacht. Spätestens seit dem Sommer 1944 war klar, dass der „Endkampf“ von deutscher Seite nicht zu gewinnen war. Die nationalsozialistische Propaganda mobilisierte trotzdem den Kampfeswillen und gab damit das als höchstes Gut gepriesene „Volk“ der Gefahr, ja dem Untergang preis. Wer dagegen handelte oder auch nur sprach, dem drohte unter dem Regime, das schon das Hören von „Feindsendern“ als Wehrkraftzersetzung ahndete, der Tod als Hochverräter. Zwischen der Jahreswende 1944/45 und dem 8. Mai 1945 forderten der intensivierte Bombenkrieg im Westen, Norden und der Mitte, aber auch die viel zu späte Evakuierung der Zivilbevölkerung vor der Roten Armee aus dem Osten Deutschlands in einem extrem harten Winter eine ungemein hohe Zahl von Opfern. „So unleugbar der Mai 1945 eine Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur bedeutete, von der die Deutschen sich selber nicht hatten befreien können“, schrieb der renommierte Historiker Hans-Ulrich Wehler 2003, „so verständlich ist es, daß die Niederlage mit ihren Folgen aus der Sicht der meisten deutschen Zeitgenossen als deprimierende Katastrophe empfunden wurde“. Das umso mehr, wenn sie wie die deutschen Meseritzer und die seit 1920 polnischen Birnbaumer Deutschen als Ergebnis des Krieges ihre Heimat verlassen mussten. Daß vieles von dem, was sie zwischen Niederlage und „Aussiedlung“ erleiden mussten, nichts anderes als Rache war für die deutsche Kriegsführung und Besatzung im Eroberungs- und Vernichtungskrieg und Diskriminierung und „Umsiedlung“ aus dem „Wartheland“ (auch aus dem Kreis Birnbaum) ins Generalgouvernement, wurde wie das Geschehen selbst erst spät erkannt. Lange dominierte die militärische Niederlage die Erinnerung der bundesdeutschen Gesellschaft. Erst 1985 hat Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum Missfallen der eigenen Partei die Bedeutung des 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung hervorgehoben, der Befreiung von einer menschenverachtenden und mörderischen Diktatur. Die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft wurden auch im Heimatkreis Meseritz lange ausgeblendet. Ernst Hoffmann hat im ersten Band des Heimatbuches (S. 330) die große Aufbauleistung in den Jahren der Weimarer Republik viel zu kurz gewürdigt. Landrat v. Meibohm wurde 1933 damals Oberpräsident der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen „abgelöst“ (und ihm die Ehrenbürgerschaft der Stadt Meseritz aberkannt), Bürgermeister Hart in Meseritz „mußte gehen“ kein Wort von der Rolle der NSDAP. Ähnlich 1969 in Nr. 32 (S. 3-4) des „Heimatgrusses“ über „Meseritz und die Juden“: Heute seien „unsere Juden in alle Welt verstreut“, kein Hinweis auf die Entrechtung der Juden nach 1933, kein Wort vom Holocaust und seiner Vorgeschichte (erst 2009 hat Dr. Martin Sprungala einen Überblick über die jüdischen Gemeinden im Kreis verfasst), kein Wort in diesen Zusammenhängen von der gegen die polnische Minderheit zum Beispiel in Groß Dammer gerichtete Politik, kein Wort vom Zweiten Weltkrieg. Das Geschehen 1945, die Rote Armee, Flucht und Vertreibung brachen, nimmt man das Heimatbuch und den „Heimatgruss“ bis 1990, aus heiterem Himmel über den Kreis Meseritz herein. Ernst Hoffmann sah den „Ostwall“, dessen Bau lange der von den Erbauern auferlegten Schweigepflicht unterlag, nur aus der Wehrmachtsperspektive (HGr 74, 1980). Daß dafür Bauernland enteignet wurde, erwähnt erst 1995 ein „Mosaiksteinchen“ (132, S. 25), und daß die Einwohner von Kainscht, weil ihr Dorf in der Schußlinie der Festung lag, umgesiedelt wurden, hat erst 2000 Hubert Reiche offengelegt (HGr 155, S. 17-19). Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, wie sie Barbara Weber 2007 in einem Leserbrief (HGr 180, S. 47-48) für Rogsen gefordert hat, fehlt bis heute, ist allerdings aus der individuellen Erinnerung heraus nicht leistbar. Leonhard v. Kalckreuth, der 2011 die NS-Zeit in seinen Erinnerungen an das Familiengut Muchocin in Polen und im „Warthegau“ (HGr 196-197) nicht geschönt hat, war bei Kriegsende 14 Jahre alt. Sucht man „Meseritz“ in Suchmaschinen oder Bibliothekskatalogen, findet man außer dem „Ostwall“ vor allem Hinweise auf die „Landesirrenanstalt“ Obrawalde als Tötungsanstalt im Sinne der nationalsozialistischen „Euthanasie“ in den Jahren 1942 bis 1945. Im „Heimatgruss“ gibt es außer einem Literaturhinweis (204, 2013, S. 37) nur zwei Beiträge über die Situation dort unter der sowjetischen Verwaltung 1945 (163, 2002; 171, 2004), die auf das Mordgeschehen seit 1942 immerhin eingehen. Das Kriegsgeschehen erreichte den bis dahin von Kampfhandlungen verschonten Kreis Meseritz erst Anfang 1945 (vgl. Klaus Scheel, HGr 154-164, 2000-2002, 191-194, 2009/10). Der in den letzten Kriegstagen in Meseritz aufgestellte „Volkssturm“, in dem um die hundert Hitlerjungen den Tod erlitten haben, ist, anders als die zwölf Jahre nationalsozialistischer Herrschaft, vor allem in zwischen 1997 und 2009 veröffentlichten Erinnerungen präsent. Die viel zu späte Evakuierung und Flucht aus dem Kreisgebiet (noch am 24. Januar 1945, als die Rote Armee schon vor Tirschtiegel stand, verbot NSDAP-Kreisleiter Menze, das „Kreisgebiet Meseritz Schwerin/Warthe“ zu verlassen, HGr 193, 2010, S. 30), das Leben unter der sowjetischen Besatzung und der polnischen Verwaltung, das Ankommen in der Sowjetischen Besatzungszone oder den Westzonen sowie das Leben „danach“ werden in zahlreichen Einzelfacetten erinnert. Ein Gesamtbild könnte den Nachgeborenen das Geschehen verdeutlichen. Die vorliegenden Erinnerungen sind die von Überlebenden. Die Suchanfragen im „Heimatgruss“ weisen regelmäßig auf die, die nicht überlebt haben, deren Geschichte nicht erzählt wird. Die Selbstmorde aus Angst vor der Roten Armee (vgl. Heimatbuch, Bd. 1, S. 335), sind kaum Thema. Auf den kollektiven Selbstmord von 45 Rogsenern am 31. Januar 1945, als der zur Räumung des Ortes versprochene Eisenbahnzug ausblieb, hat zwar Gebhard Döring schon im März 1946 in seinem fünften Rundbrief hingewiesen, näher eingegangen darauf ist allerdings erst 2003 Manfred Koschützke (HGr 164, S. 14-15), andere Erinnerungen fehlen bezeichnenderweise gerade für dieses Dorf. Das Ausblenden der NS-Zeit aus den veröffentlichten Erinnerungen entspricht der deutschen Erinnerungskultur, und auch die Regionalgeschichte hat in ganz Deutschland die NS-Zeit lange ausgeblendet (der Streit um „Stolpersteine“ zeigt, daß manche sie bis heute lieber vergessen wollen). NS-Engagement passte nicht in die Autobiographie (man hatte nur seine Pflicht erfüllt), die Wehrmacht sollte „anständig“ gewesen sein, den Boykott jüdischer Geschäfte und das Brennen der Synagogen am 9. November 1938 hat man nicht bemerkt, von den Konzentrationslagern und erst recht vom Holocaust wollte man allgemein nichts gewusst haben. Widerstand gegen die jüdische, andersdenkende oder polnische Nachbarn ausgrenzende Ideologie des „Du bist nichts, Dein Volk ist alles“ war allerdings aussichtslos. Wenn man nicht wie nicht Wenige für das Regime und seine Ideologie engagiert war, war Anpassung die Überlebensstrategie. Daß nach Kriegsende die zuvor wegen Nationalität oder Religion ausgegrenzten, jetzt herrschenden „Anderen“ mit denselben Mitteln, die sie von deutscher Seite erfahren hatten, wie Ausgrenzung oder als „Umsiedlung“ beschönigter Vertreibung gegen „die Deutschen“ vorgingen, wurde kaum wahrgenommen. Eigentumsverlust „nach 700 Jahren“ deutscher Leistung, Vertreibung und Aussiedlung dominieren als Leidens- geschichten, weil sie als solche erfahren wurden. Die von der bundesdeutschen Politik lange wider besseres Wissen propagierte Hoffnung auf Rückkehr in die Grenzen von 1937, also nach Meseritz, aber nicht nach Birnbaum, verzögerte die Eingliederung und die politisch nicht gewollte Einsicht. Auch viele polnische Neusiedler im als „altpolnisches Land“ postulierten „Lebuser Land“ waren bis zu den Ostverträgen unsicher, ob sie eine gesicherte Zukunft in ihrer neuen Heimat hatten. Von den „deutschen Ostgebieten“ in den Grenzen von 1937 waren die Kreisgebiete Meseritz und Schwerin (Warthe) tatsächlich altpolnisch, gehörten sie doch erst seit 1793 bzw. 1806 zu Preußen und erst seit 1867 zum Norddeutschen Bund und seit 1871 keine 74 Jahre zum Deutschen Reich. Der Heimatverlust wurde, unabhängig von besonders schweren individuellen Erfahrungen, als traumatisch empfunden, und je größer das Trauma war, desto größer waren, ein typisches Opferhalten, Verschweigen und Verdrängen der unmenschlichen Erfahrung als Mittel zur Traumabewältigung. Man wollte sich lieber an das Schöne erinnern. Der Heimatkreis bildete eine Erinnerungsgemeinschaft, die sich bald auf die zum Überleben notwendige Opfererzählung verständigte. Die etwa seit 1940 geborenen Folgegeneration, die für die Zeitzeugenschaft zu jung war, übernahm sie aus den Erzählungen von Eltern und Großeltern. Traumatische Erfahrungen wie das Kriegsende und den meist unter „Vertreibung“ zusammengefassten Komplex von Evakuierung, Flucht, Vertreibung und Aussiedlung werden auf die Kinder- und die Enkelgeneration übertragen, wie man von Überlebenden und Gewaltopfern auch in anderen Zusammenhängen weiß. Die Opfererfahrung wirkte umso stärker, als man sich außer Anpassung und Gesetzestreue individuell keine Schuld vorwerfen konnte, aber haftbar gemacht wurde für das „Volk“, dem man angehörte und in dessen Namen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord begangen wurden. Man war Opfer der eigenen „Volksgemeinschaft“ geworden, einer Ideologie, die, wie gerade hohe Opferzahlen der letzten Kriegstage zeigen, dem Einzelnen keinen Wert beimaß. Gleichzeitig schloss sie Teile des deutschen Volkes als „minderwertig“ aus wie, rassistisch scheinlegitimiert, die deutschen Juden, selbst wenn sie im Ersten Weltkrieg für Deutschland mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden waren. Die Kreise Meseritz und Birnbaum waren aus gesamtdeutscher Perspektive nur ein sehr marginaler Teil eines größeren Geschehens. Schon in der Publizistik zum „Unrecht“ des Friedensvertrags von Versailles (1919) spielten sie, beide in ausgesprochenen Grenzlagen, anders als der „Polnische Korridor“ oder das oberschlesische Industriegebiet, keine Rolle bei den deutschen Revisionsforderungen, ebensowenig in der aus dem „Reich“ gelenkten Politik der deutschen Minderheit in Polen. Das Kriegsgeschehen traf beide Kreise Anfang 1945 mit voller Wucht ohne Rücksicht auf die dort lebenden Menschen. Es gehe nicht um Aufrechnung, hat Ernst Hoffmann 1970 unter der Überschrift „25 Jahre Vertreibung!“ geschrieben (HGr 34, S. 1-2). Man wolle nicht „Gräben und Gräber wieder aufreißen“, sondern „um der geschichtlichen Wahrheit willen“ erinnern, doch dabei sah er nur die deutsche Perspektive. Erkenntnistheoretisch gibt es keine überindividuelle „historische Wahrheit“, aber es gibt eine historische Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, die falsche Schuldzuweisungen nicht zulässt und nicht vergisst, die Perspektiven des jeweils Anderen einzubeziehen. Historische Ehrlichkeit gebietet, die eigene Position in das gesamte historische Geschehen und seine Bedingtheiten einzuordnen, nicht aus falsch verstandener Loyalität zu rechtfertigen. Ernst Hoffmann (1913-1991) wollte historische Gerechtigkeit, die Anerkennung von Leistung und Leiden zunächst einmal durch die bundesdeutsche Gesellschaft. „Es stehen“, schrieb er 1975 „Nach 30 Jahren“ (HGr 53, S: 2), „Die Denkmäler der KZ’s ..., wo steht das Denkmal der Menschen, die erfroren [sind] oder von Panzern überfahren wurden, wo das der treuen Tiere, die in Schnee und Eis geduldig Eure Wagen gezogen haben, wo steht das Denkmal der endlosen Trecks der Vertreibung mit ihren Millionen Toten an den Wegrändern?“. Zehn Jahre später, „40 Jahre danach“ (HGr 94, S. 2), resignierte Hoffmann: „40 Jahre haben einen Mantel des Vergessens über die Dinge gedeckt, doch in vielen Älteren lebt noch die Not dieser Zeit.“ Hatte Ernst Hoffmann den Ersten Weltkrieg als Kind erlebt, so Konrad v. Tempelhoff (1934-1999) entscheidende Jahre im Zweiten Weltkrieg. Als er im März 1995, fünfzig Jahre nach dem Kriegsende, in Meseritz über den „Stein der Aussöhnung“ schrieb (HGr 132, S. 2), stand, vor 1990 undenkbar, seit einem Dreivierteljahr der Gedenkstein auf dem Friedhof in Meseritz. Der Heimatkreisvorsitzende erwähnt das Schicksal der polnischen Bevölkerung unter der NS-Herrschaft wie auch die „falsche Minderheitenpolitik Polens nach 1918“, kritisiert polnische Darstellungen der „Abreise“ der Deutschen 1945, bat aber auch um Nachsicht für die in Deutschland und Polen nach 1945 geborenen Generationen. Er plädierte dafür, dass „wir, Deutsche und Polen ... uns zukünftig mehr respektieren, wir uns mehr mit der Zukunft, als mit der zurückliegenden Zeit beschäftigen und nicht um eine unselige Vergangenheit rechten“. Leonhard v. Kalckreuth (1930-2017) gehörte wie v. Tempelhoff zu den letzten Jahrgängen der „Erlebnisgeneration“. Er trat für eine in der Praxis sehr anstrengende beide Seiten fordernde Ehrlichkeit im Umgang mit der Geschichte ein und förderte diese durch seine aktiven Kontakte. Die oft geforderte „gemeinsame Geschichte“ ist stets auch Konfliktgeschichte. Die aktuelle Geschichtspolitik der Mehrheitspartei im polnischen Sejm scheint derzeit den fachlichen Dialog zwischen deutschen und polnischen Historikern auszubremsen. Auf der lokalen Ebene hemmt eher die fehlende Sprachkompetenz der interessierten deutschen Seite das eigentlich notwendige Gespräch. Am 8. Mai 1945 waren im Kreis Meseritz alle Entscheidungen seit Wochen gefallen. Der Kampf um Berlin, 120 Kilometer weiter westlich, war zu Ende. Durch die Flüchtlingsschicksale infolge der postjugoslawischen Kriege sensibilisiert, hat die deutsche Presse zum 8. Mai 1995 versucht, dem Schicksal der deutschen Ostvertriebenen gerecht zu werden. 75 Jahre, drei Generationen nach Kriegsende, geht es 2020 nicht mehr darum, Schuld abzuwehren, sie zuzuweisen oder die eigene Nation oder sich selbst zu rechtfertigen. Im strafrechtlichen Sinne 1945 Schuldige von beiden Seiten kann man nicht mehr zur Rechenschaft ziehen. Heute geht es darum zu verstehen, was warum und wie geschehen ist, um Katastrophen wie die des Jahres 1945 zu vermeiden und Europa zu festigen. Die Regional- und die Lokalgeschichte haben dabei eine besondere Bedeutung, beginnt Europa doch in den lokalen Zusammenhängen. Der 8. Mai 1945 war für die Mehrheit der Deutschen ein Tag der Niederlage und der Befreiung, für das polnische Volk das Ende von Besatzung und nationaler Unterdrückung. Für die „Neusiedler“ im Lebuser Land bedeutete die Teilhabe am Sieg zur selben Zeit die als „Übersiedlung“ geschönte Vertreibung aus ihrer Heimat, den Ostgebieten Polens, und Gebietsverluste. Auch wenn die aktuelle Pandemie das am Datum des 8. Mai 1945 festzumachende Gedenken in den Hintergrund treten lässt, bleibt die europäische Zukunftsaufgabe, gerade problematische Vergangenheiten nach Möglichkeit gemeinsam aufzuarbeiten. Geschichtsvergessenheit ist zukunftsschädlich. |