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Ein Loblied auf Grunzig/Gorunsko Text: Pawel Znamirowski (Warschau), Übersetzung: Wanda Gladisch Fotos: Archiv Heimatgruß Ich wurde 1963 geboren und sowohl meine Großeltern als auch meine Eltern wurden nach dem Krieg nach Grunzig (pol. Gorunsko) repatriiert. (Anmerkung der Übersetzerin: Aus den ehemals polnischen Ostgebieten nach Grunzig umgesiedelt.) Als Kind zog ich mit meinen Eltern nach Miedzyrzecz/Meseritz, aber mein geliebtes Grunzig blieb immer in meinem Herzen. Wann es mir nur möglich war, besuchte ich es und war immer bewegt, selbst jetzt noch, obwohl ich bereits seit 30 Jahren in Warschau lebe. Dieser Ort und seine Umgebung haben etwas Magisches an sich. Stets fehlten mir die Möglichkeiten, mehr zur Geschichte „meines“ Dorfes zu erfahren. Bekannt waren nur die Fakten von internationaler Bedeutung: das Datum der sowjetischen Offensive oder die Eroberung größerer Städte. Es fehlten die Details und die Zeitzeugenberichte, wie es wirklich war. Insbesondere von der anderen, der deutschen Seite. Zum Glück ändert sich das jetzt, schade nur, dass dies so spät geschieht. Bestimmt sind viele wertvolle Informationen gemeinsam mit den Zeitzeugen gestorben. Aber manchmal trägt ein Detail, eine Kleinigkeit, ein einzelner Name viel zum Gesamtbild jener Zeit und jenes Ortes bei. Ein Beispiel dafür sind die Erinnerungen von Frau Hilde Bischoff/Wagner, geb. Zerbe, aus jenen tragischen Tagen (s. HGr 229/Juni2019, S. 35-39). Dank ihnen gelang es mir, den Namen und das Schicksal eines Mannes, ihres Vaters, zu erfahren, von dem ich aus den Erzählungen meiner Großmutter hörte. Meine Großmutter Maria Korczak erzählte oft, wie ihr Leben nach der Ankunft in Grunzig aussah.
Zweimal half sie Deutschen in Not: Einmal lieh sie der Familie Scharlemann einen Sack Getreide, als diese nach der Zwangsabgabe nichts mehr zur Herstellung von Mehl für ihr eigenes Brot übrighatte. Ein anderes Mal erfuhr sie nach der Vertreibung der Deutschen, dass ein alter Mann in einem der Häuser zurückgeblieben war und dort völlig ohne Essen ausharrte. Im eigenen Leben mit der Not und dem Kriegsleid erfahren, sie selbst eine Witwe mit fünf Kindern, brachte sie ihm unaufgefordert und selbstlos einen Laib Brot und etwas geräucherten Speck. Sie sagte, dass dies alles ohne ein einziges Wort zu sprechen ablief, weil sie beide die Sprache des anderen nicht sprachen. Der alte Mann küsste ihr zum Dank die Hand. Einige Zeit später wurde er von der polnischen Armee in eine unbekannte Richtung weggebracht. Mehr als 50 Jahre nach dieser Geschichte fand ich Hildes ins Polnische übersetzte Memoiren, aus denen hervorging, dass dieser alte Mann ihr Vater, Max Zerbe, war. Er hat es glücklich zu seiner Tochter und seinen Enkelinnen nach Deutschland geschafft und lebte dort friedlich noch weitere zwei Jahre. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr persönliche Erinnerungen, manchmal auch zufällige Berichte, es wert sind, verbreitet zu werden und wie viele solcher Fragmente, kleinen Krümeln gleich, zum Aufbau einer vollständigen Geschichte eines Ortes und eines Volkes beitragen. Deshalb, liebe Grunziger, schreibt, wenn Ihr könnt, über Eure Erlebnisse, wo ihr gelebt habt, wer eure Nachbarn waren, wie Euer Leben war, und Ihr werdet auch in Polen dankbare Leser finden. Lasst Eure Geschichte weiterleben! Herzliche Grüße an alle, denen Grunzig am Herzen liegt ... Pawel Znamirowski, Warschau |