Erinnerung an unsere Mutter
Charlotte Felske

von Erika Wiedfeld (Text u. Fotos)


Unsere Mutter Charlotte Luise Ruth Felske, geborene Kärger wurde am 27.1.1915 in Kupferhammer geboren und starb am 25.7.2005 in Berlin. Ihr Vater war Oskar Erdmann, geboren am 23.12.1875, gestorben am 14.2.1963. Ihre Mutter war Hulda Adelheid, geborene Flöter, geboren am 8.6.1887, gestorben am 27.11.1965. Beide wurden in Lubenhauland geboren und wuchsen dort auf.
Nach der Heirat zogen sie nach Kupferhammer, dort kam Charlotte am 27.1.1915 und ihr Bruder Hans am 9.10.1920 zur Welt und wurden in der damals evangelischen Kirche getauft. Der Taufstein ist noch im Original erhalten.
Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Eltern für eine Option für Deutschland und zogen nach Altenhof. Zur Schule mussten Charlotte und Hans nach Lagowitz gehen, denn Altenhof nahm nur katholische Schüler auf.

Nach dem 18. Geburtstag ging Charlotte nach Meseritz und nahm die Stelle bei der jungen Familie von Tempelhof an und wurde das Kindermädchen des damals neugeborenen Konrad.
Im Café Reichert beim Tanz lernte Charlotte ihren späteren Mann Emil kennen. Emil Felske, geboren am 17.8.1910 und 1943 vermisst in Russland, genau dort, wo jetzt wieder Kämpfe stattfinden. Emil war in Meseritz zum Arbeitsdienst, und nach dem Ende seiner Dienstzeit nahm er Charlotte mit nach Berlin, und sie heirateten am 26.3.1936.

Die erste Tochter Christa kam am 11.3.1937, die zweite Ingrid am 10.5.1938 und die dritte Tochter Erika am 10.2.1940. Da war schon der Zweite Weltkrieg und Emil im Kriegsgeschehen. Er kam nur, wenn er Fronturlaub bekam. Charlotte war nun eine alleinerziehende Mutter mit 3 kleinen Kindern.

1943, als die ersten Bomben auf Berlin fielen, bekam Emil Fronturlaub und brachte seine Frau und die Kinder zu seiner Schwiegermutter nach Altenhof. Das waren in dieser Zeit unsere schönsten Jahre. Christa durfte dort zur Schule gehen, Ingrid und Erika gingen in den Kindergarten.

Erinnerung an unsere Mutter 
Charlotte Felske
Emil Felske (1935) und Charlotte Felske (1934)


1945 im Januar bekam Erika eine Drüsenvereiterung und musste im Krankenhaus operiert werden. Charlotte war sehr unruhig und fuhr auf dem Rad mit Anhänger nach Meseritz und holte Erika, die 4 Jahre alt war, nach Hause. 2 Tage später, am 27.1. und an Charlotte’s 30. Geburtstag, kamen die ersten Panzer nach Altenhof. Wir lagen hinter Federbetten und Kissen auf dem Boden und Erika weiß noch heute, wie sich Zähneklappern anhört.
Eigentlich hatten Charlotte und Hulda auch an eine Flucht gedacht, aber der Bauer, der uns mitnehmen wollte oder sollte, war schon weg. So sind wir geblieben, mussten die Invasion der Russen, die sich auch in unserem Haus einquartierten, ertragen.
Der erste russische Offizier hatte es auf Charlotte abgesehen. Zum Glück kam ein ranghöherer Offizier, der nett war und von seiner Familie in Moskau erzählte, seiner Frau und ebenfalls 3 Töchtern, zu uns.

Erinnerung an unsere Mutter 
Charlotte Felske
Charlotte und ihre dre Mädels


Erinnerung an unsere Mutter 
Charlotte Felske
Charlottes 90. Geburtstag am 27.1.2005
Dann kamen die polnischen Flüchtlinge, auch sie hatten ihre Heimat verloren. Sie machten uns das Leben nun nicht leichter. Am 25. Juni wurden wir aufgefordert, binnen einer halben Stunde uns vor der Kirche zu versammeln, und es ging dann auf einem Leiterwagen raus aus Altenhof, ja wohin? Nach kurzer Wegstrecke brach eine Achse und nun waren wir zu Fuß unterwegs in Richtung Oder, nach Berlin. Nachts schliefen wir in verlassenen Häusern, in Scheunen oder Ställen. Charlotte erkrankte schwer, hohes Fieber. Hulda organisierte eine Dreiradkarre und karrte nun ihre Tochter der für sie neuen Heimat entgegen.

Von Emil haben wir seit November 1943 keine Nachricht mehr. Charlotte stellte beim Roten Kreuz einen Suchantrag. 1950 bekam Charlotte die Nachricht, dass es bei einem besonders starken Feuergefecht im November 1943 bei Uborck kaum Überlebende gab. 1950 wurde Emil für tot erklärt. Das Leben musste nun weitergehen.
Hulda trennte und nähte, drehte und wendete alles Mögliche. Charlotte ging Äpfel pflücken, strickte nachts Pullover für ein Geschäft und organisierte unser Leben. Die 3 Mädels machten keinen Kummer und waren in der Schule fleißig.

3 Konfirmationen, 3 Hochzeiten richtete Charlotte mithilfe ihrer Mutter Hulda aus, trotz wenigen Geldes.
Der Lohn waren 6 Enkelkinder und 8 Urenkel, die sie alle liebten. Anfang der 50er bekam Oskar den Zuzug nach Berlin und in der nun größeren neuen Wohnung konnten wir ein richtiges Familienleben erleben. Oskar wurde 88 Jahre alt, Hulda haderte damit, ihre geliebte Heimat verloren zu haben und starb 1964 an Magenkrebs.
Charlotte wurde 90 Jahre alt.