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Die Obra - ein Nebenfluß der Warthe
von Herybert Schulz - Dipl. Ing. Wasserbau
In der Vereinspublikation Heimatgruß las ich eine Aussage, die mich aufhorchen liess! Nämlich daß in der Vergangenheit sehr wenig über den Wasserlauf der Obra, die ja für den Kreis Meseritz eine gewisse Bedeutung hatte, geschrieben wurde.
Als einer der letzten Zeitzeugen möchte ich diese Lücke schließen. War doch die Obra mit ihren einmündenden Bächen und Gräben zu Anfang des 20. Jahrhunderts der Brötchengeber meiner Vorfahren.
Gründung des Tiefbauunternehmens Schulz Mein Großvater Paul Schulz gründete zu diesem Zeitpunkt in Politzig ein kleines Tiefbauunternehmen.
Wie kam es dazu?
Als Sohn eines Schäfermeisters in Annahof bei Betsche aufgewachsen sollte auch der Großvater diesen Beruf ausüben. Während der Lehrzeit konnte man beim Hüten auch öfter ein Buch lesen. Der Opa konnte damit seine Langeweile vertreiben. So kam er eines Tages in den Besitz von Fachliteratur über Entwässerungen von Acker- und Grünlandflächen. Vernäßte Flächen waren auch an der Obra ausreichend vorhanden.
Im weiteren Verlauf kam es dann so weit, daß sich Opa nach Absprache mit seinem Arbeitgeber Graf zu Dohna an die praktische Ausführung auf einer kleinen Fläche Grünland machte.
Es handelte sich hierbei um die Verlegung einer Faschinen-Dränage. Die notwendigen Materialien wurden aus dem eigenen Wald gewonnen. Faschinen waren hier also der Ersatz für Dränagerohre.
Faschinen bestehen in der Regel aus jungen Nadelhölzern, die bei der Auslichtung von Schonungen anfallen. Die einzelnen Bäume werden zu Bunden mit einer Länge zu 4 Metern zusammengepreßt. Dieses Material findet hauptsächlich zur Uferbefestigung an Gewässern Verwendung. Auf der drainierten Fläche zeichnete sich nach einem Jahr ein gewisser Erfolg ab. Die minderwertigen sauren Gräser wurden durch wertvollere ersetzt. Die Arbeit hatte sich gelohnt. Weitere Versuche brachten ihren Nutzen. Der Großvater hatte daran seine Freude und legte den Schäferstab in die Hände seines Nachfolgers. Mit drei bis fünf Leuten beschäftigte sich von da an Opa mit Entwässerungsarbeiten im Bereich der Obra. Die Firmengründung mit Sitz in Politzig, wo Opa durch die Heirat ansäßig wurde, war besiegelt. Es brach der 1. Weltkrieg aus und der Betrieb ruhte.
Nach dem Krieg und seinen Folgen - speziell im Grenzgebiet unserer Heimat - konnte die Arbeit wieder aufgenommen werden. Die Zeit der Inflation brachte etliche Schwierigkeiten mit sich. Es ging jedoch immer weiter. Im weiteren Verlauf gesellte sich Herr Schöler als Teilhaber dazu. Die Firma trug nun den Namen Tiefbauunternehmen Schulz und Schöler mit Sitz in Meseritz.
Etwa 1926 begann das größere Bauvorhaben: Regulierung der Obra von Politzig bis etwa zur Straßenbrücke Betsche-Tirschtiegel und oberhalb Tirschtiegels bis zum Mühlensee, 30 bis 40 Arbeitskräfte hatten hier Arbeit. Der Betrieb wuchs von Jahr zu Jahr. Herr Schöler setzte sich nach etwa sechs Jahren wieder ab. Die Söhne Friedrich und Georg traten zur Zufriedenheit des Vaters in seine Fußspuren. Es mußten immer mehr Leute eingestellt werden, um die Aufträge zu erfüllen. Erste Instandhaltungsarbeiten an den Eisenbahnstrecken der Bahnmeisterei Meseritz setzten die Bildung einer Gleisbaukolonne voraus. Weiterhin präsent war der Straßenbau und die Kanalisation in Meseritz.
Für die laufende Instandhaltung der Obra wie Krautung, Uferbefestigungen und Holzungsarbeiten waren das ganze Jahr über Kräfte im Einsatz. Nach Bedarf wurden auf dem Lagerplatz in Politzig auch Betonelemente wie Durchlaßrohre und Brunnenringe hergestellt.
Im Herbst 1938 gab Opa altershalber den Betrieb an seine beiden Söhne ab. Auch während des Krieges lief der Betrieb weiter. Bis dann durch Flucht und Vertreibung im Januar bzw. Juni 1945 schlagartig Feierabend geboten wurde.
Neubeginn westlich der Oder
Nachdem sich unsere Familie nach dem Krieg in Neu Krüssow in der Prignitz etabliert hatte, waren wir bei Frau Reibe in Brot und Lohn. Frau Reibe hatte eine Landwirtschaft von 45 ha. Arbeit war also ausreichend vorhanden. Allmählich ordneten sich die Verhältnisse und mein Vater sowie Onkel Georg wollten sich wieder selbständig machen. Onkel Georg mit seiner Familie wohnte 7 km entfernt von uns in Bölzke und war auch in der Landwirtschaft tätig. Ende Mai 1947 wurde der Antrag genehmigt und so konnten wir am 1. Juli 1947 als Tiefbauunternehmen Friedrich und Georg Schulz Neu Krüssow die Arbeit beginnen. Unsere Hauptauftraggeber waren die Wiesenbauämter, später die Wasserwirtschaftsdirektionen und Kommunen. Ab 1.10.1947 war ich dann als Lehrling, Vorarbeiter und später als Hilfsschachtarbeiter tätig. Onkel Georg schied 1953 krankheitsbedingt aus. Auf Anweisung von Partei und Regierung der DDR wurde der Familienbetrieb Schulz bei voller Auftragslage am 1.10.1958 zum VEB(K) Tiefbau Pritzwalk umfunktioniert. Mit uns gingen noch zwei weitere Firmen diesen Weg. Mein Vater fand Anstellung als Technischer Leiter und ich als Bauleiter. An der Bauschule Blankenburg absolvierte ich die Meisterschule. Bis zum Rentenalter meines Vaters war ich dann noch im Tiefbau Pritzwalk tätig.
Mein neuer Brötchengeber wurde dann die Wasserwirtschaftsdirektion Magdeburg. Hier habe ich mich dann nach 7 Jahren Fernstudium zum Dipl.Ing. qualifiziert. Im Bereich der Mittleren Elbe, Sude-Elde, war ich bis 1993 als Inspektor der Staatlichen Gewässeraufsicht tätig. Nach der Auflösung der WWD Potsdam wurde ich vom Landkreis Prignitz übernommen und konnte dort sogar noch 1/2 Jahr über mein Rentenalter hinaus in der unteren Wasserbehörde arbeiten.
In den genau 49 Jahren meiner Tätigkeit hier in der Prignitz führte ich meinen Traumberuf mit Hingabe aus. Während unserer Zusammenkünfte innerhalb der Familie kamen wir aber immer wieder auf die Obra zu sprechen.
Die Obra - geographische Lage
Die Obra ist ein linker Nebenfluß der Warthe. Das Quellgebiet befindet sich im Raum Jarocin auf einem Gelände von 80 bis 90 m ü. NN. Fließe und Bäche vereinigen sich hier im weiteren Verlauf zur Obra.
Auf einer mir vorliegenden Karte ist die Obra erst ab der Ortschaft Slawa/ Schlawa ein zusammenhängendes Gewässer. Bereits im oberen Quellbereich wird ein Teil des Oberflächenwassers der Obra direkt zur Oder abgeleitet, der bei Gorzykowo/ Oberweinberge mündet.
Die gesamte Länge der Obra wird mit 253 km angegeben.
Auf einem Höhenniveau von ca. 30m ü. NN mündet sie schließlich bei Skwierzyna/ Schwerin in die Warthe. Aus den angegebenen Höhen ist ersichtlich, daß der Fluß ein geringes Gefälle aufweist. Zur allgemeinen Übersicht habe ich eine Stationierung vorgenommen, diese ist jedoch nur als grobe Übersicht zu werten:
Quellgebiet bis Ortschaft Slawa |
120 km |
Slawa bis Fernstraße E 32 |
29 km |
E 32 bis Eisenbahn Frankf.-Posen |
21 km |
Eisenbahn bis Einlauf Naßlettel-See |
6 km |
Naßlettel bis Ortslage Solben |
28 km |
Solben bis Brücke Obergörzig |
20 km |
Obergörzig bis Kreisgrenze Meseritz |
7 km |
Kreisgrenze bis Mündung Warthe |
22 km |
Gesamt |
253 km |
Naturgemäß ist die Obra ein Bindeglied im Wasserkreislauf der Erde. Der Fluß nimmt das Überschußwasser seines Einzugsgebietes auf und führt es im weiteren Verlauf zum Meer ab, wo es erneut in den Kreislauf aufgenommen wird.
Jedes Oberflächengewässer hat ein eigenes Einzugsgebiet. Die jeweiligen Einzugsgebiete werden durch Wasserscheiden getrennt, die sich also immer auf Höhenlagen befinden. Das Einzugsgebiet der Obra ist auf Grund seiner territorialen Lage (Nähe zur Warthe und auch zum Einzugsgebiet der Oder) im Verhältnis zur Länge sehr gering. Nach grober Schätzung kann von einer Einzugsgebietsgröße von ca. 800 bis 850 qkm ausgegangen werden. Vergleichsweise zwei Zahlen zum Einzugsgebiet der Elbe: Länge vom Riesengebirge bis zur Mündung in die Nordsee 1.091 km, Einzugsgebietsgröße 148.268 qkm.
Im Allgemeinen ist der Wasserlauf noch in seinem Urzustand erhalten. Regulierungsvorhaben sind im Kreis Meseritz zwischen Tirschtiegel und Politzig sowie im Raum Solben-Meseritz erfolgt. Diese Maßnahme diente in erster Linie der Verbesserung landwirtschaftlicher Nutzflächen.
Das schwache Gefälle der Obra und die kurvenreiche Linienführung führt bei höheren Wasserständen zur Ausuferung. Starke Niederschläge ziehen immer eine Überschwemmung nach sich. Das schwache Gefälle hat natürlich, wasserbaulich gesehen, auch seine Vorteile: Ufer und Sohle des Wasserlaufes werden von Ausspülungen und Geschiebe verschont.
Die günstigen Fließbedingungen auf der gesamten Strecke der Obra sind natürlich für die Sport- und Freizeitnutzung sehr günstig. Eine Paddeltour ist stromaufwärts durchaus machbar. Die durchflossenen Seen mit den unbebauten Ufern, den bestockten Waldungen, den seltenen Pflanzen- und Tierarten fordern den Wassertourismus förmlich heraus.
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