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Schloß
Charcice
Begleittext des Verlags Alexander Duncker und Nachschrift
Das Rittergut Charcice liegt in einer sehr freundlichen Gegend, zwischen dem Städtchen Zirke und Wronke, 1/8 Meile von der Chaussee, die von Birnbaum zur Eisenbahnstation Wronke führt, welch letztere vom Gute 2 Meilen entfernt liegt. Das Rittergut war im 17. Jhh. im Besitz einer Familie von Radomitzki (welche nicht mehr existiert), im Jahre 1699 ging es an die Familie von Kurnatowski-Bityna und 1760 an von Kurnatowski-Pozazowo käuflich über, welcher es im Jahre 1789 seiner Tochter Johanna Theophila als Mitgift überließ, als dieselbe sich mit Seraphin Franz Szeliger von Zychlin-Zychlinski verheiratete; später erbte es Adolph von Zychlin-Zychlinski, ein Sohn aus oben erwähnter Ehe, verkaufte 1839 dasselbe an Benedictus Antonius Grafen v. Lüttichau, der es in demselben Jahr dem derzeitigen Besitzer, Landschaftsrat Otto von Sander, käuflich überließ.
Das Gut umfaßt mit den Vorwerken Jablonowo und Dreibuchenkrug ein Areal von 3.100 Magdeburger Morgen; die Bodengattung ist vorherrschend Gerstland, auch hat das Gut ein sehr günstiges Wiesenverhältnis.
Das nicht sehr große aber nette Schlößchen, welches von dem derzeitigen Besitzer durch An- und Umbau bequem und hübsch hergerichtet ist, liegt sehr anmutig mitten im Park auf einem Hügel, dessen eine Seite eine starke Abdachung nach einem freundlich gelegenen See hat, und einen pittoresken Anblick gewährt. Die Wirtschaftsgebäude sind fast alle neu und massiv aufgeführt, ebenso ist in der Jetztzeit das ganze Gut durch Meliorationen aller Art in einen guten Zustand versetzt worden.
Nach dem Tode des kinderlosen Otto von Sander erbte sein Neffe Otto von Hantelmann Charcice Anfang des 20. Jhs.. Kurz vor dem 1. Weltkrieg konnte er noch das Gut Izdebno kaufen. Dieses stellte die Verbindung zwischen Charcice und dem dazugehörenden Wald an der Warthe her. Damit umfaßte dieser Besitz eine Gesamtfläche von 1.222 ha, mit einer Nutzfläche von 728 ha. 400 ha entfielen auf den Wald und etwa 100 ha auf die verschiedenen Wasserflächen, die besonders in Verbindung mit dem Wald die reizvollsten Landschaftsbilder schufen.
Für den Anbau von Rüben und Gerste waren die Bodenverhältnisse von Charcice zu schwach. Es gab dort aber eine Kartoffelbrennerei, die bei dem dortigen leichten Boden die Voraussetzung für einen starken Kartoffelanbau sowie die Futtergrundlage für die Viehhaltung schuf. Vollbahnstation war Ryzyn, 3 km entfernt, an der Strecke Zirke-Samter. Der Charcicer Wald stockte hauptsächlich auf den sandigen Dünen der Warthe und bestand aus nicht sehr wüchsigen Kieferbeständen, die in den Jahren 1923-26 dem Forleulenfraß zum Opfer fielen und bis auf die jüngsten Altersklassen neu aufgeforstet werden mußten. Im Zuge dieser Waldveränderungen hatte sich Rotwild als Standwild eingefunden.
Das Wohngebäude in Charcice war schloßähnlich, mit Turm und großem Saal, einem angebauten Wintergarten und recht geeignet für gesellschaftliche Veranstaltungen, wenn die Familie im Sommer dort einige Wochen wohnte.
Von 1922 an wurde Otto von Hantelmann bei der Bewirtschaftung durch seinen ältesten Sohn Georg entlastet und nach dessen Tod durch seinen zweiten Sohn Rudolf. Dieser Sohn war dem Vater auch eine große Hilfe, als kurz vor dem 2. Weltkrieg viele Verhandlungen nötig waren, die durch die polnische Bodenreform verursacht wurden. Charcice und Izdebno gingen an den polnischen Staat, in der Hoffnung, andere Hantelmann'sche Güter zu erhalten.
Ob und wie lange Charcice nach 1945 landwirtschaftlich genutzt wurde, ist nicht bekannt. Das Schloß wurde Heim für bedürftige und kranke Menschen, die später in einen, im Schloßpark errichteten, Plattenbau umquartiert wurden. Das Schloß ist seitdem dem Verfall ausgesetzt, der Park völlig verwildert.
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