|
|
Die Ost-Wanderung der Glasmacher
Dr. Martin Sprungala
Das Gewerbe der Glasherstellung ist uralt. Die älteste
bekannte Glashütte wurde in Ägypten gefunden und
wird auf das 13. Jahrhundert vor Christus datiert.
Da für die Glasproduktion viel Holz benötigt wurde,
zum einen zum Beheizen der Öfen, zum anderen
für die Herstellung der notwendigen Pottasche (Kaliumkarbonat)
aus der Holzasche, wurden Glashütten in
gesonderten abseits der Ortschaften gelegenen Siedlungen
angelegt, denn die Brandgefahr für die Dörfer
wäre zu groß gewesen.
Im Mittelalter entstanden vor allem in waldreichen
Gebieten sogenannte Waldglashütten, die somit nahe
dem wichtigen Rohstoff angelegt wurden. War ein Gebiet
abgeholzt, zogen die Hütten weiter und mit ihnen
die Fachleute. Erst seit dem 17. Jahrhundert wurden
die Glashütten durch die Umstellung auf Koks u. a.
Feuerungsmitteln nach und nach seßhaft.
Der waldreiche Teil des Posener Landes wurde
erst sehr spät erschlossen und wie so oft in seiner Geschichte
kamen die Protagonisten des Fortschritts aus
dem Westen. Ein Beispiel hierfür ist der Ort Kolzig
(Kolsko, Kr. Grünberg) mit seinen Glasmachern, direkt
an der schlesisch-polnischen Grenze mit seinen reichen
Waldgebieten gelegen.
Im 17. Jahrhundert versuchte man diesen Wald
südlich des Obrabruchs zu nutzen. So wurde der Ort
Ruden (Rudno, Kr. Bomst) zur Eisenproduktionsstätte
durch die Verarbeitung von Raseneisenstein und es entstand
direkt am Grenzflüßchen, der Faulen Obra, eine
Glashütte auf Kolziger Gebiet, die heute den Namen
„Tartarki“ trägt, also auf Deutsch „Sägewerk“ heißt.
Die Ansiedlung einer Glashütte entstand als Folge
des Wiederaufbaus der im Siebenjährigen Krieg
(1756-63) durch Russen zerstörten niederschlesischen
Gutsherrschaft Kolzig.
Der neue Besitzer Ernst Wilhelm Graf von Schlabrendorf
(1719-1769), leitender Minister der Provinz Schlesien,
hatte einen groß angelegten Plan erstellen lassen, der
aber angesichts seines bald erfolgten Todes nur noch
sehr halbherzig umgesetzt wurde. Hierzu gehörte auch
die Errichtung einer Glashütte.
Die Initiative zur Verwertung dieser Bodenschätze reicht bereits in die Zeit des Grundherren Johann Rudolf v. Gersdorff zurück. Der Stettiner Kaufmann Nofock hatte bei ihm Eichen- und Kiefernholz erworben. Doch man stellte bald fest, daß dieses Holz nur als Brennholz geeignet war. Da es aber in der Region reichlich Quarzsand gab, kam er auf die Idee, eine Glasfabrikation hier einzurichten. Die Erlaubnis hierzu muß um 1763/64 erfolgt sein. Hergestellt wurden vor allem grüne Flaschen mit der Prägung „Koltzig“. Seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Glaserfamilie Mittelstädt aus Holstein und Mecklenburg auch im Domänenamt Königsholland in Vorpommern tätig. Der Siebenjährige Krieg und vor allem der Mangel an Holz führten zur Schließung dieser Hütte und zwangen den Sohn Gottfried Mittelstädt jr. aus Rothemühl (bei Torgelow) abzuwandern. Die Familie lebte seither in Kolzig. Gottfrieds Söhne Johann Friedrich (✝ 1828) und Carl Heinrich (✝ 1845) waren hier Pächter von Glashütten.
In der Hütte der Familie Mittelstaedt arbeiten die
Glasmacher Gebel, Gundlach, Krüger und Berner, von
denen aus der Familienforschung die Herkunft bekannt
ist. Sie stammten aus dem hessischen Almerode, dem
Kaufunger Wald und aus Kreibitz (Chøibská, Nordböhmen)
und Lauscha in Thüringen und zogen über
Schleswig-Holstein nach Mecklenburg, weiter nach
Pommern und ins Posener Grenzgebiet. Einige von ihnen
folgten der Wanderung der Familie Mittelstaedt.
Die letzten Jahre bis zum Tod des Vaters hatte
Johann Friedrichs Sohn, Carl Gottlob Adolph Mittelstädt
(*1799), die Hütte gepachtet. Im Jahr 1832 wechselte
er nach Alexandrowo (Aleksandrowo, Kr. Birnbaum),
dessen Glashütte er bereits seit 1824 in Pacht hatte.
1839 kauft er sie und baut später seinen Gutsbesitz
im nahen Popowo aus, den er später nach seinem
Vornamen in Carlshof umbenennt. 1845 gründet
er hier eine zweite Glashütte.
Die von Dr. Hans-Heinrich Mittelstaedt/
Georgenborn verfaßte Familienchronik „Geschichte der
Familie Mittelstaedt/ Glashüttenstamm oder Haus
Kolzig“ (208 S.) nennt ihn einen „erfolgreichen, wohlhabenden
Hüttenherrn, dessen Betriebe hinsichtlich ihrer
Jahresumsätze weit an der Spitze aller übrigen Posener
Glashüten standen“. Der Vertrieb über die nahe Warthe spielte hierbei sicherlich eine Rolle. Die Glasgefäße trugen ein Zeichen der Freimaurer, denen der Hüttenbesitzer angehörte. Als dritte Hütte hatte Carl Mittelstaedt seit 1827 (bis 1857) auch die Ludwigshütte (Ludwików, auch Ludwigshof, Kr. Adelnau) vom Fürsten Radziwi (Teil der Herrschaft Przygodzicka) gepachtet.
Carls Sohn Paul Robert Hugo Mittelstädt nahm 1855
die väterliche Hütte als Pächter, zog dann aber 1859
ebenfalls wie einst jener weiter und kauft das Gut Endruschen
(Kr. Darkehmen, Ostpreußen), wo er eine eigene
Glashütte aufbaut.
Ein weiteres Mitglied der Kolziger Familie, Johann Friedrich Wilhelm Mittelstaedt (1801-1869), besaß seit 1835 die Glashütte und das Gut Marianowo bei Zirke (auch Marienberg). Ihm folgte sein Sohn Emil Rudolph Oskar (*1837 Marianowo) nach, bis die Hütte aufgegeben und das Siedlungsgebiet aufgelassen wurde.
Posener Glashütte
Joachim Schmidt
Von den einstigen „Waldglashütten“ im Posener Land
sind wohl kaum noch Spuren zu finden. Wir Tirschtiegeler
Kinder kannten die Ortsbezeichnung Glashütte
und auch den Bahnhaltepunkt an der Strecke nach
Birnbaum, wußten aber nicht, daß die Ortbezeichnung
auf eine frühere Glasherstellung zurückzuführen ist. Im
Gegensatz zu Glashütte bei Lomnitz ist der ehemalige
Ort Glashütte im Tirschtiegeler Forst in neueren polnischen
Karten nicht mehr verzeichnet.
Spuren einer Glasherstellung in Posen fanden
sich in einem großelterlichen Keller bei Köln. Weckgläser,
hergestellt 1941 in der Posener-Glashütte, deren
Inhalt einst die Verpflegung auf dem Fluchtwagen
sicherten.
|
|