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Der Kaufmann Johann Jacob Volmer
Dieser Nachruf erschien am 17. Feb. 2018 online auf der Website »Zymia Miedzyrzecka" und wurde von Kazimierz Czulup erstellt. K.-L. Vollmar hat den polnischen Text mit freundlicher Genehmigung ins Deutsche übersetzt.
Johann Jacob (oder Jan Jakub) Volmer war Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer der bedeutendsten Einwohner von Meseritz. Er wurde gleichzeitig als Kaufmann, Unternehmer und Philanthrop berühmt. Sein Name war nicht nur in seiner Heimatstadt und in Großpolen bekannt, sondern auch in anderen Teilen des Polens/Litauens, in Preußen, Russland und weiter bis nach China.
Erst nach der zweiten Teilung Polens (1793)
war er ein treuer Untertan des preußischen Königs.
Er wurde sogar dem preußischen Monarchen
vorgestellt, als der im Oktober jenes Jahres
in Meseritz besuchte. Für den ersten Teil seines
langen Lebens (84 Jahre) war er ein treuer Untertan
des polnischen Königs. Er sprach polnisch
und war an den Reformen in Polen beteiligt. Am
23. Juli 1791 unterzeichnete er feierlich zusammen
mit dem Starosten von Meseritz - Antoni
Barnaba Jablonowski und 248 Bürgern - im Rathaus
das Verfassungsgesetz vom 3. Mai.
Familie
Die Familie Volmer lebte seit zwei Generationen
(richtig ist 5. Generation) in Meseritz. Sein Vater -
Christof Volmer - war ebenfalls Tuchmacher und
mehrere Amtszeiten lang Bürgermeister der Stadt
(1772-1795). J. J. Volmer war ein loyaler Untertan
des polnischen Königs (was preußische Politiker
nicht daran hinderte, ihn später als Vorbild eines
deutschen Unternehmers zu bezeichnen).
Bis 1793 war Meseritz die westlichste Stadt Polens/
Litauens. Danach kam es unter preußische
Herrschaft. Zu dieser Zeit hatte es etwa 3,5 Tausend
Bewohner. Ein Viertel von ihnen beschäftigte
sich mit dem Weben in über hundert Werkstätten.
In den Jahren 1793-1802 hat sich die Zahl der
Weber versiebenfacht. 1804 waren es 760.
Meseritz gehörte also zu den wichtigsten Tuchzentren
westlich von Posen. Weber, die in Heimwerkstätten
arbeiteten, verwendeten Rohstoffe,
die in nahe gelegenen Städten gekauft wurden,
u. a. in Grünberg, Züllichau, Schwiebus, Tirschtiegel,
Birnbaum, Zielenzig und Schwersenz. Das fertige Tuch wurde an russische Händler verkauft
(russische Fuhrleute warteten wochenlang auf die
bestellten Waren in der Nähe von Meseritz), die
sie nach Russland und sogar nach China exportierten.
Eine solche Kombination von Produktion
und Verkauf erforderte beträchtliche Handels- und
Organisationsfähigkeiten. J. J. Volmer war in dieser
Hinsicht führend. Er kaufte große Mengen an
rohen Tuchen und hielt seine Vertreter in einigen
Städten (z. B. in Schwiebus).
Das Tuch musste durch viele handwerkliche
Hände gehen wie Scherer, Spinner, Weber, Färber.
Volmer verkaufte es in Meseritz oder auf der
Messe in Frankfurt (Oder). Auf diese Weise gingen
seine Waren in die Republik Polen, nach
Moldawien, Litauen, in die Ukraine und tief nach
Russland und sogar nach China. Im Reich der
Mitte war das Meseritzer Tuch als „Meseritzko“
bekannt (dies war auch der Name des grün gefärbten
Tuches auf der Handwerkerausstellung in
Berlin im Jahr 1844). Es ging dort entlang der Straße,
die durch Sibirien führte, in die Stadt Kiachta
(Kachta), die sich südlich des Baikalsees an der
Grenze Russlands zur heutigen Mongolei befindet.
Hier haben chinesische Händler die Lieferung
abgeholt und geprüft, ob das Produkt mit einer
Volmer-Referenznummer - JJVM gekennzeichnet
war.
Im Gegenzug erhielten die Meseritzer Kaufleute
neben Geld auch Teelieferungen. Aber es war
Russland, das der beste und wichtigste Kunde für
die Tuchindustrie in Großpolen war. 1795 lieferte
J. J Volmer 20.000 Ballen für den Export nach
Russland, während die gesamte Tuchproduktion
im Bereich der Handwerkskammer Posen 113
Tausend Ballen betrug. Der Jahresumsatz seines
Unternehmens erreichte zu dieser Zeit 40-80 Tausend
Taler. Aufgrund seiner umfangreichen kommerziellen
Kontakte organisierte Volmer die gesamte
Produktion der Meseritzer Tuche. Der Umsatz
erreichte eine Million Taler. Dadurch hatte
Volmer eine besondere Stellung in der Stadt.
Dank ihr wurde er dem besuchenden preußischen
König Friedrich Wilhelm II. als ausgezeichneter
Fachmann und vertrauenswürdiger Ehemann,
als ruhiger und zuverlässiger Mann vorgestellt.
Er hatte auch Kontakte zu dem Diplomaten
des Hofes in Berlin, dem preußischen Gesandten
in Polen während des Großen Sejm, Girolamo
Lucchesini, dem der König Meseritz verpachtete.
Vielleicht bedeutete dies, neben guten Geschäften,
dass der Kaufmann von Meseritz ein loyaler
Untertan der preußischen Monarchie war und
dass die Niederlage im Krieg mit Napoleon im
Herbst 1806 ihn nicht wie viele andere Preußen
in Begeisterung versetzte. Wahrscheinlich nur
wegen der ungewissen Zukunft seiner Geschäfte.
Napoleon in Meseritz
Als wohlhabender Bürger musste er den „Kriegsgott“
selbst beherbergen - Napoleon Bonaparte,
der gerade von Berlin über Meseritz nach Posen
zog. Das komfortable zweistöckige Haus am
Marktplatz wurde vom kaiserlichen Hofminister
Caulaincourt ausgewählt. Er studierte die Sicherheitsbedingungen
des Kaisers sehr sorgfältig. Er
bat zum Beispiel darum, den Inhalt eines großen
Wandschranks zu überprüfen.
Die ersten französischen Truppen kamen am
1. November 1806 nach Meseritz, und am 26. November
traf Kaiser Napoleon Bonaparte selbst in
Begleitung von Marschall Berthier und seinem
Gefolge (zu dem auch der exotische Mamluk
Rustan gehörte) ein.
Nach dem Abendessen verkaufte J. J. Volmer
dem Gast 2.000 Ballen Tuche. Während Napoleons
Aufenthalt in Meseritz beschloss der preußische
Steuereinnehmer Friedrich Wilhelm
Sprengepiel, den verhassten Franzosen zu töten.
Er lieh sich eine Schrotflinte vom Maurermeister
Buttel und begab sich damit zum Rathaus-Turm,
etwa 15 Fuß von Volmers Haus entfernt, wo Bonaparte
feierte und die Nacht verbrachte. Das Attentat
fand jedoch nicht statt, da der preußische
Patriot das Vorhaben aufgab, als er die französischen
Offiziere sah, die den Kaiser umgaben.
Das Haus von Johann Jacob Volmer bis 1945
war es bekannt als Napoleon-Haus, da sich in
der Nacht vom 26. zum 27. November 1806 der
der
französische Kaiser Napoleon Bonaparte dort aufhielt.
Nach Napoleons Abreise von Meseritz nach
Posen zogen französische Truppen, die nach
Osten zogen, durch die Stadt. Eine Abteilung von
Oberst Target, der vom Kaiser zum Stadtkommandanten
ernannt wurde, blieb länger hier. Der
Oberst bezog Zimmer im zweiten Stock von
Volmers Mietshaus. Als Elsässer konnte er sehr
gut Deutsch, so daß er keine Probleme hatte, mit
den Gastgebern zu kommunizieren, insbesondere
mit dem nicht sehr geselligen Volmer. Dank dieser
Tatsache sowie des Taktes und der Freundlichkeit
bildete sich zwischen der Familie Target
und der Familie Volmer ein Band der Sympathie
und Freundschaft, insbesondere mit der Tochter
von Volmer, Anna, und seiner Frau Hanna Röstel.
Die Damen luden den Oberst zu Mittag- und
Abendessen ein, die bei Gesprächen bis spät in
die Nacht ausgedehnt wurden. Die guten Beziehungen
zwischen Target und den Volmers retteten
die Stadt vor sonst üblichen Vergewaltigungen
und Misshandlungen durch französische Soldaten,
die in den Häusern einquartiert waren. Die
Stadt überlebte also in relativer Ruhe bis zum
Kriegsende 1806/1807.
Am Ende des Krieges wurde mit dem zwischen
Napoleon und dem russischen Zaren Alexander
I. in Tylza (Tilsit) geschlossenen Friedensvertrag
das Herzogtum Warschau gebildet. Meseritz befand
sich ebenfalls innerhalb seiner Grenzen. Die
Geschäfte der örtlichen Tuchmacher, die mit Napoleons
Besuch so gut begonnen hatten, konnten
aufgrund des großen militärischen Bedarfs
weiter wachsen. Und obwohl es den Anschein
hatte, daß die goldene Zeit vor dem Ende des
Fürstentums bereits zu Ende ist, wurden die
Handelskontakte mit Russland aufrechterhalten,
die lokale Tuche lieferten und aus Preußen, Westfalen
und Frankreich importierten. Der größte Lieferant
war natürlich J. J. Volmer, der Mitglied des
auf der Grundlage des französischen Handelsgesetzbuches
gegründeten Handelsrates wurde.
Dieser sollte sich um die lokalen Kaufleute kümmern
und ihre Interessen zusammen mit dem Rat
von Leszno (Lissa) und Wschowa (Fraustadt) bei
den Behörden des Departments in Posen vertreten.
Jan Jakub Volmer wurde durch die Ernennung
des Präfekten des Departments auch Mitglied
des Stadtrats von Meseritz.
Nach der Auflösung des Herzogtums Warschau
im Jahr 1815 kehrte Meseritz nach Preußen zurück.
Hohe Zollgebühren trennten die Industrie der
Stadt vom Königreich Polen und Russland. Viele
großpolnische - und schlesische Tuchmacher wanderten
in das Königreich aus und schufen unter
anderem das Industriegebiet von Lodz.
Jan Jakub Volmer blieb in Meseritz. Er beteiligte
sich nicht mehr an der Arbeit der Stadtbehörden.
Als Moritz Adolph Heinrich Brown 1828
Bürgermeister war, fehlte in dem zehnköpfigen
Stadtrat der Nachname Volmer. Vielleicht wegen
seines Alters oder vielleicht war er kein so leidenschaftlicher
Anhänger der preußischen Macht in
der Stadt, und die Erinnerung an die napoleonische
Zeit beschädigte seine politische Karriere.
Wie auch immer, der Reichtum, den er zuvor angesammelt
hatte, erlaubte ihm, sich der Nächstenliebe
zu widmen.
1819 spendete er 6.000 Taler für den Bau eines
evangelischen Krankenhauses (erst 1853 erbaut).
Er unterstützte auch die Schule und die
evangelische Kirche, für die insgesamt 33.000
Taler gesammelt wurden. Dank der Volmer-Stiftung
und des Besitzers des Gutes in Pieske - August
Schroeder - wurde in diesem Dorf eine
Backsteinkirche gebaut.
Nach den Bränden in den Jahren 1824 und
1827 trat er der Kommission für den Wiederaufbau
öffentlicher Gebäude bei. Anstelle des obligatorischen
Beitrags von 150 Talern für alle Stadtbewohner
stellte er zu diesem Zweck über 3.000
Taler zur Verfügung. Er beeindruckte mit seiner
Selbstlosigkeit, die bei anderen reichen Leuten
selten ist.
Als „Vater der Armen“ bezeichnet, befahl er Berichten
zufolge, jeden Winter Brennholz an die
Türen der städtischen Armen zu bringen. Er gab
auch wie St. Johannis Weihnachtsgeschenke an
Bedürftige. In den letzten Jahren seines langen
Lebens zog er sich zurück und ließ sich auf seinem
Anwesen in Pieske nieder.
Jan Jakub Volmer starb am 21. Mai 1836
Er starb allein nach 83 Jahren, 8 Monaten und
7 Tagen. Die Beerdigung des Kaufmanns war ein
großes Ereignis für die gesamte Meseritzer Gemeinde.
Nicht nur die Tuchmacher bedauerten seinen Tod, sondern alle, denen er half und mit denen er in Kontakt gekommen war. Sein letzter Wille zeugt auch von seiner Grosszügigkeit. Volmer vermachte darin große Summen seiner geliebten Stadt:
-10.000 Taler für die Erhaltung der evangelischen
Kirche,
- 4000 zusätzlich zum Gehalt der Pastoren,
- 2000 für Pastorenwitwen,
- 6000 für das evangelische Krankenhaus,
- 2000 für höhere Gehälter für evangelikale Lehrer,
- 2000 für ein katholisches Krankenhaus,
- 4000 für die vorgenannte Kirche in Pieske,
- 2000 für die dortigen Pastoren,
- 1000 für höhere Gehälter für lokale Lehrer,
- 54.000 zur Unterstützung der Armen in Meseritz,
- 2000 für das jüdische Krankenhaus.
Insgesamt waren es 90.000 Taler, also ein sehr
großer Betrag zu dieser Zeit. Volmer wurde auf
dem örtlichen evangelischen Friedhof beigesetzt
und sein Denkmal wurde viele Jahre lang verehrt.
Historisches Gedächtnis
Die Bewohner von Meseritz behielten J. J. Volmer in sehr guter Erinnerung. Der deutsche Chronist Paul Becker bezeichnete ihn als Vorbild eines Unternehmers und großen Förderer des Handwerks in Meseritz.
Dank seiner Geschäftskontakte wurde der
Name der Stadt auch außerhalb Polens und sogar
in Europa bekannt. Der russische Kaufmann
Isakov war von Volmers Erfolg so beeindruckt, daß
er nach dem Vorbild seines Unternehmens 1832
im Gouvernement Tschernihiw eine Tuchfabrik
gründete und die nahe gelegene Siedlung
Mezerytz Nowe (Neu Meseritz) nannte.
Bis 1945 gab es an seinem Haus am Marktplatz
eine Gedenktafel, die an Napoleons Besuch
im Jahr 1806 erinnerte.
Ende Dezember 2012 rief die polnische Regionalzeitung „Gazeta Lubuska“ auf ihrer Internetseite für Meseritz und Umgebung ihre Leser auf, sich zu dem Vorschlag zu äußern, den Platz um das Meseritzer Rathaus nach dem Tuchgroßhändler Johann Jacob Volmer (1752 1836) zu benennen. Mit dieser Umfrage griff die Zeitung eine Anregung von Schülern des Meseritzer Gymnasiums Nr. 2 aus dem Jahre 2003 wieder auf. 2017 wurde der Vorschlag durch einen Beschluss der Stadtverwaltung Meseritz verwirklicht.
Ein Marktplatz für einen
Menschenfreund
Gymnasiasten haben dem Bürgermeister
vorgeschlagen, dass Johann Jacob Volmer
Namenspatron für den Markt werden sollte
einer der hervorragendsten Meseritzer in der
Geschichte der Stadt.
(Ausschnitt aus dem Internetartikel vom 3. März 2003)
In mehreren Artikeln informierte Redakteur
Dariusz Brobek über das Leben und Wirken des J.
J. Volmer und veröffentlichte Anfang Februar 2013
das Ergebnis der Umfrage: Von 627 Teilnehmern
an der Abstimmung unterstützten 61,6 % den Vorschlag,
26 % waren dagegen, 7,3 % an dem Thema
nicht interessiert, und 5.3 % hatten dazu keine
Meinung.
Wer war dieser Johann Jacob Volmer,
an den jetzige Meseritzer Bürger erinnern
wollen?
Johann Jacob Volmer entstammt einem der ältesten urkundlich nachgewiesenen bürgerlichen Geschlechter im Sternberger Land. Die älteste Urkunde für einen Vollmar, die sich zeitweise auch Volmar oder Vollmar schreiben, erteilt der Johanniterorden, dem große Teile des Sternberger Landes gehören, im Jahre 1497. Darin belehnt der in Sonnenburg residierende Herrenmeister Georg von Schlabrendorff einen Tewes Volmar mit einer Zeidelheide (Bienenweide) südlich von Zielenzig. 1560 wird dessen Sohn Baltzer Volmer mit dem Schulzenamt und Niedergericht zu Burschen belehnt, nach ihm auch alle seine erbberechtigten männlichen Nachkommen der folgenden sieben Generationen bis zur Enteignung des Ordensbesitzes durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1811. Danach bleibt die Wirtschaft als Lehngut bis 1945 weiter im Besitz der Familie Vollmar.
Mit dem Lehnbrief vom 18. April 1628 werden die noch unmündigen vier Söhne des verstorbenen Burschener Lehnschulzen Jacob Volmar gemeinsam belehnt:
„[...] bis Sie zu ihren Jahren kommen unnd einer Unter ihnen zum besitz des Lehenns gelanget, [...] “. „[...] . Nachdem Unser Schultz zue Burßenn Jacob Volmar mit Tode abgegangen, das wir seinen hinterlaßenen Unmündigen Söhnenn, Christof, Jacoben, Hansenn, und George Volmarnn gebrüdern und ihren Männlichen leibes Lehens Erbenn ...“
Ausschnitt aus dem Lehnbrief vom 18. April 1628
Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618
1648) übernimmt Christof, der älteste Sohn,
nach Erbvergleich mit seinen jüngeren Brüdern
das Schulzenamt in Burschen. Jacob, der 2. Sohn, wird Tuchmacher und lässt sich im nur zwei Meilen entfernten Meseritz nieder. Er begründet damit den Meseritzer Zweig der Familie Vollmar, die in den folgenden vier Generationen als Tuchmacher und Tuchhändler großen Anteil an der Entwicklung der Stadt zu einem Zentrum der Tuchmanufaktur und des Tuchhandels hat. Martin Christof Volmer (1727 1820), einen Urenkel des ersten Meseritzer Volmer, Ratsherr auf Lebenszeit, bestimmt der Starost von Meseritz in der Zeit von 1766 bis 1786 insgesamt elfmal für je ein halbes Jahr zum Bürgermeister. Johann Jacob Volmer ist der älteste Sohn des langjährigen Bürgermeisters.
Anläßlich seines 100. Todestages erinnert die Märkisch-Posener Zeitung in ihrer Ausgabe vom 30. Mai 1936 in einem mehrspaltigen Artikel an den verdienten Bürger der Stadt:
Ein Königlicher Kaufmann in Meseritz
Zum hundertsten Todestage Johann Jacob Volmers
Von Maria Matthias, Meseritz
Der Mann und sein Schaffen
Johann Jacob Volmer ward in Meseritz am 6. September
1752 geboren. Wenig wissen wir über seinen
Lebenslauf! Blicken wir jedoch auf sein Schaffen,
so erwächst vor uns eine Persönlichkeit von
starkem Mannesmut, von tiefem Christenglauben
und lebendiger Nächstenliebe. Sein Bilnis zeigt uns
ruhige Entschlossenheit und Klugheit, die sich in
seinen klaren Augen mit den starken Braunen, in
seiner geraden Nase, dem festen Munde und dem kräftigen Kinn ausdrücken.
Unser Volmer war Tuchmacher, wandte sich aber
mehr und mehr dem Tuchhandel zu. Über das
Tuchmachergewerbe hat *Becker in der Stadtgeschichte
erschöpfend berichtet. Hier seien des
Zusammenhanges halber nur einige Punkte erwähnt.
Die erste Gerechtsame
der Meseritzer
Tuchmacher geht
auf das Jahr 1577 zurück,
doch ist die Zunft
älter, denn schon vor
1485 kämpften sie um
ihr Absatzgebiet. Im dreißigjährigen
Krieg bekam
auch Meseritz wie andere
Randstädte der Provinz
einigen Zuzug an
Tuchmachern in den
Evangelischen, die ihres
Glaubens wegen aus
Schlesien flüchten
mußten.
Volmers mutvolle Persönlichkeit, sein Weitblick und sein außerordentliches Fachkönnen wirkten zusammen, um das Tuchgewerbe in Meseritz und in seiner näheren und weiteren Umgebung [...] auf einem hohen Stand zu halten. Die Lage von Meseritz am Knotenpunkt der alten Handelsstraße von Berlin über Frankfurt, Posen, Moskau bis in den Fernen Osten und der von Breslau nach Stettin, sowie der Einmündung des alten Handelsweges von Dresden und Leipzig gab ihm den Gedanken ein, Meseritz zu einem großen Tuchstapelplatz zu machen. Wenn tatsächlich damals unsere Heimatstadt einer der osteuropäischen Mittelpunkte des Tuchhandels wurde, so verdanken wir es allein diesem Manne. In dem amtlichen Bericht, der 1790 nach der Besitzergreifung durch Preußen über den Stand des südpreussischen Tuchgewerbes an König Friedrich Wilhelm II. ging, wird Volmer vielfach rühmlich erwähnt. Als von der „Genauigkeit und Strenge der Tuchhändler“ in bezug auf die Güte der Tuche die Rede ist, heißt es: „In diesem Punkte zeichnet sich besonders Volmer in Meseritz aus.“ Unter den drei dem Könige als Vertrauensleute der ganzen Provinz vorgeschlagenen Tuchmachern und Tuchhändlern war er denn auch der erste. Durch seinen geraden ehrlichen Kaufmannssinn und seine große Sachkenntnis stand Volmer bei seinen Kunden, den Lieferern und den russischen Abnehmern, in hohem Ansehen. Er war es, der dem Meseritzer Tuchhandel nach Rußland die Wege gewiesen.
Wir haben Mitteilungen darüber, daß jährlich für ein bis anderthalb Millionen Taler Tuche nach Rußland gingen, wovon der größte Teil nach China geschafft und auf der Messe zu Kiachta (Kjachta, Stadt in Burjatien (Russland)) von den Chinesen gegen Tee eingetauscht wurde. Die Städte Brätz, Tirschtiegel, Birnbaum, [...], Zielenzig, Schwiebus, Züllichau, Grünberg und andere brachten ihre Rohtuche nach Meseritz, wo sie gefärbt und fertig gemacht wurden. Die russischen Großhändler holten die Tuche selbst ab. Ganze Karawanen russischer Fuhrleute hielten sich wochen-, ja monatelang in der Stadt und den umliegenden Dörfern auf, um auf die Tuche zu warten. Das Kaufgeschäft mit den Russen scheint sich hauptsächlich in dem schon oben erwähnten Haus der „Deutschrusischen Tuchkompanie“ abgespielt zuhaben, und es ist nicht unmöglich, daß Volmer der Begründer der Gesellschaft war. Das Haus war zugleich Stapelhaus, auf dem großen Hofe verlud man die Tuchballen auf die russischen Planwagen.
Nicht nur Tuchmacher, sondern alle damit
zusammenhängenden Handwerker, wie Färber,
Walker, Tuchscherer, Tuchbereiter und andere hatten
durch die Rührigkeit Volmers ihr gutes Brot.
Von den Anlieferern und den russischen
Kauf- und Fuhrleuten blieb manches Goldstück,
mancher Silberling am Orte hängen, wodurch auch
alle anderen Erwerbzweige zu Wohlstand kamen.
Allgemein bekannt ist es, daß man in China
nur solche Tuche abnahm, die eine Bleikapsel mit
der Bezeichnung „J.J.V. Meseritzkoje“ trugen.
Wenn auch Meseritzer Tuch seit mehr als 100 Jahren
nicht mehr nach China gelangt, so hat sich
dessen guter Ruf bis in die Neuzeit erhalten. Vor
dem Weltktriege handelte man, wie einwandfrei
feststeht, gutes deutsches Tuch nur unter dem Namen
Meseritzkoje, und ein deutscher Forscher, der nach dem Kriege Sibirien bereiste, fand dort die
gleiche Bezeichnung.
Bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die
Blüte des Meseritzer Tuchhandels. Das gesamte
Tuchgewerbe mußte schließlich erlahmen infolge
der russischen Zollpolitik und durch die Sperrung
der russischen Grenzen für fremde Tuche im Jahre
1822.
1798/99 baut sich Johann Jacob Volmer an
der Ostseite des Marktplatzes ein repräsentatives
Haus. Das Haus existiert nicht mehr. Die gesamte
Ostbebauung des Platzes wird Ende des 2. Weltkrieges
zerstört, und die Ruinen werden später
abgeräumt. Die Meseritzer bezeichnen Volmers
Haus bald als „Napoleonhaus“, weil Napoleon I.
mit seinem Gefolge darin am 26. November 1806
auf seinem Zuge nach Warschau übernachtet. Auf
die Ereignisse um den Aufenthalt Napoleons in
dem Volmerschen Hause geht die die Märkisch-
Posener Zeitung ausführlich ein, insbesondere auf
das im letzten Augenblick verhinderte Attentat auf
den französischen Kaiser: Fast wäre das
Volmersche Haus zum Unglückshaus geworden!
Am 27. November standen alle französischen Truppen
aus Meseritz und Umgebung schätzungsweise
8- bis 10.000 Mann auf dem Markte. Des
Kaisers Kutsche wartete schon vor der Tür. Da trat
der Kaiser auf die Freitreppe, um seine Soldaten
zu grüssen. Aus einem Gemach des dicken
Rathausturmes, der seitlich nach Osten an das
Rathaus angebaut und der nur 30 Schritt von der
Treppe entfernt war, hatte der Meseritzer Steuerrat
Sprengepiel auf Napoleon angelegt. Die Büchse
war von Maurermeister Buttel geliehen, der ihm,
nichts Gutes ahnend, nachgeschlichen war. Im
rechten Augenblick noch konnte Buttel die Büchse
zur Seite schlagen! Schlimmes Unheil wurde
so von der Stadt abgewendet.
Der Vorschlag, den Meseritzer Markt nach dem
Tuchgroßhändler zu benennen, hat wohl noch einen
weiteren Grund. J. J. Volmer brachte es mit
seinem Tuchhandel zu Reichtum, gewann aber
auch hohes Ansehen durch seinen Gemeinsinn
und seine Grosszügigkeit.
Johann Jacob Volmers Gemeinsinn
Durch den umfangreichen Tuchhandel war Volmer,
der mit 2.000 Talern angefangen, selbst zu großem
Vermögen gelangt. Für ihn persönlich war das
ohne Bedeutung, er fühlte sich nur als Sachwalter
und teilte aus, wo er nur konnte. Die Grundlagen
seines Charakters wurden schon gezeigt. Auf seinem
Denkmal, das ihm seine Verwandten errichtet,
werden seine Gottesfurcht und seine Menschenliebe
betont. Die Gedenktafel in seinem Hause
weist auf seine Redlichkeit und Treu, seine
Geradheit und Einfachheit, seinen kirchlichen Sinn
und sein frommes Wohltun hin. Für die Armen gab
er monatlich eine bestimmte Summe und fuhr ihnen
im Winter Holz vor die Tür. Daneben gab er,
wo er nur Not sah. Überall suchte er zu stützen.
Gelegenheit fand er reichlich in den schweren
Nöten unserer Heimatstadt. Von der Franzosenzeit,
die durch Einquartierung und Kriegsabgaben
schwer auf der Bevölkerung lastete, war schon die
Rede. Keiner verließ ihn ohne Rat und Hilfe. Im
Verein mit seiner Tochter Anna ging er an die Nöte
des Einzelnen heran.
„Hier ruht ein gutes Herz, beweint von jedermann,“
lesen wir auf Anna Volmers Grabmal. Die Umgegend
litt nicht minder.
„Wenn damals der Kaufmann Volmer in
Meseritz nicht mit seinen reichen Geldmitteln ausgeholfen
hätte, wären gewiß Bobelwitz und Politzig
den alteingesessenen Familien verloren gegangen,“
lesen wir in der Geschichte des Kirchspiel
Politzig. Bis 1815 drückten die ungeheuren Kriegsabgaben.
Da kam die russische Zollpolitik und
schließlich die Grenzsperre und damit der Niedergang
der Tuchmacherei. Volmer suchte zu halten,
zu bessern! Immer wieder griff er ein, Zusammenbrechendes
zu stützen. Zahlreiche Familien von
Tuchmachern, Färbern usw. aus Meseritz und Umgegend
zogen nach Russisch-Polen und fanden
dort Arbeit und eine neue Heimat. Aber sie kündigten
die Hypotheken in der alten Heimat. Noch
drückender wurde die Not durch die großen Stadtbrände
von 1824 und 1827! Nach dem Brande
1827 mußte nicht nur dem Einzelnen geholfen
werden, auch die evang. Kirche, die Pfarr- und
Schulhäuser lagen in Asche. Volmer gab sofort für
den Kirchbau 500 Goldstücke, dann noch einmal
520. Und oft, oft tat er seine Hand auf, wenn der
Neubau aus Mangel an Mitteln ins Stocken geriet.
Auch den anderen öffentlichen Bauten lieh er tatkräftigen
Beistand.
Für die Gemeinde Pieske war er von großem
Segen. Er hatte im Jahr 1816 das Gut Pieske
erworben, behielt aber seinen Wohnsitz in
Meseritz. Das Gut hat er durch Bauten sehr verbessert,
auch drei Arbeiterhäuser errichtet. Das
Kirchenvermögen hat er bedeutend vergrößert. Er
half über sein Grab hinaus. Das Gut erbte von ihm
sein Neffe Karl August Schroeder. Dadurch war
es diesem möglich, mit der Gemeinde zu einem
Neubau der Kirche zu schreiten. In der Kirche zu
Pieske hängt gleichfalls Volmers Bildnis.
Johann Jacob Volmer stirbt am 31. März 1836 im
84. Lebensjahr. Mit ihm erlischt der Meseritzer
Zweig der Familie Volmer/Vollmar. Seine Frau verliert
er bereits 1784, seine beiden Töchter 1784
bzw. 1824.
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