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Weißer oder schwarzer Adler?
von Dr. Martin Sprungala
Die Geschichte des Adlers als Wappentier reicht
bis weit in das Altertum zurück. Der Adler war das
Symboltier des Zeus, der als oberster Gott nach
der griechischen Theogonie die Herrschaft über
den Himmel hatte. Die Römer erhoben Zeus, d.h.
Jupiter, zum Schutzgott ihres Staates und damit
den Adler zum
Symbol Roms.
Dieses
Symboltier des Römischen
Reiches
wurde vom Heiligen
Römischen
Reich (HRR) deutscher
Nation übernommen.
Das gesamte
Mittelalter
über galt der Adler
als Symbol der kaiserlichen
Macht,
als „Reichsadler“.
Der Adler war auch
in Zentral- und
Nordeuropa ein
Symbol für Kraft,
Weitblick und Mut;
er galt nicht nur
den Römern als
Tier ihres obersten
Gottes, sondern
auch den Germanen
als Bote Odins.
Als Bote der höchsten Götter symbolisierte der
Adler den Aufstieg der Seele in den Himmel, weshalb
die christliche Ikonographie ihn als Symbol
für die Himmelfahrt Christi verwandte, ebenso als
Heiligenattribut des Evangelisten Johannes.
Der Doppeladler
Eine Sonderform des Adlers ist der Doppeladler. Er symbolisiert im HRR, bzw. bis heute in Österreich das duale Prinzip der Herrschaft von „Kaiser und König“, da der deutsch-römische Kaiser erst nach einer zweiten, sakralen Krönung vom König zum Kaiser wurde.
Auch das Oströmische Reich, das spätere Byzantinische Reich verwandte den Doppeladler als Symbol der beiden Reichsteile Ost- und Westrom, auf die man seinen Herrschaftsanspruch weiterhin bekräftigte, gleichzeitig zeigte dieser Doppeladler das duale Prinzip Ostroms in seiner Einheit im Kaisertum. Der Adler trug sowohl den Reichsapfel als Zeichen der weltlichen Macht, als auch das Kreuz, mit dem der Kaiser seine Oberhoheit über die Kirche bekundete. Der Adler in Doppelform erscheint bereits im 23. Jahrhundert vor Christus auf einem babylonischen Teppich als dekoratives Motiv.
Von Byzanz aus trat der Doppeladler seinen Siegeszug durch Europa an. Die russischen Herrscher sahen sich als rechtmäßige Erben des Kaisers von Konstantinopel und übernahmen dieses Wappentier ebenso wie das Heilige Römische Reich. Kaiser Sigismund (1368-1437), aus der Dynastie der Luxemburger, führte 1433 statt des einköpfigen Adlers den Doppeladler ein, der in Schwarz auf Gold dargestellt wurde und dessen Köpfe mit einem Nymbus (Heiligenschein) dargestellt wurden, um das „Heilige“ Römische Reich zu symbolisieren. Dessen Nachfolger nach dem Ende des HRR (1804) wurde der österreichische Doppeladler, während das Zweite Deutsche Reich 1871 einen einköpfigen Adler führte.
Der preußische Adler
Der preußische Adler geht auf die goldene Bulle
von Rimini (1226) zurück. In diesem Reichsdokument
bestätigt Kaiser Friedrich II., der sich
im Palazzo del Arengo in Rimini befand, dem Deutschen
Orden unter dem 4. Hochmeister des Ordens,
Hermann von Salza (ca. 1162-1239) das
Privileg der Herrschaft über das Kulmer Land, das
der Orden bereits zuvor vom polnischen Herzog
Konrad I. von Masowien geschenkt bekommen hatte.
Verbunden mit diesem Privileg erhielt der Orden
als Gnadenzeichen den schwarzen Reichsadler
verliehen, den er seither im silbernen Schild
führte.
Als der Deutsche Orden im 16. Jahrhundert
mit der Säkularisierung ein Herzogtum wurde
(1525), führte der letzte Hochmeister aus der Dynastie
der Hohenzollern, Albrecht von Brandenburg-
Ansbach (1490-1568), der nun Herzog von
Preußen war, dieses Wappen. Mit der Erbschaft
des Herzogtums Preußens erwarben die
brandenburgischen Hohenzollern auch den
schwarzen Adler. Das Wappentier des Herzogtums
trug die offene polnische Krone um den Hals, so
wie sie später das Wappen Westpreußens noch
hatte, und den Buchstaben „S“ für „Sigismund“,
dem Namen des polnischen Königs Zygmunt I.
Stary, der Albrecht 1525 mit dem Herzogtum Preußen
belehnt hatte.
Mit jedem neuen Herrscher in Polen sollten
die Buchstaben wechseln, wogegen die Herzöge
sich wehrten, so daß es bis 1701 polnischer- und
preußischerseits unterschiedliche Wappendarstellungen
des Herzogtums gibt.
Seit der Erhebung
Preußens zum Königreich
im Jahre 1701
trägt der Adler eine geschlossene
Königskrone
auf dem Kopf,
zudem ein Zepter und
ein Reichsapfel in seinen
Fängen. Auf der
Brust standen seither
die goldenen Initialen
„FR“ (= Fredericus Rex)
des ersten preußischen
Königs Friedrich I.. Dieses Wappen war bis 1918
das Staatswappen Preußens und zugleich der Provinz
Ostpreußen.
In der Weimarer Republik wurde der Adler durch
einen nach rechts auffliegenden
Vogel ersetzt, der
keine monarchischen Zeichen
mehr trug. Er ist heute
das Wappen der „Stiftung
Preußischer Kulturbesitz“.
Der schwarze Adler Preußens
hat eine andere Herkunft
als das Wappentier des Kurfürstentums
Brandenburg. Er geht zurück auf das Familiensymbol
der Askanier. Das Standbildsiegel Otto I.
von Brandenburg (ca. 1128-1184) ist es aus dem
Jahr 1170 erstmals überliefert. Die Farbe Rot für
den Adler ist erst aus späterer Zeit überliefert. Das
Familienwappen der Askanier wurde seither von
Dynastie zu Dynastie als Symbol des Kurfürstentums
bis hin zu den Hohenzollern weitervererbt.
Der weiße Adler Polens
Auch Polen verwendet den Adler als Staatssymbol, nur als weißer Adler. Der Kampf des weißen Adlers mit dem schwarzen ist in der zeit des Nationalitätenkonfliktes oft thematisiert worden, daß Polens weißer Adler gegen seine drei schwarzen Feinde (Preußen, Österreich und Rußland) kämpfen muß und zahlreiche bildliche Darstellungen zeigen diese Auseinandersetzung.
Dieses Staatssymbol geht auf eine alte Legende zurück, die sich um den mythischen Gründer des Staates Polen ranken, um den legendären Herrscher Herzog Lech. Dieser Legende zufolge ruhte Lech im Schatten eines Baumes, als er einen wunderschönen weißen Adler sah, der auf der Krone des Baumes über ihm gelandet war, und er entschloß sich, hier seine Hauptstadt zu gründen. Nach dem Platz benannte er seine Stadt Gnesen (Gniezno), abgeleitet von dem polnischen Wort „Gniazdo“ = Nest. Der Legende nach war er der erste von drei Brüdern, die ihr Reich grüdeten. Sein Bruder Cech (Czech, Ahnherr der Tschechen) zog weiter nach Südwesten und der Bruder Rus (Ahnherr der Russen) gen Osten.
Bereits seit früher Zeit trifft man den (weißen) Adler als Staatswappen Polens an. Der Mönch Cosmas von Prag (ca. 1045-1125) überlieferte als erster diese Legende um das Jahr 1125. Der weiße Adler bliebe bis heute das Symbol Polens in der Zeit der Volksrepublik Polen natürlich ohne Königskrone.
Nach Herzog Lech wurde die Region um Gnesen und ihre Bevölkerung als Lechia, Lechen, Lechites Lekhites bezeichnet. Und noch heute ist der Name Lech im Posener Land und in Polen verbreitet, so z.B. bei dem ehemaligen Staatspräsident Lech Walesa, dem Fußballverein Lech Poznan bis hin zur Posener Biermarke „Lech“. Zu erwähnen ist noch das Staatswappen der Adelsrepublik Polen, das ein viergeteiltes war: oben links der weiße polnische Adler und rechts der litauische Reiter mit dem gezogenen Schwert, das Bestandteil des Adlers von Westpreußen wurde. Im unteren Teil ist die Anordnung genau umgekehrt.
Der Adler war Bestandteil einiger Wappen von untergeordneten Verwaltungseinheiten, so der Wojewodschaft Posen, Gnesen und Masowien, sowie im Wappen einiger Städte. Sogar die Provinz Posen trug den weißen Adler im Brustschild des schwarze (preußischen) Adlers.
Das Wappen der Stadt Meseritz
Auch die Stadt Meseritz gehört zu den Orten, die den polnischen Adler in ihrem Wappen hat. Auf blauem Grund steht eine viertürmige mit zwei Windfahnen versehene, silberne Burg, deren tor- und fensterloses Mittelhaus ein rotes, mit dem gekrönten silbernen, polnischen Adler belegtes Feld bildet. Dieses Wappen wurde auch in preußischer Zeit sei der 2. Teilung Polens 1793 geführt. Beanstandungen daran gab es nicht, denn schließlich trug auch das Landeswappen der Provinz Posen den polnischen weißen Adler auf rotem Grund als Wappenschild. Erst nach dem Großpolnischen Aufstand 1918/19 und der Grenzziehung durch den Versailler Vertrag von 1920 hatten einige Leute damit ein Problem und man wandte sich an die Regierung in Frankfurt a.d. Oder, die gar nicht für Meseritz zuständig war, sondern in Schneidemühl, denn Meseritz gehörte bis zum 1.10.1938 zur Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen mit Verwaltungssitz und Regierungsbezirk in Schneidemühl. Erst nach 1938 (bis Januar 1945) unterstand Meseritz der Provinz Brandenburg und dem Regierungsbezirk Frankfurt a. d. Oder.
Dennoch ist es gelungen, das Wappen in heraldisch
unkorrekter Form abzuwandeln. Der weiße
Adler wurde durch das seit 1918 nicht mehr
gültige Wappensymbol Preußens ersetzt: ein gekrönter
schwarzer Adler, aber
statt auf weißem nun auf rotem
Grund, versehen mit einem Zepter
und statt eines Reichsapfels
mit einem Schwert, das die
Wehrhaftigkeit der Stadt und des
Landkreises gegen die Nachbarn
Polen, der 1918/19 ein Drittel des
Kreisgebietes während des Aufstands
erobert hatte
zugegebenermaßen den weitgehend polnisch besiedelten
Teil des Kreises.
Nach 1945 wurde das veränderte
Stadtwappen im nun polnischen
Miedzyrzecz/ Meseritz
wieder der historischen Form
angepaßt und heute führt die
Stadt ein graphisch modernisiertes
Wappen, das auf der uralten
Darstellung basiert.
Der Heimatkreis Meseritz hat sich
entschieden, für den Heimatgruß
die historisch alte und heraldisch richtige Version
zu verwenden, was durchaus logisch ist, denn
schließlich zückt man das Schwert nicht mehr für
den Kampf gegen den Nachbarn Polen, sondern
reicht ihm die Hand zur Zusammenarbeit und gemeinsamen
Erforschung der gemeinsamen Geschichte.
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