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Die Großbauernfamilie Wittich
in Zollerndorf / Skrzydlewo, Kr. Birnbaum
von L. v. Kalckreuth
Auf eine lange Tradition im Birnbaumer Land können
die Wittichs zurückblicken. Ein 1675 unter dem Großen
Kurfürsten in der Schlacht bei Fehrbellin gegen die
Schweden verwundeter Vorfahr hatte vom Birnbaumer
Grundherrn v. Unruh das „Restgut Zollerndorf“ mit einer
Größe von 365 Morgen (ca. 91 ha) erworben und
damit eine bis zur Flucht im Januar 1945 anhaltende
Tradition der Familie, in der es immer männliche Erben
als Nachfolger gab, in dem Ort begründet.
Die unterdurchschnittliche Ertragskraft der landwirtschaftlich
genutzten Betriebsfläche gestattete
immerhin die Vermehrung von Saatkartoffeln. Diese
Wittichschen Saatkartoffeln hatten sich einen hervorragenden
Ruf erworben und konnten bis nach Italien und
Ungarn exportiert werden.
Ein weiterer Erwerbszweig des Betriebs war die
Produktion von Futtersaaten wie Süsslupine, Serradella,
Winter- und Sommerwicken, allen Kleearten (Rotklee,
Weißklee, Imkerklee, Pepperklee usw.) sowie
Viktoriaerbsen.
Aber auch auf fortschrittliche Tierzucht wurde
Wert gelegt, mit Schwergewicht auf Ferkelproduktion.
Diese war, in Verbindung mit der Produktion von „Läufern“
auf dem Unruhschen Gut Klein Münche und der
Schweinemast im Betrieb der Familie von Jakobi in
Goray (Kr. Schwerin) so bekannt geworden, daß die 3
Betriebe nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem
„Schweinekombinat“ zusammengelegt wurden.
Wie alle landwirtschaftlichen Betriebe im
Zwischenkriegspolen hatten auch die in deutschem Eigentum
stehenden Höfe erhebliche existenzbedrohende
Probleme. Die Preise für die Erzeugnisse deckten
bisweilen nicht einmal die Gestehungskosten; gleichwohl
mußten die (wenn auch bescheidenen) Löhne der
zumeist polnischen Hofbediensteten pünktlich gezahlt
werden, weil anderenfalls sogleich eine Pressekampagne
gegen den deutschen Arbeitgeber losgebrochen
wäre.
Was in Küche und Keller benötigt wurde entstammte
zumeist eigener Erzeugung, im Birnbaumer
„Kolonialwarengeschäft“ von Herrn Weigelt wurde nur
das Notwendigste zugekauft.
Der letzte Betriebsleiter war Arthur Reinhold
Wittich (1895-1945) der wie der Altgörziger und
Gorzyner Gutsherr Sigmund von Willich - als Angehöriger
des Birnbaumer Volkssturms im Januar 1945 an
der Prosna fiel; die fast nur mit Karabinern vom Typ K
98 ausgerüstete Einheit sollte sowjetische Panzer aufhalten
und wurde fast vollständig aufgerieben.
Frau Wittich und ihre Kinder verließen Zollerndorf
im Januar 1945 mit einem Treck mit polnischen
Gespannführern und fuhren nach Kiekebusch Kr. Teltow.
Dort wurden vier ihrer Pferde von der Behörde beschlagnahmt,
weil sie beim Errichten von Panzersperren
in Berlin eingesetzt werden sollten; sie kamen nicht
zurück. Die restlichen Pferde wurden von Russen mitgenommen.
Nach vieler Mühsal übersiedelte die Familie nach
Salzwedel, wo Frau Herta Wittich’s Bruder einen verlassenen
75-ha-Hof übernommen hatte. Dieser mußte
später wegen „seuchenhaftem Verkalben“, als dessen
Folge das Milchsoll nicht hatte erfüllt werden können,
aufgegeben werden.
Die Söhne Gerhard, Hubert, Horst und Eckhard ergriffen alle Berufe, die in der einen oder anderen Weise mit Ackerbau und Viehzucht zu tun haben, wobei der 1927 geborene Gerhard als einziger in der DDR verblieb.
Als Sohn eines gewesenen Großbauern in der
Provinz Posen wäre seine Bewerbung um Aufnahme
in die Landwirtschaftliche Winterschule abgelehnt worden,
hätte er die Größe des (verlorenen!) elterlichen
Betriebs nicht nach unten korrigiert, hatten Kinder von
„Großbauern“ (über 80 ha) in der DDR doch erhebliche
Schwierigkeiten, in weiterführende Ausbildungsformen
zu gelangen. Er wurde dann Landwirtschaftslehrer.
Heute gehört Gerhard Wittich dem Vorstand des
Landesverbands Sachsen-Anhalt der Landsmannschaft
Weichsel-Warthe an.
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