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Waldtal Die Heimat unserer Vorfahren Text von Erika Schumacher, Bilder von I. Hartwig Auf der Suche nach unseren Vorfahren und Erweiterung des Familienstammbaumes „Heinrich“ ausgehend von Tobias Heinrich, ca. 1730 in Kuschlin geboren der 1933 erstellt, von mir 1956 erweitert wurde und dem früheren Wunsch der Großeltern entsprechend, begannen mein Sohn und ich 2008 mit einer intensiven Suche, diesen zu ergänzen und haben etwa 80.000 Kirchenbucheintragungen eingesehen. Ca 400 Telefonate brachten dann endgültig den riesengroßen Erfolg, und wir konnten somit ca. 500 Personen zuordnen. Tobias H. hatte noch einige Geschwister, welche sich in Waldtal, Groß-Lipke (hier war Ferdinand Heinrich Ziegeleibesitzer), Rakwitz, Sontop usw. ansiedelten. Eines der Telefonate war etwas sehr besonderes und ergreifend. Als ich Frau I. Hartwig geb. Sägner (geb. 1925) die Frage stellte, ob sie in Waldtal geboren ist, bejahte sie. Nun die Gegenfrage, wer ich sei. Ich bin eine Enkelin von Ferdinand Heinrich und mein Name ist Räkow. Daraufhin sprudelten alle Vor- und Nachnamen und die dazugehörenden Geburtsnamen meiner gesamten Verwandtschaft aus ihr heraus. Mein Opa war der Vormund ihres Bruders und sie seien sehr viel bei den Großeltern im Hause gewesen. Ihre Mithilfe und die wertvollen Erinnerungen, die sie uns mitteilte, sind eine große Bereicherung für uns. Die Fotos aus Waldtal, vor allem Hochzeitsbilder mit unseren Verwandten, die sie uns überliess, machten es möglich, eine kleine Biographie des Ortes zu erstellen. Durch den Familienstammbaum (1730-2018) läßt sich belegen, daß sich die ältesten „Heinrichs“ zunächst im Ort Kuschlin und ca. 1770 in Waldtal ansiedelten. Anfang 1901 wurde aus dem früheren „Wengellen“ Waldtal. Das Dorf bestand aus Bohlenhäusern, welche meist mit Reet gedeckt waren. Das Elternhaus von Hugo Hartwig (Ehemann von I. Hartwig) hatte um 1900 eine ungewöhnliche Dacheindeckung, es war mit lasierten Dachziegeln eingedeckt worden. Unsere ersten Vorfahren kamen, um Holzkohle zu gewinnen und Landwirtschaft zu betreiben. Opa Ferdinand war nach Aussage einiger Waldtaler sehr gewissenhaft und korrekt. Selbst die Furchen auf den Feldern waren wie mit dem Metermaß gezogen. Er war sehr beliebt wegen seines Charakters und seiner Hilfsbereitschaft. Mein Bruder Fritz erinnert sich noch sehr genau, wie Opa tätig war. Er sah ihm gerne beim Errichten des Holzmeilers oder bei der Feldarbeit zu. Schilfrohr nutzte er, um damit die Wärmedämmung rund um die Außenwände der jeweiligen Gebäude des Hofes zu erzielen. Wichtig und sehr ertragreich war die Bearbeitung der Weiden (s. a. Erinnerungen an Tirschtiegels Weidenkulturen), so daß sich eine größere Familie damit gut ernähren ließ. An dem Fluß „Schwarzwasser“, welcher durch den Ort fließt, standen zahlreiche Weiden. Diese wurden zur rechten Zeit abgeschnitten und in mühseliger Arbeit in Tragetüchern nach Hause gebracht, um aus ihnen Korbwaren herzustellen. Den Vorfahren von Oma Hulda Heinrich geb. Fechner gehörte die Korbflechterei in Kupferhammer, die weltweit bekannt war. Nach ihrer Umsiedlung 1945 nach Raisting in Bayern stellten sie für die ansässigen Bauern Körbe her und Opa besohlte jahrelang die Schuhe der Bewohner. So verdienten sie sich ihren Lebensunterhalt. Bereits im 17. Jahrhundert wurden in Waldtal Mühlen betrieben: 1. Eine Wassermühle, die vom Schwarzwasser betrieben wurde und sich im Randhaulandgebiet befand. Die Bauern brachten dort ihre Feldernte hin und bekamen Mehl und Schrot. 2. Eine Papiermühle; sie lag in Richtung Sempolno / Kupferhammer. 3. Die Mitrenger Mühle 4. Eine Ölmühle; sie befand sich auf dem Land der Familien Helmchen, Lode und Mücke. Die Mohn- und Rettichernte wurde hier zur Gewinnung von Mohn- und Leinsamenöl gebracht. 1910 gab es 269 Einwohner. Bei der Volkszählung 1940/41 waren es 48 Höfe mit 224 Personen, dokumentiert von Hugo Hartwig. Jeder Hofbesitzer hatte seinen eigenen Brunnen und Backofen, wie auch eine eigene Räucherkammer. In dieser wurden Schinken in Leinenbeutel im Kamin aufgehängt und gelagert. Es mußte dabei äußerste Sorgfalt gepflegt werden, sonst nahmen die dicken Brummer sie als Delikatessen und alles wäre ungenießbar geworden. Pflanz- und Saatgut wurde bei den umliegenden Gütern Waldvorwerk und Gut Pinne eingekauft. Eine mühevolle Arbeit war die Bewässerung der Pflanzen. Mit Eimern transportierten alle Familienmitglieder das Wasser aus dem Schwarzwasser. Berühmt war damals „Seradella“, als Grünfutter bekannt. Runkelrüben wurden ausgehöhlt, mit Zucker versehen, eine Nacht stehen gelassen und bei Keuchhusten und Erkältungen als Medizin eingenommen. Natürlich war der Zuckerrübensirup bei den Kindern ein besonderer Leckerbissen. Nebenprodukt aus der Zuckerrübengewinnung wurde als Zuckerrübenschnitzel bezeichnet und war ein sehr gutes Pferdefutter. Selbst Pfirsichbäume wurden damals bereits angepflanzt und geerntet. Landwirtschaftliche Erträge wurden durch den Verkauf der schlachtreifen Tiere an die Schlächterei Kott in Neutomischel erzielt. Aus der gemolkenen Milch wurde Sahne und Butter hergestellt und auf dem Markt in der Stadt verkauft. 1939 wurden aufgrund einer Volkszählung der Bestand an Personen, die Größe des Hofes, der Viehbestand und die Ernteertrag registriert. Alles wurde offiziell kontrolliert und daraus ergaben sich die Abgaben an die Stadt. Jährlich fand ein Sommerfest statt. Als Eintritt musste jeder etwas Essbares mitbringen und eine 3-Mann-Kapelle spielte fröhlich zum Tanz auf. Mehrere Hochzeiten im Jahr waren für alle Einwohner etwas sehr besonderes, die Feierlichkeiten dauerten 3 Tage. Gegenseitig unterstützte man sich und half bei den Vorbereitungen der Festlichkeiten. Üblich war es, dass vorher ein Schwein geschlachtet wurde. Einig Räume im Haus wurden ausgeräumt, um Platz für die vielen geladenen Gäste zu schaffen, sie zu bewirten und anschließend das Tanzbein zu schwingen. Mit Ernte- und Ackerwagen, bzw. mit der Bregg-Kutsche (konnten sich nur größere Hofbesitzer leisten) fuhren die Hochzeitsgäste zur Kirche nach Neustadt/Pinne. Gutsbesitzer Emil von Pflug vom Gut Brody stiftete u.a. drei rote Läufer für diese Kirche. Jede dazugehörende Ortschaft hatte ihre eigene Bank, die mit dem Namen des Ortes gekennzeichnet waren. Das einzige Kolonialgeschäft und gleichzeitig auch die Ortsgaststätte gehörte Familie Sägner und bestand bereits seit dem 18. Jahrhundert. Eine Grabinschrift der Juliane Sägner geb. Ortlieb im Jahre 1823 geboren, weist sie als Eigentümerin und Gastwirtin aus. Die notwendigen Bedarfsmittel des täglichen Lebens wurden hier eingekauft. Ein großes Petroleumfass stand im Laden, um die Versorgung der umliegenden Höfe mit Petroleum zu gewährleisten. Die Gaststätte war ein Treffpunkt aller Generationen. Links vom Eingang befand sich eine Bekanntmachungstafel, auf der alle Neuigkeiten und amtliche Bekanntmachungen veröffentlicht wurden. Es ging hier sehr fröhlich zu, war es doch der einzige gesellige Treffpunkt des Ortes. Es gab drei Friedhöfe: Mitten im Ort, nahe der Schule, links von Sägners Hof und den Randhauländerfriedhof. |