|
ZEITZEUGENBERICHTE Erinnerungen an das Staatliche Gymnasium in Meseritz von Dr. Werner Klose Von den Erzählungen meines Vaters Johannes Klose, der von 1901 bis 1910 das Gymnasium besuchte, sind mir von seinen damaligen Lehrern vor allem die Namen Mudrack, Dr. Günther und Stenzel in Erinnerung geblieben, etwa durch Anekdoten aus dem Stenzelschen Biologie-Unterricht, die aber ihre Wirkung vor allem der Nachahmung von dessen eigenartiger Ausdrucks- und Sprachweise verdankten. Die Herren Schmidt und Neuhaus, die ich noch in meiner Schulzeit von 1937 an erlebt habe, sind aber erst nach dem Abgang meines Vaters in das Kollegium eingetreten. Im Jahre 1937, als die Schule die Bezeichnung Gymnasium verlor und in Oberschule für Jungen umbenannt wurde, was gleichzeitig zu meinem großen Ärger mit der Abschaffung der bis dahin von den Schülern getragenen bunten Mützen in den jeweiligen Klassenfarben verbunden war, mußte sich mein Jahrgang der Aufnahmeprüfung für die neue Schule unterziehen, die ich wohl als einziger zur großen Verwunderung von Herrn Pätzold, meinem Klassenlehrer auf der Volksschule, wegen des von mir abgelieferten Aufsatzes nicht bestanden hatte. Das vorgeschlagene Thema lautete: Ein Nachmittag beim Jungvolk. Mein Einwand: Ich bin aber nicht im Jungvolk. Zweites Thema: Unser Haustier. Wir hatten aber kein Haustier. Dann schreibst du eben: Unser Haus! Was ich darüber zusammengeschrieben habe, muß wohlrecht kläglich ausgefallen sein. Letztlich wurde dann aber, vermutlich aufgrund der Beurteilung von Herrn Pätzold, möglicherweise auch durch Bemühungen von Studienrat Schmidt, der mit meinen Eltern gut befreundet war, der Aufnahme doch zugestimmt. So konnte die Familie erleichtert die Aufführung von Rossinis Oper »Der Barbier von Sevilla« im Schützenhaus besuchen, die ursprünglich als Belohnung für eine bestandene Aufnahmeprüfung gedacht war. In der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin befinden sich zehn dicke Bände, in denen die Jahresberichte aus den Jahrgängen von 1930 bis 1940 enthalten sind, welche von den jeweiligen Schulleitern an die Provinzialschulbehörde der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen geschickt werden mußte. Leider dürfen aus diesen teils angesengten Bänden keine Kopien angefertigt werden. Renate Kruschel, Berlin, Oberschulbeginn Ostern 1937, hat sich nun der Mühe unterzogen, die von unserem damaligen Direktor Dr. Vincent verfaßten Jahresberichte zu lesen und daraus handschriftliche Aufzeichnungen zu machen. Die Jahresberichte enthalten u.a. Informationen über die Zusammensetzung des Kollegiums, die Klassenlehrer und Lehrpläne, den Ablauf des Schuljahres mit Feiern und Veranstaltungen wie Fahnenappelle, Turnfeste, Musikabende, Beteiligungen an Aufmärschen u.ä. Auch Aktivitäten der Schüler außerhalb der Schule wie HJ, VDA (Verein für das Deutschtum im Ausland), DTV (Gymnasialturnverein), Ruderriege, Chor und Orchester. Auszüge aus den Jahresberichten 1937/38 Aus dem Kollegium: es scheiden aus: Vogel und Neuhaus, im April 1938 auch Philipp. Es treten ein: Kühn und Kahl für Vogel, Hobohm für Neuhaus Redner auf Veranstaltungen: 20. April: Neuhaus 26. April: Osthus „Uhland“ 10. Mai: Gelling („Muttertag“) 08. Oktober Besuch von Alfred Rosenberg, Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP. Auszüge aus den Jahresberichten 1938/39 Aus dem Kollegium: Eintritt Morschheuser für Philipp, Hobohm wird am 2. Mai Studienrat, Kühn wird im September 1938 nach Deutsch-Krone versetzt, dafür kommt Lange aus Beuthen. 13. August: 3 Schülerinnen der Oberstufe legen die Hauswirtschaftsprüfung ab. Helga Schmidt mußte zusammen mit Ingrid Gelling und vermutlich Sigrid v. Gersdorff diese Prüfung machen, die wohl nach der Umwandlung des Gymnasiums in eine Oberschule für Jungen sowie der Herabstufung des Meseritzer Lyzeums in eine Mittelschule für den Verbleib der Schülerinnen in den Klassen der Oberstufe erforderlich war. Die Prüfung fand in der Berufsschule am Bahnhof statt und umfaßte auch einen praktischen Teil mit Aufgaben in Handarbeit und Kochen. Auszüge aus den Jahresberichten 1939/40 Aus dem Kollegium: Morschheuser scheidet aus, dafür kommt Albersmeyer, am 1.7. wird Dr. Döring Studienrat, am 29.2. ist Dr. Hemeier gestorben, zum 1.9. werden Lotze, Gelling und Hobohm zur Wehrmacht eingezogen, Philipp kommt zurück, dazu Frau Hobohm und Frau Agathe Weigelt sowie für den verstorbenen Vater Christel Hemeier. Demnach im Kollegium: Dr. Vincent, Lange, Schmidt, Schmattorsch, Dr. Lahrs, Chr. Hemeier, Buchholz, Albersmeyer, Hentschke, Dr. Philipp, Frau Hobohm, Frau Weigelt Abiturienten: Gisbert Axmann, Johannes Karge, Erich Klemke, Gerhard Liebchen, Marga Latzke, Sigrid Wilm ohne Prüfung wegen vorzeitiger Einberufung: Gerhard Brückner, Dieter Benczek, Joachim Hartmann, Günter Leibner. Vom 1. bis zum 11. September war die Schule geschlossen - möglicherweise eine Vorsichtsmaßnahme wegen der Befürchtung eines Angriffs der polnischen Armee. In den Herbst- und Wintermonaten war das Schulgebäude wegen Kohlenmangels geschlossen. Es wurde Schichtunterrricht unter Benutzung der Räumlichkeiten der Volksschule erteilt. Vom 5. September bis 14. Oktober waren die Schüler im landwirtschaftlichen Einsatz zum Ährenlesen und zur Kartoffelernte. Auszüge aus den Jahresberichten 1940/41 Aus dem Kollegium: Am 16. Mai wird Studienrat Arnold Topp von dem Von Saldernschen Real-Gymnasium in Brandenburg als Turn- und Zeichenlehrer an die Oberschule nach Meseritz versetzt. Im Austausch geht Oberschullehrer Buchholz nach Brandenburg. (zu StR Topp siehe auch HGr 196, März 2011). Unterricht in der Klasse - Eintrittsjahrgang 1937 / 38 Unterrichtsstunden, Wochenstunden und Lehrkräfte Klassenlehrer Gelling:
Im Herbst 1943 erhalten die meisten Schüler unserer Klasse zum 18. Oktober die Einberufung als Marinehelfer zur Marineflakabteilung MFLA 214 nach Cuxhaven. Während wir von Meseritz nach Landsberg/ Warthe noch den Personenzug benutzen durften, mußten wir in Landsberg in einen bereitstehenden Güterwagen umsteigen, der uns unter Begleitung durch den Stabsobergefreiten Knolle in einer dreitägigen Bummeltour mit zwei Übernachtungen nach Cuxhaven brachte, wo wir in der Grimmershörn-Kaserne, direkt hinter dem Deich etwa in der Mitte zwischen der Alten Liebe und der Kugelbake einquartiert wurden. Wir trafen dort auf Schüler einer Klasse aus Tangermünde und einer weiteren aus Stendal, die für die vorgesehene schulische Betreuung einen älteren Studienrat mitgebracht hatten. Im Dienstplan waren neben den militärischen Übungen und Einsätzen an jedem Wochentag vormittags drei Stunden für den Schulunterricht vorgesehen. Je nach Länge nächtlicher Fliegeralarmeinsätze wurde der darauffolgende Unterricht um eine oder zwei Stunden gekürzt oder fiel ganz aus. Der bereits erwähnte Studienrat wurde unterstützt von einem Stabsgefreiten, im Zivilberuf Professor für Mathematik an der Universität München, dem Obermaat Brasseur, Studienrat für Neuphilologie und einem Leutnant, dem Führer einer der Flakbatterien, im Zivilberuf Industrie- Chemiker. Am Nachmittag gab es gelegentlich eine Stunde Singen unter Leitung des Stabsobergefreiten Knolle, zivil Chef eines Tanzorchesters.
In Ergänzung zu den normalen Unterrichtsveranstaltungen bestanden von Seiten der Schule weitere Angebote, so z.B. unter der Leitung von StR Schmidt bestehende Gymnasial-Turnverein GTV, dessen Emblem von den Mitgliedern stolz auf ihren Turnhemden getragen wurde. Auf den alljährlichen Vorführabenden im Schützenhaus zeigten die Schüler ihr erworbenes Können. Als jedoch in den dreißiger Jahren die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend zur Pflicht erklärt wurde, mußte der GTV leider aufgelöst werden. Dagegen blieb die Schülerruderriege, die das Bootshaus desMeseritzer Ruderclubs am Glembuchsee und einige von dessen Booten mitbenutzen durfte, unter der Leitung von StR Lotze, später StR Topp, bis in die Kriegsjahre bestehen. Die Pflege der Musik im Rahmen der Schule lag in den Händen von StR Schmattorsch. Unter seiner Leitung stand sowohl der Schulchor als auch das Schülerorchester, mit denen er bei festlichen Gelegenheiten oder speziellen Musikveranstaltungen die einstudierten Werke zur Aufführung brachte: Z. B. nach Erinnerung von Friedrich Klose mit dem Chor: Josef Haydn: »Komm holder Lenz« aus dem Oratorium »Die vier Jahreszeiten« Wolfgang Amadeus Mozart: »Ave verum« Richard Wagner: »Wacht auf« aus der Oper »Die Meistersänger von Nürnberg« Edvard Grieg: »Jubilate«, Russischer Vesperchor mit Chor und Orchester Dietrich Buxtehude: »In dulci jubilo« aus der Weihnachtskantate Josef Haydn: »Klaviertrio G-Dur Hob.Verz. IV, Nr.25, 1.Satz Andante« Wolfgang Amadeus Mozart: Priestermarsch aus der Oper »Die Zauberflöte« Wolfgang Amadeus Mozart: »Eine kleine Nachtmusik« 2.Satz Andante, 3. Satz Menuett Ludwig van Beethoven: Romanze Nr. 1, G-Dur, Op. 40. Neben diesen anspruchsvollen musikalischen Betätigungen gab es aber noch eine sogenannte »Knüppelmusik«, eine Kapelle von Pfeifern und Trommlern, die von StR Gelling geleitet wurde und deren Mitglieder vornehmlich den unteren Klassen angehörten. Diese Kapelle befaÚte sich vornehmlich mit Marschmusik und hatte die Aufgabe, bei verschiedenen Gelegenheiten, z.B. zum Schuljahresanfang oder an "ffentlichen Gedenktagen den Zug der auf dem Schulhof nach Klassen angetretenen Sch"ler in den dem Schulgeb 0ude gegen"berliegenden Lustgartenpark anzuf"hren. Dort nahm der Zug rings um das im Park errichtete Germania-Denkmal Aufstellung. Nach dem Anh"ren der zu dem betreffenden AnlaÚ meist vom Direktor gehaltenen Ansprache und dem Absingen der Nationalhymne setzte sich der Zug unter der Anf"hrung durch die Kn"ppelmusik wieder in Richtung Schulhof in Bewegung. Siehe auch: Programm d. Kgl. Gymnasiums Meseritz f. e. öffentl. Prüfung (1869) |