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Ein telefonischer Kontakt am Abend mit Katarzyna Sztuba-Frackowiak, den HGr-Lesern durch verschiedene Beiträge mit historischem Bezug bekannt, ergab, dass wir wegen ihrer kranken Tochter auf ihre kompetente Führung am nächsten Tag würden verzichten müssen. So begann nach einem ausgiebigen Frühstück der Mittwoch (23.10.) in eigener Regie mit einem Besuch auf dem Friedhof in Betsche, wo wir an der Grabstätte von Leonhard von Kalckreuth zunächst das üppige Herbstlaub zusammenkehrten und anschließend ein Grabgesteck niederlegten. Von dort aus ging es weiter zur Kirche und auf den Schneckenberg, der einen schönen Blick auf den Betscher See und das Städtchen bietet, wenn man zwischen den hohen Büschen hindurchschaut.
Ein Bummel über den Marktplatz schloss sich an, und sodann brachen wir auf zu unserem nächsten Ziel, das 5 km entfernte Silna/ Schilln, wo auf einer informativen Gedenktafel mitten im Wald an Antoni Paluch erinnert wird. Dieser hatte im ersten Weltkrieg in der deutschen Armee gekämpft, tat später, nach der Grenzziehung 1920 bei der polnischen Grenzpolizei seinen Dienst und verlor in Schilln beim Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen gleich am 1. September 1939 sein Leben. Hier war Gelegenheit, meinen Enkeln in groben Zügen etwas über die geschichtlichen Katastrophen der letzten Jahrhunderte in den deutsch-polnischen Beziehungen zu erzählen, die – so mein subjektiver Eindruck – in den Lehrplänen der NRW-Gymnasien viel zu kurz kommen. Auf teilweise wenig befestigten Waldwegen ging es weiter über Alt-Jablonke und vorbei am Sägewerk mit einem kleinen Zwischenstopp an der Badestelle des Konninsee, dessen trübes Wasser uns überraschte – obgleich wir natürlich nicht die Absicht hatten, in die Fluten einzutauchen. Vorbei an Judensee und Judenfriedhof fuhren wir sodann zur Rancho Colorado, einem Agrarhotelressort zwischen Tirschtiegel und Kupferhammer, wo wir um 14 Uhr mit Familie Czabanski verabredet waren. Zu unserer freudigen Überraschung stellte sich auch Freund Wojtek ein, sodass wir für ca. 2 Stunden bei einem gemeinsam Essen à la carte unser Wiedersehen genießen konnten. Während die Geschwister Czabanski zurück nach Posen mussten, warfen wir zusammen mit Wojtek in Tirschtiegel zunächst noch einen Blick in die kath. Kirche, die ja das Altarbild des nach 1945 abgetragenen ev. Gotteshauses beherbergt, um anschließend noch beim Karschin-Haus (eine bekannte Dichterin) vorbeizuschauen. Dieses Haus – zu deutscher Zeit ein exponiertes Gebäude, beliebtes Postkartenmotiv und eine Attraktion Tirschtiegels – wurde jüngst von einer Familie gekauft und wird, da es nicht dem Denkmalschutz unterliegt, – derzeit nach den Vorstellungen der neuen Besitzer saniert, renoviert, modernisiert. Wir durften den Bau betreten und uns im komplett entkernten Erdgeschoss umsehen.
Alle Dielenbretter waren entfernt, sodass im jetzigen Bauzustand in den unteren Räumen der neumärkische Sand zum Vorschein kommt, denn natürlich ist das Haus nicht unterkellert. Moderne Fenster werden eingebaut und die Deckenbalken sind von den Farbanstrichen der Jahrhunderte befreit, sodass man uns die freigelegten Schnitzereien zeigen konnte. Neben mehreren eingearbeiteten Ornamenten ist deutlich zu lesen: „Dezember Anno 1770“. Erst später fing ich an zu rechnen und kam ins Grübeln: Die Dichterin wurde 1722 in der Nähe von Schwiebus geboren. Nach dem Tod ihres Vaters 1728 heiratete ihre Mutter erneut und gab die Tochter lt. Wikipedia „zu einem Verwandten in Tirschtiegel, der ihr das Lesen und Schreiben sowie Grundkenntnisse in Latein beibrachte. 1732 holte ihre Mutter die ungeliebte Tochter zurück, da sie das Alter erreicht hatte, um ihr als Kindermädchen für die Stiefgeschwister, als Kuhhirtin und Magd von Nutzen zu sein.“ Und der Historiker Dr. Klaus Scheel hatte 2008 in einem Beitrag festgehalten: „Im Jahre 1927 wurde dort (nämlich am Karschin- Haus) eine Ehrentafel angebracht: „Anna Louise Karschin, die deutsche Sappho, verlebte in diesem Gebäude ihre Jugend von 1730 – 1738“. Diese Tafel ist nach 1945 entfernt worden.“ Diese offenbaren Widersprüche vermag ich nicht aufzulösen, aber wenn das Karschin- Haus erst 1770 gebaut wurde - und der Deckenbalken mit seiner Inschrift scheint ein eindeutiger Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme zu sein - dann ist davon auszugehen, dass sich die Marketingstrategen der Stadt Tirschtiegel 1927 das falsche Haus ausgesucht hatten, um mit der Karschin mehr Touristen nach Tirschtiegel zu locken! Nach der Verabschiedung von Freund Wojtek machten wir noch einen kurzen Abstecher zur nahegelegenen Schule und dem ehemaligen Schlosspark; hier hatte der Großvater seinen Enkeln natürlich wieder Einiges aus der Familiengeschichte zu berichten und verwies dabei u.a. auf den schmiedeeisernen Zaun, der aus der Zeit stammt, als hier noch das Schloss der Familie stand.
Am Donnerstag (24.10) waren wir mit dem Kazimiers Kowalczyk aus Stary Folwark / Altvorwerk verabredet, mit dem ich vor Jahren schon einmal Kontakt hatte, als es um die originalgetreue Restaurierung einer Mariensäule ging. Wir trafen uns um 10 Uhr bei der Forstdirektion in Bolewice/Bolewitz, wo uns die dortigen Forstbeamten bereits zu einem zweiten Frühstück erwarteten und uns dabei in einem interessanten Gespräch anhand einer Reihe von Bildtafeln, auf denen sich auch ein Foto meines Vaters befindet, die Aufgaben der staatlichen Forstverwaltung erklärten.
Anschließend führte man uns noch in ein kleines Museum, in dem u.a. sämtliche Arbeitsgeräte der Forstwirtschaft zu sehen sind, verschiedene Arten von Bienenstöcken und auch Originalteile der Treppe des um 1890 von meinem Großvater er bauten und 2005 sanierten und dafür von der Denkmalschutzbehörde ausgezeichneten Marienturms, zu dem wir anschließend fuhren. Er steht mitten im Wald auf dem 108 m NN hohen Teufelsberg, ist 24 m hoch, dient der Früherkennung von Waldbränden und bietet – bei klarer Sicht – einen phantastischen Ausblick in alle Himmelsrichtungen. Früher mit Forstleuten besetzt erfolgt heute die Überwachung voll elektronisch mit Hilfe von Kameras und ständigen automatischen Bildvergleichen. Der Aufstieg war für uns Alten recht anstrengend, aber hat sich, obgleich es leicht diesig war, unbedingt gelohnt.
Nach diesem buchstäblichen Höhepunkt fuhren wir über Alt-Jablonke zum Sägewerk am Konnin-See. Während der Vorbereitungen unserer Reise hatte ich zweimal per E-Mail auf Deutsch und Polnisch den Besitzer, die Werth-Holz SA, kontaktiert und um Einlass gebeten – erfolglos, keine Reaktion. Mit den Forstleuten aus Bolewice war die Besichtigung kein Problem. Es war beeindruckend zu beobachten, wie mit Hilfe des modernen Maschinenparks in wenigen Arbeitsgängen komplette Kiefernstämme zu Bauholz für Blockhütten, Gartenhäuser, Zäunen etc. verarbeitet wurden – und das nahezu staubfrei, denn die Sägespäne werden direkt am Entstehungsort abgesaugt, zentral gelagert und finden Verwendung bei der Produktion von Spanplatten. Man sagte uns, dass in dem Sägewerk früher ca. 40 Leute tätig waren, heute aufgrund der Rationalisierung und der fortgeschrittenen Automatisierung aber nur noch 20 Mitarbeiter beschäftigt seien.
Nach der Besichtigung des Sägewerks am Tirschtiegeler Konninsee fuhren wir alle weiter nach Altvorwerk zu einem alten evangelischen Friedhof, den Kazimiers so gut es geht pflegt und in Schuss hält; die Gräber stammen größtenteils aus dem 19. Jahrhundert. Ich möchte ihm an dieser Stelle nochmals aus ganzem Herzen für sein Engagement danken – ein beeindruckendes Beispiel für gelebte, tätige polnisch-deutsche Aussöhnung und Freundschaft, die er für sich, ganz im Stillen praktiziert. Ein solches Handeln verdient höchsten Respekt! Für die beiden Forstleute wurde es Zeit, nach Bolewice an ihren Arbeitsplatz in der Forstverwaltung zurückzukehren – nicht, ohne dass wir uns bei ihnen herzlich für die Führung durch die ehemaligen Wälder meines Vaters bedankt hatten. Da der beim Bürgermeister von Tirschtiegel vereinbarte Termin uns einen terminlichen Spielraum ließ, fuhren wir zunächst zur bereits oben angesprochenen Mariensäule bei Altvorwerk, deren Renovierung, wenn ich es richtig verstanden habe, in der Regie der Forstverwaltung durchgeführt worden war. Anschließend ging es noch zu Kazimiers Anwesen, wo uns seine Frau mit Kaffee und Kuchen verwöhnte, bis wir nach Tirschtiegel aufbrachen, um unseren vereinbarten Termin wahrzunehmen.
Seit den Kommunalwahlen im April 2024 ist Jacek Ignorek neuer Bürgermeister in Tirschtiegel. Er ist deutlich jünger als sein Vorgänger und mit Kazimiers verwandt, so dass uns dieser miteinander bekannt machte. Natürlich muss er sich erst in alle ihm nun gestellten Aufgaben einarbeiten, wozu ihm der Heimatkreis Meseritz von dieser Stelle aus viel Erfolg wünscht, ebenso für sein zukünftiges Wirken in meinem Heimatstädtchen. In Sachen evangelischer Friedhof gibt es keine neuen Ideen. Auch er würde den Gottesacker gern in einen Bürgerpark umgestalten, allein das Geld….., das alte Problem. Nach dem etwa viertelstündigen Besuch zeigte uns Kazimiers hinter dem Rathaus noch Tirschtiegels wohl neueste Errungenschaft, die Promenade entlang der Obra von der Brücke bis zum Windmühlensee. Dann verabschiedeten wir uns herzlich von ihm und bedankten uns für seine informative Rolle als Gästeführer. Nun nutzen wir die Gelegenheit und fuhren zum ehemaligen ev. Tirschtiegeler Friedhof, dessen Zustand unverändert ist. An den Resten unserer zerstörten Familiengruft saßen zwei Jugendliche und genossen ihre Getränke. Ich habe meinen Enkeln dennoch die dort in Stein gemeißelte Zahl 1867 gezeigt. Das Grabmal von Gretel Lehmanns Mutter 1934 lugt noch immer aus dem üppigen Bodenbewuchs hervor und die Gedenkstätte, also Kruzifix und Gedenkstein waren in Ordnung, ja machten geradezu einen gepflegten Eindruck. Und tatsächlich, in den wenigen Minuten, in denen wir uns dort aufhielten, kam eine Frau und stellte einen neuen Strauß (Kunststoff-) Blumen am Gedenkstein ab. Sogleich versuchte ich, sie nach Motivation oder Auftraggeber zu fragen, aber leider hatte ich keine Chance, mich verständlich zu machen. Erst später fiel mir ein, dass mein Enkel mit seinem Handy eine Verständigung mit entsprechender Übersetzungs-App hätte möglich machen können, aber da war die Frau schon wieder gegangen.
Schließlich fuhren wir nochmals zum ehemaligen Schlosspark, um den Enkeln die alte Platane zu zeigen, die dort seit Jahrhunderten steht und einen entsprechenden Umfang hat. Es wurde allmählich Zeit, an die Rückfahrt nach Betsche zu denken. Unterwegs machten wir noch einen Stopp an der Kapelle in Rybojadel, wo meine Frau und ich in der Vergangenheit an manchem Gedenkgottesdienst teilgenommen hatten. Auch dieser Gedenkstein macht einen einwandfreien Eindruck, das Herbstlaub als Bodendecker entspricht einfach der Jahreszeit und ist nicht zu beanstanden.
Von den vielen Eindrücken des Tages leicht ermüdet aber froh in Betsche angekommen, wartete bereits Prof. Marceli Tureczek, Historiker und Professor an der Universität Zielona Góra/Grünberg. Wir hatten in der Vergangenheit verschiedentlich Kontakt, ohne uns persönlich zu kennen. Unser Besuch sollte das anonyme Verhältnis ändern. Da unser Tagesprogramm jedoch stets so angefüllt war, hatte ich ihn kurzerhand gefragt, ob ich ihn nicht zum Abendessen nach Betsche einladen dürfe. Und so hatte er auf seinem Rückweg von der Uni Grünberg zu seinem Haus in Wischen freundlicherweise einen Umweg über Betsche gemacht, um ein gemeinsames Abendessen mit uns einzunehmen. Wir hatten während des Essens in einer sehr angenehmen Gesprächsatmosphäre einen anregenden Gedankenaustausch, den wir beide bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit gern fortsetzen würden.
Am Freitag (26.10.) stand das Zentrum von Meseritz im Mittelpunkt unserer Planung. Wir waren um 10 Uhr in Obrawalde mit Freund Wojtek vor dem Verwaltungsgebäude verabredet. Er führte uns zunächst in das kleine Museum, wo wir die Möglichkeit hatten, anhand der Exponate unseren Enkeln die unsagbaren, unmenschlichen Verbrechen zu erläutern, die ab 1941 das Nazi-Regime im Rahmen der Aktion T4 an Teilen der deutschen Bevölkerung hier in Obrawalde mit etwa 10.000 Opfern begangen hat und die – insbesondere bei den Familien der Opfer – nicht vergessen sind und auch nicht vergessen werden dürfen. Daran schloss sich ein Rundgang über das weitläufige Gelände an, wobei wir die abseits liegenden Massengräber und die dortige Gedenkstätte nicht ausließen. Nach etwa 2 Stunden fuhren wir in das Zentrum von Meseritz in das Museum Alf Kowalski. Den neu angelegten Parkplatz und den schönen durch den Park über eine kleine Brücke führenden Weg zum Museum kannten wir noch nicht – eine gelungene Erneuerung für das Museum, wo man uns bereits erwartete. Direktor Andrzej Kirmiel war gerade im Ausland unterwegs, doch mit Wojtek hatten wir einen ebenbürtigen Museumsguide an unserer Seite. Die Bedeutung der Sargporträts – sowohl für das Meseritzer Museum als auch für die Bestattungskultur des 16. und 17 Jahrhunderts – wurde uns über Lautsprecher vermittelt.
Die wichtigsten Exponate in den übrigen Räumen erklärte uns Freund Wojtek, der uns nach dem Museumsbesuch zur Meseritzer Synagoge begleitete. Dieses Gebäude war vor Jahren von privater Hand gekauft und recht gründlich renoviert worden, wobei auch eine ursprünglich nicht vorhandene Zwischendecke eingezogen wurde, um es dann an einen chinesischen Kaufmann zu vermieten.
Inzwischen hat das chinesische Warenhaus den ursprünglichen Sakralbau geräumt und die Stadt Meseritz hat es dem Investor abgekauft, die ihrerseits das jüdische Gotteshaus nun dem Museum zur weiteren Nutzung zur Verfügung stellt. Derzeit steht die obere Etage noch leer, während auf der unteren Ebene eine Ausstellung über jüdisches Leben diesseits und jenseits der Oder gezeigt wird. Von der ehemaligen Synagoge war es nicht allzu weit zum Höhepunkt des Tages, vielleicht sogar unserer gesamten Reise, dem Landratsamt bzw. dem Landrat. Im Zuge der Gesprächeüber den ev. Friedhof Kurzig und eine dortzu errichtende, wie auch immer geartete Gedenkstätte hatte Freund Wojtek persönlichen Kontakt zu dem im April gewählten neuen Starost bekommen, der von sich dann ein Gespräch mit dem Heimatkreis Meseritz vorschlug, das nun stattfinden sollte. Herr Boguslaw Zaborowski, übrigens von Beruf Tierarzt, hatte sich nahezu eine ganze Stunde für unseren Besuch Zeit genommen, wobei er und sein Pressesprecher, Borys St. Morawiak, dieser perfekt und akzentfrei deutschsprechend, eine sehr angenehme, entspannte, ja freundschaftliche Gesprächsatmosphäre zuließen, die mich persönlich stark beeindruckt hat. Wir sprachen über das von Heimatfreunden initiierte und derzeit in den obligatorischen Verwaltungsmühlen der kommunalen Bürokratie befindliche Vorhaben in Kurzig ebenso wie über das Angebot des Pressesprechers, offizielle Texte des Landratsamtes im HEIMATGRUSS abdrucken zu können. Schließlich fragte ich ihn, ob er sich vorstellen könne, einmal zusammen mit seinem Pressesprecher zu unserem Heimatkreistreffen nach Perleberg zu kommen, worauf er ohne zu zögern sofort antwortete, er würde auch nach Perleberg kommen. Die offizielle Einladung des Heimatkreises nach Perleberg wurde inzwischen ausgesprochen.
Vom Landratsamt führte uns Wojtek auf direktem Weg nach Kursko/Kurzig zum ehemaligen ev. Friedhof, über den ich in den vergangenen zwei Jahren viel gelesen und auch geschrieben habe, ohne ihn jedoch aus eigener Anschauung zu kennen.
Während der etwa 300 m lange Zuweg zum Wald noch halbwegs freigeschnitten und begehbar war, war das Gebüsch, das Gestrüpp, das Dickicht im Wald, d.h. auf dem Gelände, auf dem sich einst der Friedhof befand, nahezu undurchdringlich. Ich war ehrlich erschrocken; diesen Zustand hatte ich mir so nicht vorgestellt. Wojtek und ich kämpften uns förmlich durch den Dschungel – angesichts des ehemaligen Gottesacker wäre der Terminus „Grüne Hölle“ zwar treffend, aber sicherlich fehl am Platz. Ich habe keinen einzigen Grabstein gesehen, auch nicht danach gesucht; Wojtek zeigte mir die Reste einer früheren Einfriedung: Stabile Granitsäulen, an denen die Rudimente eines hölzernen Zaunpfahls zu erkennen waren. Ich verstand jetzt, warum der Landrat in unserem Gespräch vorgeschlagen hatte, lediglich einen Stein mit einer entsprechenden Gedenkplatte am Anfang des Waldstücks aufzustellen. Jede andere Lösung würde entweder ständige Pflege voraussetzen oder aber ein Raub der sich wieder ausbreitenden Natur sein. Derzeit befindet sich der von unseren Freunden Wojtek Derwich und Bogdan Mikolajczyk aus Meseritz eingereichte Vorschlag in den Mühlen der kommunalen Bürokratie, um die beste Lösung für eine Gedenkstätte zu finden. Um diese dann umsetzen zu können, bitte ich unsere Leser an dieser Stelle erneut um Spenden auf das Konto des HKr Meseritz, IBAN: DE85 4765 0130 1010 2375 09 – Stichwort: Friedhof Kurzig. Wir haben bereits einen Grundstock, der aber nicht ausreichen wird, um die zu erwartenden Kosten auch nur annähernd zu decken. Nachdem wir uns aus der üppigen Natur zu unseren Autos zurückgek.mpft hatten, besprachen wir noch kurz unser Programm für den nächsten Tag und verabschiedeten uns dann von Wojtek, der nach Meseritz fuhr und wir nach einem anstrengenden, aber erfüllten Tag zum Abendessen nach Betsche. Am Samstag (26.10.), dem vierten und letzten Tag unseres Aufenthaltes stand zunächst eine Fahrt zur 36 m hohen Christus-Statue in Swiebodzin/Schwiebus auf unserem Programm. Wir sahen uns alles an, machten ein paar Fotos und schließlich ließen die Enkel ein Steinmännchen zurück. Ob die beiden wohl eines Tages wieder an diesen Ort zurückkehren? Vielleicht dann mit ihren Enkelkindern, vielleicht auch schon früher? Ich würde es mir wünschen! Um 12 Uhr waren wir mit Wojtek in Pniewo/ Pinne am Festungsmuseum verabredet. Er hatte dort die „kleine Führung“ vorbestellt - 90 Minuten auf Deutsch von einem Panzerwerk durch die Katakomben zum nächsten Werk. Vor dem Einstieg in die Unterwelten verabschiedeten wir uns bei ihm und bedankten uns für alles, was er für uns in den vergangenen Tagen auf die Beine gestellt und eingestielt hatte. Ganz große Klasse, lieber Wojtek!! Du hast vor allem auch für meine Enkel ein unvergessliches Superprogramm zusammengestellt. Vielen, vielen Dank! Wir Alten hätten gut und gern auf den Abstecher nach Pinne, auf diese anstrengende Herausforderung mit 120 Stufen abwärts und der gleichen Anzahl wieder aufwärts verzichten können, zumal ich mit weitaus weniger Jahren auf dem Buckel den gleichen Gang schon einmal hinter mich gebracht hatte – und mein Hang zu klaustrophobischen Attacken ist mit zunehmendem Alter nicht gerade kleiner geworden. Aber für die Jungen war diese Besichtigung natürlich eine „Mordsgaudi mit hohem Erinnerungswert“. Wenn man 80 Jahre zurückdenkt und sich das Leben der damaligen Soldaten in diesen Festungswerken vor Augen führt, dann ist es mit der Gaudi jedoch schnell vorbei und man wird von Mitleid oder einfach nur von Beklemmungen und Schauder ergriffen. Die gesamte Festungsanlage ist ja auch bekannt als eines der größten oder überhaupt das größte Fledermausreservat in Europa.
Und tatsächlich, wir haben auch einige Exemplare gesehen. Allerdings hat uns unser Guide auf die unscheinbaren Tierchen aufmerksam gemacht, ohne seine Hinweise hätten wir sie wohl nicht entdeckt. Wir waren jedenfalls froh, als wir den Aufstieg geschafft hatten und wieder am Tageslicht und an der frischen Luft waren. Jetzt waren nur noch die 800 m zurück zum Einstieg entlang den Drachenzähnen der Panzersperre zurückzulegen, und am Ende gab es am Kiosk Cola satt – und ein paar Erinnerungsfotos. Nicht weit von Pinne liegt Nitoperek/Nipter, der Heimatort des langjährigen, am 16. März 2024 verstorbenen Schatzmeisters des HKr, Aribert Heinrich. Hier sollte die letzte Besuchsstation dieses Tages und zugleich auch unserer Fahrt kreuz und quer durch unsere Heimatregion liegen. Wir wollten in Nipter mit der Garteneisenbahn fahren. Ohne ortskundige Begleitung, der polnischen Sprache nicht mächtig und zudem keine Adresse parat – es war nicht ganz so einfach, unser Vorhaben umzusetzen, aber am Ende hat es doch noch geklappt. Die Fahrt an unserem letzten Ausflugstag nach und in Nipter hat sich unbedingt gelohnt und war ein kleines, von Geschichte und Kultur unberührtes Schmankerl zum Abschluss unserer Reise nach Polen. Pünktlich um 18 saßen wir wieder wie jeden Abend an einem reichlich gedeckten Tisch auf dem Folwark Pszczew. Hier erfuhren wir jetzt auch den Grund für die vielen Menschen im Hotel: Über das Wochenende fand ein Kinderärzte- Kongress statt. Lukasz Robak und sein gut eingespieltes Team hatten die gesamte Logistik inkl. Unterbringung und Verköstigung aller Teilnehmer übernommen. Die große Eventhalle mit eigener Großküche, links von der ehemaligen Brennerei gelegen, diente als eindrucksvolles Kongresszentrum. Dort sollten wir am Sonntag (27.10.), unserem Abreisetag, unser Frühstück einnehmen. Ein riesiges Frühstücksbüfett für die Teilnehmer des Ärztekongresses ließ keine Wünsche offen und wurde vom Team Folwark selbst ausgerichtet. Kein Catering-Unternehmen hätte es besser, reichhaltiger und appetitanregender herrichten können. Absolute Spitze! Als wir am Frühstückstisch saßen, kam Lukasz zu uns und frühstückte mit uns. Er war im Stress, ganz klar, dennoch nahm er sich Zeit für uns und zeigte uns kurz vor unserer Abfahrt noch seinen „Hobbykeller“. ![]() Lukasz erzählte uns, dass er zwei Weinberge habe, einen kleinen zwischen Schloss und Brennerei und einen großen in der Nähe des Folwarks. Von der Lese über das Keltern bis zum Abfüllen und Verkorken des Weins macht das Team Robak alles selbst. Und Lukasz brennt sogar seinen eigenen Grappa. Absolut beeindruckend. Am Ende unserer Besichtigung – wegen der bevorstehenden langen Fahrt kam eine Weinprobe natürlich nicht in Frage – füllte er uns aus einem der Edelstahlkessel direkt eine Flasche Riesling ab. Ihr lieben Freunde in Polen, egal, ob Wojtek oder Lukasz, ob Starost Zaborowski oder Malgorzata, ob Kazimiers oder Tomasz oder alle Nichtgenannten, Ihr habt uns einen unvergleichlichen, erlebnisreichen und unvergesslichen Aufenthalt im Meseritzer Ländchen ermöglicht und bereitet, der, so hoffe ich, auch als Saatkorn in den Herzen meiner Enkel eines Tages Früchte tragen möge. Wir danken Euch aus tiefem Herzen für die schönen gemeinsamen Stunden und für all Eure Mühe, die Ihr für uns aufgebracht habt. Eure Freundschaft ist uns sehr wichtig. Möge sie sich weiter entwickeln und irgendwann unsere Völker durchdringen und beseelen. ![]() |
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