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Aus der polnischen Presse Prof. Dr. Malgorzata Czabanska-Rosada - Korrespondenz und Übersetzung Bilder: Gazeta Lubuska Meseritz /Miedzyrzecz Hexenverbrennung auf der Burg nachgespielt Das „Nachspielen” eines Hexenprozesses wird eine Attraktion für die für Mai geplante „Museumsnacht”. Als historisches Muster dient das Verbrennen von Katharina Grasse, die im 17. Jh. in Grünberg ihr Ende auf einem Scheiterhaufen fand. Die Idee, ein solches Schauspiel „nachzuspielen” hatte Museumsdirektor Andrzej Kirmiel. „Ähnliche Prozesse fanden zu jener Zeit auch in Meseritz und Umgebung statt.” sagt er. Schauplatz des Spektakels wird der Burghof sein. Das Programm umfasst ausserdem eine Vorlesung von Prof. Wijak über Hexenprozesse, Fecht-Schaukämpfe „alter Krieger” des Meseritzer Ritterclubs sowie ein Konzert des Ensembles Antiquo More. Der Eintritt zur „Museumsnacht” ist frei. Schwarzbrennen lohnt noch immer In Meseritz ist die Tradition des Schwarzbrennens wieder aufgeblüht. Kurz nacheinander hob die Polizei zwei illegale Wodkabrennereien aus. Im Asservatenraum der Meseritzer Polizei werden 2 grosse Kunststoffflaschen aufbewahrt, die als Beweismittel sichergestellt wurden. In den Flaschen befindet sich schwarzgebrannter Schnaps. Dessen Herstellung ist zwar verboten, kann aber an Hand von einigen Litern Alkohol und Maische immer wieder im Meseritzer Land nachgewiesen werden. Die Flüssigkeit in manchen Flaschen ist klar, das ist das Endprodukt. In anderen Behältern braust noch trübe Maische mit ihrem charakteristischen Geruch. Eine erste Schwarzbrennerei wurde in Kurzig ausgehoben, eine zweite in Meseritz. Auf Schwarzbrennerei steht ein Jahr Haft. Die illegale Alkoholerzeugung assoziiert man vor allem mit den kommunistischen Zeiten und dem „Kriegszustand“, als Alkohol rationiert war. Und die Rezeptur ist ganz einfach 1410. Hierbei geht es nicht um das Datum der ersten Schlacht bei Tannenberg, bei der das Heer des Deutschen Ordens dem polnischen König Wladislaw Jagiello unterlag, sondern um das Verhältnis 1 kg Zucker zu 4 l Wasser zu 10 Dekagramm Hefe. Schwimmen in eiskaltem Wasser Ende Februar stellten die eisigen Flussufer bei Blesen die grösste Herausforderung für 32 Teilnehmer einer Kanuwanderfahrt auf der Obra dar. „Die Obra ist ein Superfluß“, meinte der 62jährige Marian Hampel, der in Slips auf der Obrawiese bei Althöfchen herumlief. Er schlug Purzelbäume und sprang mehrmals ins eiskalte Wasser, dann schwamm er eine 800 m-Strecke. Wo hat er diese Vitalität her? „Ich bin Mitglied des „Walroßklubs“. Dank des Schwimmtrainings in eiskaltem Wasser bin ich kerngesund. Unser Körper ist so stark wie die Seele. Und ich bin immer noch lebenshungrig“, erklärt er. Zusammen mit Hampel haben 31 Draufgänger den Fluss bezwungen. Sie alle schafften die 1,5 km lange Strecke. Und obwohl dies gar nicht einfach war, meldeten sich alle glücklich am Ziel. Wohin mit den Grabplatten des ehem. evangelischen Friedhofs? Beim Museum lagern ca. 80 Grabplatten vom ehem. ev. Friedhof. Dem Museumsdirektor schwebt vor, daraus eine Art Lapidarium zusammenzustellen. Es gibt Stimmen, die dafür eintreten, dass der HKr Meseritz sich bei diesem Vorhaben engagiert. Der ev. Friedhof wurde in den 1980er Jahren aufgelassen. Grabplatten aus Sandstein wurden zerstört, solche aus Granit oder Marmor nach Bentschen verbracht. Einige Jahre lang nutzten Steinmetze diese Platten. Nachdem sie die deutschen Inschriften beseitigt hatten, versahen sie sie mit polnischen Texten und stellten sie auf polnische Gräber. Ein Teil der Platten blieb jedoch erhalten. Tomasz Czabanski vom Verein POMOST entdeckte sie in Bentschen und auf seine Initiative hin wurden die Platten im Sommer 2010 nach Meseritz verbracht, jedoch nicht an ihren ursprünglichen Aufstellungsort, den ehem. ev. Friedhof, sondern in den Park des Museums. Dort liegen sie nun herum und verwittern weiter. „Sie sind Zeugnisse der reichen multikulturellen Geschichte unserer Stadt und sollten einen angemessenen Aufstellungsort erhalten“, sagt Museumsdirektor Andrzej Kirmiel. Er meint, man könne sie in die Ummauerung des sog. alten katholischen Friedhofs einmauern, der unmittelbar an den planierten ev. Friedhof grenzte. Grundstückseigentümer ist die Stadtverwaltung. Was ist ihre Ansicht zu diesem Thema? „Es ist ein sehr edelmütiges Vorhaben, allerdings haben wir keine Haushaltsmittel dafür; wir werden das Thema jedoch behandeln“, sagt Tadeusz Dubicki, der Bürgermeister. Der Museumsdirektor hatte seine Vorstellung anlässlich der letzten Konferenz über evangelische Friedhöfe im Museum präsentiert. Die Diskussion darüber dauerte zwei Stunden. Helena Nycz aus Nipter wies darauf hin, dass dem ehem. jüdischen Friedhof an der Landsberger Strasse ein ähnliches Schicksal beschieden war. Wladyslaw Biernat schlug vor, die Platten in Kapellen im alten Teil des kath. Friedhofs unterzubringen. Andere stimmten dem Kirmiel-Vorschlag zu. Aber woher sollten die Mittel für das Vorhaben kommen, wo doch weder die Stadt noch das Museum Geld haben? Dann kam der Gedanke auf, die 1945 vertriebenen ehem. Einwohner von Meseritz, d.h. den HKr Meseritz, dafür in Anspruch zu nehmen; dieser Gedanke rief allerdings Widerspruch hervor, er wurde als ungehörig bezeichnet. „Dies ist eine heikle Angelegenheit, die Deutschen hier zur Kasse zu bitten gehört sich einfach nicht. Wir sollten allein mit dem Problem fertigwerden“, sagt Zofia Plewa, die stellv. Vorsitzende des Stadtrats. Lukasz Bednaruk, ein Mitarbeiter des Museums, beklagt, dass die aus historischer Sicht interessantesten und wertvollsten Grabplatten nicht erhalten geblieben sind. Sie waren aus dem für Steinmetze kaum brauchbaren Sandstein gefertigt und wurden daher auch zerstört. Die erhaltenen Grabplatten aus Marmor oder Granit entstammen alle dem Ende des 19. bzw. dem Anfang des 20. Jhs.. Von den älteren gibt es nur Fotos aus den 1930er Jahren, angefertigt vom Meseritzer Fotografen Friedrich Meyer. Die Meseritzer evangelische Gemeinde entstand schon in der ersten Hälfte des 16. Jhs.. Einige Jahre später bekannte sich eine bedeutende Mehrheit der Bürger sowie des Adels zur Lehre Luthers. Der ev. Friedhof entstand 1609 in der damaligen „Brätzer Vorstadt“, auf ihm beerdigten die Protestanten ihre Verstorbenen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Planieren des Friedhofs wurde auf seinem Nordteil ein Restaurant errichtet, im Südteil ein Spielplatz. In den 1990er Jahren wurde, gemeinsam initiiert durch den damaligen Vorsitzenden des HKr Meseritz e.V., Konrad v. Tempelhoff und den seinerzeitigen Bürgermeister Wladyslaw Kubiak und finanziert durch den HKr Meseritz, auf dem Gelände ein Gedenkstein zur Erinnerung an die ehem. ev. Bürger errichtet und in einem ökumenischen Gottesdienst geweiht. Beide Initiatoren leben nicht mehr. Die Fresken in der Meseritzer Kirche sind ein großer Schatz In der St. Johannes-Kirche können wir unter anderem den gehörnten Teufel und den Tod mit der Sense sehen. Es handelt sich um eine Darstellung aus der Renaissance. Der Künstler hat im Presbyterium zur Warnung vor einem Leben in Sünde und Überfluss eine Galerie von Sündern und Heiligen gemalt. Die Wandmalereien sind ein unschätzbares historisches Objekt. Sie entstammen der ersten Hälfte des 16. Jhs. und wurden bei Konservierungsarbeitem im Presbyterium entdeckt. Es handelt sich bei ihnen um die einzigen Renaissancepolychromien in der Region. Für die Kunsthistoriker stellen sie einen unverhofften Glücksfall dar. Dargestellt werden verschiedene biblische Szenen, unter anderen die Verdammten und der Teufel, der mit einer Heugabel auf seine Opfer einsticht. „Es sind traditionsreiche Vorstellungen vom Jüngsten Gericht und von den Strafen, die für unsere Sünden auf uns warten“, sagt die Kunsthistorikerin Danuta Mucha, die die Fresken seit dem vergangenen Jahr erforscht. „Das künstlerische Niveau der Fresken ist nicht besonders hoch, ich würde es als „provinziell“ bezeichnen. Ihr Schöpfer dürfte aus den Reihen der örtlichen Handwerker stammen. Gleichwohl spiegeln sie eine sehr interessante und seltene Auffassung wider“, sagt Mucha. Die Wissenschaftler hatten keinerlei Probleme mit der Bestimmung des Alters der Fresken. Ihr Schöpfer versah sie mit dem Datum „1545“ und dem Wappen Jastrzebiec, mit dem Wawrzyniec Myszkowski zu siegeln pflegte. Dieser stammte zwar aus Kleinpolen, bekleidete jedoch das lukrative Amt des Meseritzer Starosten. Ryszard Patorski ist der Meinung, dass Myszkowski die Fresken gestiftet hat, damit sein Sohn Stanislaw das Amt und die damit verbundenen Privilegien erben konnte. „1546 wurde Stanislaw Myszkowski Meseritzer Starost. Danach spielte er seinen Untergebenen einen Streich, indem er 1556 zur Lehre Luthers konvertierte und die Kirche an die Protestanten übergab. Die Katholiken haben die Kirche erst 1604 nach der Intervention des Kronfeldherrn sowie des nachfolgenden Meseritzer Starosten Jan Zamoyski wiederlangt, erzählt Patorski. Die Entdeckung der Fresken hat eine besondere Bedeutung für Historiker. Bisher waren sie überzeugt, dass das Presbyterium auf das 17. Jh. zu datieren sei. 1520 wurde die Stadt von Truppen Wolf von Schönbergs, dem Condottiere (Söldnerführer), dessen Name in Europa Angst und Schrecken auslöste, erobert und verwüstet. Seine wilden Haufen zerstörten u.a. auch die Kirche. Dank der Fresken weiß man nun, daß die Kirche viel früher wiederaufgebaut wurde, als wir dachten“, sagt Patorski. Ein 72jähriger Meseritzer stellt in Rom persönlichen Marathonrekord auf Der Rentner Stanislaw Skrzek ist 72 und hat viele sportliche Hochleistungen vollbracht. Im April schaffte er den Rom-Marathonlauf in sechs Stunden. Er kam mit einer Medaille nach Hause, hochbefriedigt, sein Ziel erreicht zu haben. Der pensionierte Lehrer ist einer der ersten Meseritzer Langstreckenläufer. Trotz seines Alters nimmt er noch an mancherlei Laufwettbewerben teil, die in Meseritz und Umgebung veranstaltet werden. Im April flog er mit einer Sportlergruppe nach Rom, um an einem der grössten Marathonläufe Europas teilzunehmen. Start war beim Kolosseum, beteiligt waren 14.000 Läufer aus der ganzen Welt. Skrzek benötigte 6 h 15 min. „Das ist mein Lebensrekord in der Alterskategorie „über 70“. Ich hätte eine bessere Zeit erreicht, aber 2 km vor dem Ziel bin ich gestolpert und hingefallen. Erst dachte ich, ich schaffe es nicht weiter, aber es gelang. Ich nahm alle Kraft zusammen und erreichte das Ziel. Das macht den erfolgreichen Sportler aus, daß er nämlich alle Kraft zusammennimmt und weitermacht“, erzählt er. Die Marathonläufer aus Meseritz kamen mit Medaillen aus Rom zurück. Skrzek fing vor über 50 Jahren mit Sport an. Als junger Läufer startete er über kürzere Distanzen. Dann trat eine Pause ein und er kehrte erst vor 15 Jahren zum Sport zurück. Er hat 10 Medaillen errungen, davon 4 goldene, gewonnen bei polnischen Veteranen-Meisterschaften. Auf den Rom-Marathon bereitete er sich ein Jahr lang vor. In dieser Zeit nahm er 12 kg ab. Fabrik statt Gleisanschluß Das Gewerbegebiet erfuhr kürzlich eine Erweiterung um 2 Hektar. Der Stadtrat hatte einer Umwandlung des Gleisanschlusses in Investitionsgelände zugestimmt. Als man das Gewerbegebiet konzipierte, hatte man auch einen Gleisanschluss mit Rangierplatz vorgesehen. Im März wurde dieses Konzept revidiert und das hierfür vorgesehene Gelände als Grundstück für eine Industrieansiedlung bestimmt. Z. Zt. sind 5 Firmen im Gewerbegebiet tätig, was noch zu wenig ist. Daher wird jetzt im Rathaus überlegt, wie man weitere Investitionen anlocken kann. Modernes Kulturhaus endlich eröffnet Die 5 Jahre dauernde Renovierung und Modernisierung des Kulturhauses mit Kino ist abgeschlossen. Eröffnung war im März 2011. Die Arbeiten waren etappenweise durchgeführt worden und erstreckten sich über 5 Jahre. Zwischen dem Kulturhaus und der Packlitz wird jetzt ein moderner Parkplatz gebaut. Der Direktor des Kulturhauses beabsichtigt, darauf Freilichtkonzerte und Volksfeste zu veranstalten. Herr Henryk, der erste Nachkriegsfotograf in Meseritz Der pensionierte Angestellte der Polnischen Staatsbahnen PKP Henryk Wajnert war einer von 150 Teilnehmern des „Umsiedlerfests“. Ihm sind die ersten Nachkriegsaufnahmen von Meseritz zu verdanken. Nach Meseritz kamen Umsiedler aus den Gebieten der heutigen Ukraine, Weissrusslands und Litauens, manche auch direkt aus Lagern (GULAGs) in Kolyma und der kasachischen Steppe, wohin sie 1940 deportiert worden waren. Andere kamen in polnischen, sowjetischen und sogar deutschen Uniformen nach Meseritz. „Der erste organisierte Transport von Umsiedlern nach Meseritz erfolgte im Juni 1945. Er kam aus dem Raum Sbarasch im Bezirk Ternopil in der Ukraine. Im Juli wurden ca. 12.000 Deutsche aus dem Meseritzer Land vertrieben, dageblieben sind nur 2500 Autochthone, vor allem Einwohner von Groß Dammer und der Dörfer um Betsche, die in den Jahren der Teilung Polens und in der Zwischenkriegszeit eine bedeutende polnische Minderheit aufwiesen“, erzählt Ireneusz Jarnut, der Bürgermeister von Wischen. Mit einem der ersten Transporte kam neben anderen auch die Familie von Adela Gorgurewicz. Sie war damals 15 und hiess Czapla. „Wir kamen aus einem kleinen Dorf bei Sbarasch . Zuerst wohnten wir in Kainscht, später zogen wir nach Nipter“, erzählt sie. Frau Adela war über 30 Jahre lang Bürgermeisterin von Nipter, wohin im Herbst 1945 auch Stanislaw Dobrowolski gelangte in der Uniform der Roten Armee, weil er während der Kriegshandlungen in die sowjetische Armee eingegliedert worden war. Bis Berlin war er aber nicht gekommen; er wurde verwundet und lag im Lazarett. Nach Entlassung aus dem Lazarett kehrte er in sein Heimatdorf bei Sbarasch zurück. Aber die Einwohner waren nicht mehr da, sie waren alle nach Westen abtransportiert worden. Dorthin ging er auch und fand seine Nachbarn in Meseritz wieder. „Meine Wanderschaft durch Krieg und Nachkrieg fand mit der Hochzeit ihr Ende“, erzählt er. Die ersten Nachkriegsmonate in Meseritz waren überaus schwierig. Ein Teil der öffentlichen Gebäude war durch die abziehenden Deutschen in Brand gesteckt, andere von den Rotarmisten vernichtet worden. (Falschdarstellung: nach den der Redaktion HGr vorliegenden Informationen aus absolut zuverlässiger Quelle haben weder Deutsche noch Russen Teile von Meseritz in Brand gesteckt; dies geschah vielmehr durch marodierende polnische Elemente nach Abschluß aller Kampfhandlungen in und um Meseritz). Abends trieben Plünderer ihr Unwesen, oft hörte man Schüsse. Wajnert beschloss jedoch, zu bleiben. 1947 war er Gegenstand einer Sensation in Meseritz: er besass ein Auto einen Moskwitsch. Es war das erste Privatauto in der Stadt. „Als einziger besaß ich auch einen Fotoapparat. Ich machte auf verschiedenen Feiern Fotos“, berichtet er. Der Bahnarbeiter war der erste Nachkriegschronist der Stadt. Mit seinem Apparat hielt er die Umzüge zum 1. Mai und freiwillige Arbeitseinsätze fest, mit denen die Meseritzer ihre Stadt wieder in Ordnung brachten. Zwei Kilometer Gleis gestohlen Die Meseritzer Polizei verhaftete eine Bande, die zwischen Nipter und Kalau ca. 2 km Gleis demontiert hatte. Den Beamten war ein Transporter an der Bahnstrecke aufgefallen. Dort waren die Schienen und Schwellen schon demontiert. Neun Mann wurden verhaftet. Die von ihnen zerstörte Bahnstrecke war vor ein paar Jahren modernisiert worden. Sie besitzt ein spezielles NATO-Zertifikat, weil sich in Nipter ein Gleisanschluss für schwere Militäranlagen befindet. Der angerichtete Schaden wird auf 240.000 Euro beziffert. Nadelstühle eine Attraktion der Folterkammer Der Museumsdirektor will die Folterkammer dem Publikum bald zugänglich machen. Sein Mitarbeiter sitzt gerade noch auf dem „Hexenstuhl“, der zu den Exponaten gehört. Die Folterkammer wird sich in der Südbastei der Burg befinden. In der vergangenen Saison wurde dort ein Käfig mit der Attrappe eines Skeletts aufgestellt. Besucher fotografieren sich gegenseitig gern in Kübeln, die sich am Eingang befinden. Im Frühjahr wird die Folterkammer auch um Werkzeuge erweitert, mit denen früher „Geständnisse“ erpresst wurden. Hinrichtungen und Prügelstrafen zogen damals tausende von Gaffern an. Die Urteile wurden auf dem Markt, vor dem Rathaus, vollstreckt. Andrzej Samsel, Museumsmitarbeiter, arbeitet an einem Stuhl, der mit Nadeln bestückt wird, ein sog. „Hexenstuhl“. Tirschtiegel / Trzciel Straßennamen erinnern noch immer an die Rote Armee „Strasse der Roten Armee“ heisst eine der wichtigsten Strassen der Stadt. Der Markt trägt den Namen der durch Zwangsvereinigung entstandenen Polnischen Arbeiter- Partei. Manche stört dies, andere wollen, dass daran festgehalten wird. „Wir haben immer noch die „Strasse der Roten Armee“. Es ist eine Schande, daß ich hier wohne. Meine Verwandten und Freunde aus anderen Städten können kaum glauben, daß solche Relikte in Tirschtiegel erhalten geblieben sind. Sie sagen, unsere Stadt sei ein Freilichtmuseum des Kommunismus. Es ist höchste Zeit, damit Schluß zu machen“, fordert ein Einwohner. Der Name der Strasse erinnert an die sowjetischen Soldaten, die das Städtchen nach Tagen schwerer Kämpfe Ende Januar 1945 eroberten. Dann begannen sie damit, Tirschtiegel anzustecken, damit es vom Erdboden verschwinde. Nachdem ein bedeutender Teil der Stadt abgebrannt war, wurde die Aktion gestoppt. Dann beschlossen die kommunistischen Behörden, die Rotarmisten zum Namensgeber für eine der wichtigsten Strassen zu machen. „Aber nicht sofort. Gleich nach dem Krieg hieß die Straße „Berlinska Berliner Strasse“, dann wurde sie in „Bohaterów Strasse der Helden“ und „Powstancow Strasse der Aufständischen“ umbenannt. Der heutige Name stört mich nicht. Die Behörden können ihn aber ändern, unter der Bedingung, daß sie alle Kosten des Namenswechsels übernehmen“, sagt der 80jährige Leon Migdalek, der in der „Strasse der Roten Armee“ wohnt. Bei Jugendlichen erwecken die Strassennamen keinerlei Emotionen. Sie wissen nicht einmal, wer die „Helden“ waren. Herr Marian (der seinen Nachnamen nicht nennen will) nimmt die sowjetischen Soldaten in Schutz. Er sagt, dass seine Eltern sich dank der Roten Armee in Tirschtiegel ansiedeln konnten. Schliesslich hat sie doch die Deutschen davongejagt und vor dem Krieg war das Städtchen ja zwischen Polen und Deutschland geteilt. „Sollen wir unsere Geschichte verleugnen, oder was?“, fragt er. Die Bürgermeisterin Jola Górna-Bobrowska mag das Thema nicht berühren. „Das Parlament arbeitet an einem Gesetz, nach dem solche Namen automatisch abgeschafft werden“, sagt sie. Tirschtiegel mit seinen „kommunistischen“ Strassennamen ist keine Ausnahme. In Birnbaum gibt es u.a. eine „Strasse der Volksarmee“ (von den Russen gebildete Gegenformation zur „Heimatarmee“, die für ein freies Polen eintrat, d. Red.). Vor ein paar Jahren wollte man sie in „Johannes-Paul- Strasse“ umbenennen, wogegen jedoch eine Mehrheit der Einwohner protestierte; dies nicht, weil sie etwas gegen den polnischen Papst hatte, sondern weil sie nicht bereit war, die durch die Umbenennung entstehenden Kosten zu tragen. Ringstraße sehnlichst erwartet Die Ringstrasse soll den Autobahnanschluss mit der Staatsstrasse 2 (E 30) verbinden. Sollten die entsprechenden Bemühungen der Bürgermeisterin und des Starosten scheitern, würde der LKW-Verkehr die Stadt lähmen. Gegen Ende 2011 soll die durch die Wojwodschaft Lebuser Land führende Autobahn von Frankfurt/ Oder nach Posen durchgängig befahrbar sein. Bis 2014 soll nördlich von Tirschtiegel einer der vier in der Region geplanten Autobahnanschlüsse gebaut werden. Diese Tirschtiegeler Abfahrt werden die Bewohner von Meseritz, Betsche und Birnbaum benutzen. Dabei verläuft die einzige Strasse aus Nordosten zur Abfahrt Tirschtiegel durch die Stadt. Das Problem kann durch den Bau der Ringstrasse gelöst werden, worüber seit ein paar Jahren gesprochen wird. Das Problem ist, dass weder die Gemeinde noch die Starostei eine solche Investition „stemmen“ können. „Die Angelegenheit ist dringend. Das Planungsverfahren allein kann zwei Jahre in Anspruch nehmen. Wir müssen um die Mittel ringen und stehen dabei unter Zeitdruck. Schaffen wir es nicht, wird die Stadt vom Durchgangsverkehr stranguliert“, behauptet Mieczyslaw Kurys, Inhaber einer Transportfirma. Bürgermeisterin Jola Górna-Bobrowska und Starost Grzegorz Gabryelski rechnen mit einer finanziellen Unterstützung der Wojwodschaft. Die 1,1 km lange Umleitung würde westlich von Tirschtiegel gebaut werden. Hierfür müsste die Starostei privaten Eigentümern Grundstücke abkaufen. Die Autobahnabfahrt und die Ringstrasse könnten das „Fenster zur Welt“ für Tirschtiegel sein. Kurzig / Kursko Die Einwohner warten auf Investitionen Seit Jahren warten die Ortsbewohner auf eine Kanalisation und ordentliche Bürgersteige. „Unser Dorf ähnelt einem Freilichtmuseum“, sagten Dorfbewohner bei einem Treffen mit Bürgermeister Tadeusz Dubicki, der im Februar nach Kurzig kam, um über Investitionen zu sprechen, von denen die Einwohner ihm eine ganze Liste präsentierten. Z. B. wartet man in Kurzig auf die seit Jahren versprochene Kanalisation. Ständig nennen die Beamten dafür neue Termine. Die Sache ist dringlich, weil das derzeitige Entsorgen des Abwassers sehr teuer und unökologisch ist. Dubicki erklärte, dass die erste Etappe der Investition schon in Angriff genommen worden ist es werden gerade Rohrleitungen verlegt und Rohrnetze in Georgsdorf und Obergörzig angelegt. „Was geht uns Obergörzig an? Wir wollen die Kanalisation in Kurzig!“, riefen die Einwohner. Der Bürgermeister hat versprochen, dass die Arbeiten in Kurzig 2012 beginnen. Die Einwohner nehmen ihm das aber nicht ab, weil im Gemeindehaushalt dafür gar keine Mittel vorgesehen sind. „Die finanziellen Mittel für die Investition in Kurzig werden in den Haushalt für 2012 eingestellt. Dann werden wir die Kanalisation in Pieske, Kainscht, Nipter und auch in Meseritz bauen“, versprach Dubicki. Ein anderes Problem sind Bürgersteige bzw. ihr Nichtvorhandensein. Diese sollen erst nach Fertigstellung der Kanalisation angelegt werden. In Kurzig gibt es auch keinen ordentlichen Sportplatz. Die Gemeinde baut erst einmal Fussballplätze in Bauchwitz, Regenwurmlager und Kalau. Ein weiteres Problem ist der freie Zugang zum Kurziger See. In den 90er Jahren hat die Gemeinde Grundstücke am See verkauft, auf denen Datschen errichtet wurden. Nun klagen die Dorfbewohner über den erschwerten Zugang zum Seeufer. Gäste, die im Rahmen der Agrotouristik ihren Sommerurlaub bei Bauern im Ort verbringen, halten dies für einen grossen Nachteil. Zur Zeit erlaubt es der Eigentümer des Schlosses den Leuten, das Seeufer über sein Grundstück zu erreichen. Was aber, wenn er es sich anders überlegt und diesen Zugang sperrt? Betsche / Pszczew Ein Betscher Lehrer Gast im Kernforschungszentrum CERN Jozef Piotrowski, ein Physiklehrer vom Betscher Gymnasium, wird eine Woche im Europäischen Kernforschungszentrum in Genf verbringen. Dort wird er den grossen Hadronen-Speicherring zu Gesicht bekommen - den weltgrössten Teilchenbeschleuniger. Die Reise nach Genf ist der Preis für den ersten Platz im gesamtpolnischen Wettbewerb zur Popularisierung der exakten Wissenschaften. Jozef Piotrowski führte zusammen mit seinen Schülern ein Physikexperiment nicht nur durch sondern beschrieb und verfilmte es auch. Obergörzig / Gorzyca Merkwürdiger Fund auf dem Gutshof Vor dem Obergörziger Schloss wurde eine Tafel ausgegraben, die das Wappenschild der Familie v. Kalckreuth sowie die Jahreszahlen „1827“ und „1884“ trägt. Der jetzige Eigentümer von Schloss, Gutshof und Park ist überzeugt, dass dort noch mehr Überraschungen darauf warten, entdeckt zu werden. Vielleicht stösst man im weiteren Verlauf der Renovierung des ganzen Ensembles darauf. „Bis 1945 gehörte das Gut der Familie v. Kalckreuth“, erklärt Aleksander Bicz, der Schloss, Hofgebäude und Park vor vier Jahren von der zuständigen „Agencja“ erwarb. „Bei den im Wappen dargestellten Werkzeugen handelt es sich um eine Art Gabeln, die früher zum Brennen von Kalk eingesetzt wurden. Dies soll der Ursprung des Familiennamens sein“, erklärt der Meseritzer Museumsdirektor Andrzej Kirmiel. Mit den Daten „1827“ und „1884“ kann aber selbst Leonhard v. Kalckreuth, der älteste Sohn von Joachim v. Kalckreuth, dem letzten Eigentümer des Gutes bis 1945, nichts anfangen, obwohl er dafür schon die ganze Familiengeschichte durchforscht hat. Leonhard verbrachte seine Jugend zwar in Muchocin bei Birnbaum, hielt sich aber häufig bei seiner im Obergörziger Schloss wohnenden Grossmutter, Frau Klara-Alexandra v. Kalckreuth, auf und wäre in der Nachfolge seines Vaters Erbe des Gutes Obergörzig geworden. Andrzej Kirmiel hat eine Monographie über die Geschichte der Familie v. Kalckreuth verfasst, die seit 1580 in Grosspolen ansässig war. Ihren Ursprung hat sie im Grossraum Nürnberg, von wo aus Teile der Familie über das Herzogtum Meissen nach Böhmen, in die Lausitz, nach Schlesien, in die Neumark und nach Grosspolen weiterwanderten. Ihr gehörten über mehr oder weniger lange Zeiträume im Meseritzer Land die Güter Hermsdorf, Lauske, Prittisch, Bobelwitz, Politzig, Neugörzig, Obergörzig, Weissensee, Samst und Kurzig. Das Obergörziger Schloss stammt aus dem 18. Jh., der sich zur Obra erstreckende Park aus dem Anfang des 19. Jh.. Die Renovierungsarbeiten am Schloss stehen unter der Aufsicht des Denkmalschutzes. Seit 4 Jahren arbeiten Aleksander Bicz und seine tüchtigen Söhne an einer Rehabilitierung des Schlosses, letztes Jahr wurde das Dach neu gedeckt, wozu Herr Bicz Ziegel nach dem Originalmuster anfertigen liess. „Es war eine totale Ruine, wir mußten die Dächer von Schloß und Ställen neu decken, jetzt arbeiten wir im Inneren: am Obraufer sollen ein Zeltlager und eine Bootsstation entstehen“, erzählt er. Mehr als 20 Jahre lang arbeitete Herr Bicz in Kanada. Nach Obergörzig geriet er über seine Frau Danuta, die aus Weissensee stammt. Seine weiteren Pläne sind, im Schloss ein Schulungszentrum sowie einen Gedenkraum einzurichten. In den früheren Ställen und Wirtschaftsgebäuden soll eine Pension mit Restaurant untergebracht werden. Birnbaum /Miedzychód Streit um eine Bibliothek Im Vorort Bielsko wurde eine Filiale der Birnbaumer Bibliothek eingerichtet. Sie ist eine Visitenkarte des Dorfes, aber auch ein Zankapfel unter den Einwohnern. Ein Teil von ihnen fordert, dass der Buchbestand in einem kleineren Raum im ersten Stock des Hauses untergebracht wird. Der Bürgermeister ist dagegen. Die Bibliothek existiert seit Januar, sie ist die modernste im ganzen Kreis. Ihre Errichtung erfolgte mit Hilfe von EU-Geldern. Ins Erdgeschoss wurden Bücherregale gestellt, dort sind auch 3 Computer mit Internetanschluss zu freier Benutzung installiert und es gibt Toiletten. Einen kleineren Raum im ersten Stock hat man als Treffpunkt für die Einwohner vorgesehen. Dort können kleine Versammlungen durchgeführt werden und Gesprächsrunden stattfinden. Ein Teil der Einwohner findet aber, dass man es umgekehrt hätte machen sollen, also die Bibliothek nach oben und den Versammlungsraum nach unten legen. Ein entsprechender Antrag an Bürgermeister Roman Musial und Bibliotheksdirektor Antoni Taczanowski wurde jedoch abgelehnt mit der Begründung, dass die Bibliothek Priorität besitze. So geht jetzt ein Riss durch die Gemeinde. 370 Menschen werden ihren Arbeitsplatz verlieren Im November wird der Zweigbetrieb der Firma Heinz- Polska (früher: Pomona) geschlossen. Die Produktion von Fertiggerichten wird nach Pudliszki bei Lissa verlagert, was einer Tragödie für die Stadt gleichkommt. Der Betrieb produziert Tomatenmark und Fertiggerichte und hat 370 Mitarbeiter, die alle ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Heinz wird sich zwar bemühen, das Birnbaumer Werk zu verkaufen, die Sache ist aber sehr ungewiss. EU-Geld für Investitionen in Birnbaum Für den Ausbau von Sportzentren in Lowin und Alt- Merine erhält die Gemeinde einen Zuschuss von fast 210.000 Euro. Der Rest der Mittel kommt von der Wojwodschaft. Die Investitionen sollen noch dieses Jahr erfolgen. Der Betrag ist erheblich, er wird für einen Ausbau und eine Modernisierung des Lowiner Kulturhauses sowie das Anlegen eines Fussballplatzes mit Kunstrasen verwandt werden. In Alt-Merine wiederum geht es um den Ausbau eines Zentrums für Fahrradtouristik. Der gute Geist von Birnbaum Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, wird ab und zu nach dem schönsten Handelszentrum der Region gefragt. Seine Antwort setzt so manchen Berliner und Brandenburger in Erstaunen: „Das schönste Handelszentrum gibt es in Posen“. Selbstverständlich geht es um die Alte Brauerei (Stary Browar), die als architektonische Perle weit über die Grenzen Polens hinaus bekannt ist. Nils Busch-Petersen ist ganz verliebt in den Komplex, schätzt den Erfahrungsaustausch mit Posener Kaufleuten hoch ein und sieht ein grosses Potenzial in der Zusammenarbeit nicht nur der jeweiligen Handelsvereinigungen, sondern auch privater Geschäftsleute.Die derzeitige Aktivität des Handels der Wojwodschaft Grosspolen mit Berlin ist noch lange nicht an ihre Grenzen gestossen. Markenartikel aus dem Lebensmittelbereich sowie aus der Jungen Mode aus Posen und Berlin bezeichnen nur zwei der Berührungspunkte für einen regen Erfahrungsaustausch und gegenseitige Unterstützung beim Einführen der Produkte der einen Seite in den jeweils anderen Markt. Die Handelskontakte zwischen Berlin, dem Land Brandenburg und Grosspolen blicken auf eine berühmte Tradition zurück. Seine Freizeit widmet Nils Busch-Petersen seit Jahren dem Erforschen der deutsch-jüdischen Handelsgeschichte, wobei er auf ein interessantes Phänomen stiess. Zum Ausklang des 19 Jhs. nahmen mindestens 8 der berühmtesten Dynastien des deutschen Einzelhandels ihren Ursprung in dem kleinen Ort Birnbaum. Der wohl bekannteste unter den jungen Kaufleuten überwiegend jüdischer Herkunft, die die Branche revolutionierten, war Oskar Tietz. Er begründete den HERTIE (HERmann TIetz)-Konzern und sein Bruder Leonhard war der Schöpfer des KAUFHOF. Ein Gedenkstein und eine „Tietzstrasse“ erinnern noch heute an diese berühmtesten Bürger ihrer Heimatstadt. Seit den ersten Kontakten zwischen den Berliner Kaufleuten und der Stadt Birnbaum 2002 sind herzliche persönliche Verbindungen zustandegekommen. 2008 waren ein Enkel und ein Urenkel von Oskar Tietz zu Gast in Birnbaum. Es war ein anrührendes Erlebnis für sie. Der alte kaufmännische Geist hat auch wieder Einzug in Birnbaum gehalten: Jedes Jahr verleiht der lokale Einzelhandel einen Preis an diejenige Firma, die den besten Kundendienst bietet und sich durch Weltoffenheit und unternehmerische Kreativität auszeichnet. Presse-Archiv: Mitteilungen aus der poln. Presse I/2011 Mitteilungen aus der poln. Presse IV/2010 Mitteilungen aus der poln. Presse III/2010 Mitteilungen aus der poln. Presse II/2010 Mitteilungen aus der poln. Presse I/2010 Mitteilungen aus der poln. Presse IV/2009 Mitteilungen aus der poln. Presse III/2009 Mitteilungen aus der poln. Presse II/2009 |